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Burstup

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27. 4. 2009 - 16:14

Zwischen Service und Politik

Anlässlich der ÖH-Wahlen Ende Mai: Ein Blick zurück auf die zwei turbulenten Jahre Studierendenvertretung.

"Unser Schwerpunkt liegt eindeutig im Bereich Service", sagt ÖH-Bundesvorsitzender Samir Al-Mobayyed von der ÖVP-nahen AktionsGemeinschaft. "Ein wenig in den Hintergrund gerückt ist bei uns die Gesellschatfspolitik, sie ist für uns eher unwichtig. Gesellschaftspolitische Themen werden von uns dann wahrgenommen, wenn sie das Leben der Studierenden betreffen."

AkionsGemeinschaft

Samir Al-Mobayyed

Traditionell sind an der Bundesvertretung der ÖH mehrere Referate eingerichtet, deren Namen größtenteils auf gesellschaftspolitische Themen hinweisen. Zum Beispiel das Referat für Menschenrechte und Gesellschaftspolitik, wo viele BürgerrechtsaktivistInnen und Umweltschützer tätig sind.
Direkter auf die Anliegen der Studierenden bezogen ist das Referat für Bildungspolitik: Hier werden die allgemeinen Interessen der Studierenden gegenüber Gesetzgeber oder Behörden wahrgenommen, auch wenn es z.B. um die Studiengebühren oder Zugangsbeschränkungen geht. Im Referat für Sozialpolitik werden Studierende in Fragen Studienbeihilfen, Krankenversicherung, oder Karenzgeld beraten, über das Thema Wohnrecht, Studieren mit Kind bis hin zur Versicherungsberatung. Dazu kommen noch die Referate für Öffentlichkeitsarbeit, für internationale Angelegenheiten, für wirtschaftliche Angelegenheiten, für ausländische Studierende und für feministische Politik.

"Alle Referate sind gleich wichtig und sie alle leisten gleich gute Arbeit", sagt Samir Al-Mobayyed, angesprochen auf seine vorige Aussage zu mehr Service und weniger Gesellschaftspolitik. Seine Fraktion war bei den ÖH-Wahlen 2007 der große Wahlsieger: In der Bundesvertretung erreichte sie 20 Mandate (plus 6). Dahinter die Grün Alternativen Studenten GRAS mit 15, (plus 1) und die Fachschaftslisten Österreich FLÖ mit 14 (plus 3). Verlierer war 2007 der Verband Sozialistischer StudentInnen Östereichs VSSTÖ mit 11 Mandaten (minus 5). Der freiheitliche RFS, die Liberalen und der kommunistische KSV erhielten je 1 Mandat, sonstige Gruppen 3 Mandate.

Das Ergebnis der letzten ÖH-Wahlen

APA

Die Freude über den Wahlsieg war bei der AktionsGemeinschaft 2007 allerdings von kurzer Dauer: Bei den Koalitionsverhandlungen einigten sich GRAS, VSSTÖ und FLÖ auf eine Zusammenarbeit. AG-Vorsitzender Samir Al-Mobayyed war also völlig unerwartet nicht ÖH-Bundesvorsitzender geworden und zeigte sich enttäuscht: "Was für mich jetzt klar ist: Die Fachschaftslisten sind nicht unabhängig, sie haben sich klar links positioniert. Der linke Machtrausch in der Bundesvertretung geht weiter. Aber wir sind mit 20 Mandaten nach wie vor stärkste Fraktion, wir werden eine starke Opposition sein und den linken Chaostruppen, also dieser Ampelkoalition, ordentlich auf die Finger schauen."

Fachschaftslisten Österreich

Hartwig Brandl

Koalition zerbricht

Die Ampelkoalition hatte Hartwig Brandl von den Fachschafstlisten Österreich zum Bundesvorsitzenden gewählt. Brandl hatte viel vor: Den gesellschaftlichen Einfluss der ÖH stärken - und das bei größerer Unabhängigkeit von politischen Parteien. Brandl damals: "Das erste Mal in der Geschichte der ÖH gibt es eine unabhängige Interessensvertretung, die die Stimmen der Studierenden hört. Alle FLÖ-MitarbeiterInnen haben an der Basis begonnen, in den Universitätsvertretungen – wir wissen, was für die Studierenden wichtig ist." Bei Abschaffung der Studiengebühren war man sich ohnehin einig, genauso wie bei den Zugangsbeschränkungen. Anfang 2008 aber war die Stimmung zwischen den Koalitionspartnern im Keller. Die Fachschaftsliste sah zuviel parteipolitischen Einfluss bei VSSTÖ und GRAS, die beiden Fraktionen wiederum blockierten das Vorhaben der Fachschaftsliste, ÖH-Mitarbeiter auf parteiunabhängige Schulungen zu schicken. Im Juni 2008 zerbrach die Ampelkoalition. Markus Hauser, Pressesprecher der FLÖ erinnert sich: "Der VSStÖ hat die Koaltion gebrochen. Wir haben sie dann beendet."
Tatsächlich wurde im Rahmen von zwei turbulenten Sitzungen voller Anträge und strategischer Unterbrechungen zuerst ÖH-Vorsitzender Hartwig Brandl (FLÖ) demontiert und schließlich Samir Al-Mobayyed als neuer ÖH-Vorsitzender gewählt – ohne Koaltion, mit einem Minderheitenkabinett.

Chaotisch, konstruktiv

Das freie Spiel der Kräfte in der ÖH-Bundesvertretung empfindet Al-Mobayyed heute als kompliziert: "Es ist teils chaotisch, teils konstruktiv. Leider geht es den linken Fraktionen in letzter Zeit nur noch darum, das E-Voting zu bekämpfen. Die anderen, wirklich wichtigen Themen, fallen dabei unter den Tisch." Al-Mobayyed tritt bei Interviews in seiner Funktion als ÖH-Vorsitzender zwar - gemäß der Linie der ÖH - gegen das E-Voting auf, kann dem Vorhaben von Wissenschaftsminister Johannes Hahn aber durchaus positives abgewinnen. Die Abschaffung der Studiengebühren im Herbst 2008 begrüßt Al-Mobayyed, Kritik übt er an Ungerechtigkeiten wie den Zuverdienstgrenzen für Studierende, die arbeiten gehen.

Von 26.-28. Mai finden heuer die ÖH-Wahlen statt. Seit der Wahlrechtsreform 2005 werden nur noch die Uni- und Studienrichtungsvertretungen direkt gewählt, nicht die ÖH-Bundesvertretung, das "Studierendenparlament".

Zu konkreten Anlässen haben sich in den letzten Jahren vor allem einzelne Uni- oder Studienrichtungsvertretungen Gehör verschafft, so etwa im Früjahr 2008 die ÖH Uni Wien: eine Vorlesung zum Thema Wirtschaftsethik wurde durch die Erste Bank gesponsort, und die Bank schickte auch gleich vier ihrer Angestellten als Vortragende in die Lehrveranstaltung. Die Studierendenvertreter sorgten sich um die Freiheit der Wissenschaft. Marlies Wilhelm vom Vorsitzteam der ÖH Uni Wien: "Das Problem ist, dass die Unis durch die Unterfinanzierung und das,was man euphemistisch 'Autonomie' nennt, dazu gedrängt werden, sich durch Drittmittel zu finanzieren. Warum wir diesen Fall jetzt so besonders finden: Es ist der erste Fall, wo eine Kooperation in einem solchen Ausmaß passiert, und er kann später als Beispiel dienen, wie's funktioniert, wie sich auch andere Unis auf diese Weise finanzieren müssen." Und ums Geld wird es wohl auch im ÖH-Wahlkampf gehen, der uns in den nächsten Wochen bevorsteht.