Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Ladies' Night"

Barbara Matthews

"Bright light city gonna set my soul on fire" - dispatches from New Orleans.

26. 4. 2009 - 09:43

Ladies' Night

Because the night belongs to us: Girl Monsters, Men und die Raincoats.

Man merkt, das Publikum heute ist überwiegend weiblich, überwiegend gut und kreativ gekleidet und voller Vorfreude. Heute gehört der Abend den Ladies.

C.L.U.E. und Anat Ben David

CLUE am Donaufestival

Florian Schulte

"Color Location Ultimate Experience" ist die lange Version von C.L.U.E., einem Tänzerinnen-Duo aus den USA. Auf riesigen Videoprojektionen tanzen sie für und in der Natur und gegen die Industralisierung. Die tausende Male abgefilmte amerikanische Landstraße wird durch die zwei Damen in bunten Gewändern verwandelt. Sie sind meist ineinander verhakt oder halten die Hände während sie tanzen. Man bekommt ein Gefühl von "Wir gegen die Welt" vermittelt. Die Videos wurden von A.L. Steiner zusammengestellt.

CLUE am Donaufestival

Florian Schulte

Dazu gab es eine Live-Performance, die aber nicht so ganz gegriffen hat. Die Dance Moves aus den Videos wurden live nachempfunden (zum Playback der super underrated Band Kinski) - allerdings wirkte die Tänzerin in der riesigen Halle auf der riesigen Bühne eher verloren. Obwohl sie einen zusammenklappbaren Igloo/Eisberg hinter sich hatte.

Darauf folgte Anat Ben David, die in ihrem knallroten Knautschlederregenmantel keine Sekunde verplempert und sofort das nerventötende Elektro-Playback anklingen lässt. Sie brüllt ins Mikro, während sie in Bondage-Tape gewickelt überdimensional groß auf der Leinwand hinter sich auftaucht. Leider fährt mir dieser Krawall derart in die Nerven, dass ich es nicht lange aushalte. Wie die Harfe dann zum Einsatz kam, werde ich mir wohl erzählen lassen müssen.

Ana Ben David am Donaufestival

Florian Schulte

Men

Men am Donaufestival

Florian Schulte

"Who am I to feel so free" fragt das Banner hinter der Band. Wie ausgelassen tanzt die erste Reihe dann auch zu Men, der einzigen Band die einen Song zweimal spielen kann, ohne dass es langweilig wird. "Boom Boom Boom" macht in der Zugabe sogar noch mehr Spass. Das Trio, dass aus dem von JD Samson und Johanna Fateman gegründeten DJ Team gewachsen ist, setzt auf süßen Elektropop, wobei jeder Song mindestens einen Imperativ aufbieten muss. Bei "Take Your Shirt Off´" setzt's schließlich weibliche Flasher und ein zustimmendes "Aww yeah" von JD. Men sind eine wahre Gute Laune Band - mit kleinen sympatischen Fehlern - die man einer Band, die erst ihre siebte Show spielt durchaus gerne verzeiht. JD Samson bekommt von mir neben "Lesbische Ikone" auch noch den Titel "Stürmische Frontfrau" verliehen, da sie es sich nehmen lässt, Highkicks auszuprobieren oder Papierflieger in die Menge zu werfen. "I wanna fuck my friends" verkünden sie voller Stolz gleich am Anfang des Sets zu dreckigen Elektrobeats - da ist die Antwort auf die Frage vor der Zugabe ganz klar: "Do you guys want a Stoner-Rock Song with a Performance Art ending or...Dance Music?". Ich geh' mir jetzt das T-Shirt kaufen.

Men am Donaufestival

Florian Schulte

Koko Von Napoo

Koko von Napoo am Donaufestival

Florian Schulte

Hier passiert französischer Pop, auf den einige wichtige Elemente aus der Riotgrrl Schule prallen. Die Bandmitglieder sind sehr schick gekleidet, vor allem die Schlagzeugerin mit ihrem Brigitte Bardot/Debbie Harry Look hat's mir angetan. Ansonsten merke ich, dass Koko von Napoo relativ langweilig dahin schummern - der Pop ist süß, aber etwas zu brav für eine Band, die sich nach einer britischen Gang aus den 20er benannt hat. Girl Monsters sind das keine, aber im nächsten Sofia Coppola Film würden sie sicher einen Gastauftritt erhaschen können - sie haben genau die Ästhetik dafür.

Yo! Majesty

Yo! Majesty am Donaufestival

Florian Schulte

Yo, so was hab' ich noch nie erlebt. Diese zwei Damen sind der absolute Wahnsinn und die komplette Revolution. Shunda und Jwl stellen alles auf den Kopf, was ich/wir uns je über Hip Hop gedacht haben. Adieu Männerdomäne, Adieu Testosteron - Bühne frei für den Feminismus Freakout. Yo Majesty nehmen sich kein Blatt vor den Mund - ähnlich wie bei den männlichen Kollegen wird hier die "Kryptonite Pussy" besungen, der Booty zum Wackeln aufgefordert - aber wenn mir das eine halbnackte Frau sagt, die sich gerade ihr Leiberl vom Körper gerissen hat, hat das natürlich eine ganz andere Konnotation.

Yo! Majesty am Donaufestival

Florian Schulte

DJ Cooks sorgt für einen musikalischen Mischmasch aus Eigenkompositionen und Hip Hop Querreferenzen ohne Ende. Während ihres Sets brüllt ihn Jwl schon mal an, wenn sie es sich gerade anders überlegt und der Beat doch jetzt schon kommen muss. Krems bebt, die Halle bebt, Hands Up In The Air und alles wackelt. Genieren oder Zurückhaltung ist hier fehl am Platz. Yo Majesty schreien, kreischen, toben, spucken, greifen sich in den Schritt und feiern ekstatisch auf der Bühne - das ist die ultimative Frauen-Power und macht unglaublich viel Spaß. Auch für jemand, der dem Hip Hop nicht ferner sein könnte und Miami Booty Bass nur von den Autos auf den Straßen Floridas kennt. Ich glaube, die Funken ihrer Wut und ihrer Power sind ins Publikum übergesprungen, die Menge tobt noch immer.

Yo! Majesty am Donaufestival

Florian Schulte

The Raincoats

Okay, Themen- und Stimmungswechsel. The Raincoats aus London waren Kurt Cobains Lieblingsband, er ist "schuld" daran, dass sich die zwei Freundinnen Gina Birch und Ana Da Silva in den 90ern wieder refomiert haben. Sie sind eine Band des Postpunk, haben sich 1977 gegründet und hatten sogar mal Palmolive von The Slits im Lineup. Nach einer Sause durch die Welt des Riotgrrrls haben sich The Raincoats wieder aus der Musikwelt verabschiedet und sich ihren Soloprojekten gewidmet. Dank Chicks on Speed geben sie sich's aber zu speziellen Anlässen nochmal - so wie heute.

The Raincoats

Florian Schulte

Nach meinem höchst motivierenden und lustigen gestrigen Treffen mit den Ladies bin ich bei ihrem Konzert verliebt in der ersten Reihe gestanden. Ihr leicht asynchroner, experimenteller Postpunk passt jetzt genauso gut, wie ich mir vorstelle, dass es vor 30 Jahren gepasst hat. Und ob Ana mit über 50 oder mit 25 den Text zu "The Void" singt - kein Unterschied.

The Raincoats

florian schulte

Solche Girlbands vermiss' ich wirklich gerade sehr aus der Welt - ohne Raincoats kein Hole, ohne Raincoats kein Bikini Kill, ohne Raincoats... naja, ihr merkt schon. Ich finde das so cool, dass mir eine Frau mit grauen Haare von ihrerTeenage-Angst vorsingt. Ich hoffe wirklich, ich bekomm' noch mal die Chance...

Girl Monster Orchestra

Ein fulminantes Ende für ein Wahnsinns-Wochende dann - die Chicks on Speed, die den gesamten Abend kuratiert haben, bitten das Girl Monster Orchestra auf die Bühne. Vorher gibt's noch einen chaotischen Vortrag von der strengen/coolen A.L. Steiner über weibliche Künstlerinnen - jeder, der "Hot Topic" von Le Tigre kennt, kennt diese Aufzählung. Danach Musik: Neben den Raincoats finden sich hier auch alle weiteren Performer des Abends wieder.

Girl Monster Orchestra

florian schulte

Mit Gustav als Dirigentin spielen sie auf ihren selbstgebastelten Intrumenten (darunter musikalische Schuhe). Irgendwie passt es zusammen, aber wie erwartet entsteht völliges Durcheinander. Danach laden die Raincoats zum kollektiven "Lola"-Singen ein, was durch das Stage Hopping einer Yo Majesty Dame leicht entgleist. Trotzdem, man kann "Lalalalalola" ja tausendmal hintereinander singen.

Girl Monster Orchestra

florian schulte

Wir hätten uns doch trauen sollen und die Barrikaden stürmen, wie aufgefordert - denn das "Girl Monster Theme" ist nur halb so lustig, wenn man nicht selber mithüpfen kann. A.L. Steiner nimmt sich ein Vorbild an Yo Majesty und lüftet ihr Top, jeder mit jeder, eine feministische Bilderbuch-Bacchanalie. Schade, dass schon wieder alles vorbei ist - this shit was bananas, B.A.N.A.N.A.S.!!