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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

25. 4. 2009 - 11:41

Von Geistern und Dilettanten

Klavier und Stimme. Dirk und Thies. Reduktion und große Gesten. In einer FM4 Radiosession mit Phantom / Ghost.

Im nächtlichen Sendesaal stehen lediglich ein großer Flügel und ein Gesangsmikrophon. Die späteste FM4 Radiosession mit Beginn 22:00 Uhr ist auch die reduzierteste. Tocotronic Sänger Dirk von Lowtzow und Produzent und Musikerfreund Thies Mythner, die sich unter dem Namen Phantom/Ghost konzeptioneller Audiokunst hingeben, huldigen mit ihrem vierten Werk "Thrown Out Of Drama School" dem Musical und der Theaterbühne. Und das nur mit Stimmbändern, Klavirsaiten und gekonnter Gestik.

Dirk von Lowtzow

Pamela Rußmann

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Pamela Rußmann

Verlorene Schlachten, Yves Saint Laurent und die Hölle

Stilecht wird das Konzert mit Champagner eröffnet. Durch die Stille kann man fast den Sprudel in den Sektgläsern hören. Mit gefalteten Händen steht Dirk zu Thies gebeugt da, bis die ersten Klavierakkorde den Saal erfüllen. Die kleine und geschmeidige Gesangsmelodie von "The Charge Of A Light Brigade" führt uns vor dem inneren Auge auf ein Feld, auf dem eine Schlacht verloren ging, wobei sich dicker Nebel langsam auf die geisterhafte Szenerie legt. Die aussichtslos geführten Kämpfe, die in dem Lied besungen werden, könnten durch das Timbre von Dirk von Lowtzow jedoch auch um vier Uhr morgens alleine mit der leeren Whiskeyflasche geführt werden, während die letzten Barpianoklänge im Raum verhallen.

Dirk von Lowtzow

Pamela Rußmann

Setlist

  • The Charge Of A Light Brigade
  • St. Lawrence
  • The Beautiflu Fall
  • The Process (After Brion Gysin)
  • All Is Hell
  • Nothing Is Written
  • All Manner Of Thing Shall Be Well
  • Relax, It's Only A Ghost
  • Thrown Out Of Drama School
  • Buffy Suite
  • Willow

Zugabe

  • Tannis Root
  • Phantoms And Ghosts
  • These Day
  • You're My Mate

Durch die sparsame Instrumentierung, die jede noch so kleine Nuance hörbar macht, eröffnet sich für den Hörer ein großer Raum, der mit allen Assoziationen gefüllt werden kann. So knarren etwa im Kopf die Balken eines alten, morschen Schiffs, wenn Dirk seine Mischfigur aus Yves Saint Laurent und Lawrence von Arabien in "St. Lawrence" über das Meer davonsegeln lässt.

Und bei der folkigen Melodieführung von "The Beautiful Fall" könnte man sich in ein kleines irishes Pub versetzt fühlen, durch dessen Hintertür man vor den Abgrund der Cliffs Of Moher gelangt. Ein Schritt weiter, und der Text wird Realität.

Während "All Is Hell" kommt der theatralische Musical-Charakter richtig zum Tragen. Die digitalen Beats laufen höchstens in der eigenen Imagination mit, während auf der Bühne metaphorisch die Hölle heraufbeschworen wird. Dazu reichen die zerbrechlichen Höhen des Gesangs sowie beschwörerische Gesten mit den Händen in Richtung Saaldecke.

Dirk von Lowtzow und Thies Mynther

Pamela Rußmann

Relax, it's only Dilettantismus

Dass sich bei Phantom/Ghost viel um Scharlatanie und Hochstaplerei dreht, passt vorzüglich zum musikalischen Konzept, mit dem das Duo gegenwärtig unterwegs ist. So ertappt man sich während des Konzerts, die schrägen Töne von Dirk mit einem Grinsen zu goutieren und gleichzeitig mit Verwunderung der magischen Atmosphäre extremer Reduktion zu erliegen. Denn eines ist klar: Bei einer derartigen Besetzung ist jeder Fehler herauszuhören, der allerdings im Phantom/Ghost Rahmen zu einem wesentlichen Stimmungselement wird: Die Transformation der Scharlatane hat funktioniert.

Thies Mynther am Klavier

Pamela Rußmann

Ein Song wie "Relax, It's Only A Ghost" wird bis auf sein knöchernes Harmoniegerüst filetiert, wodurch die Akkorde fast noch kraftvoller wirken. Die durch zwei Pianistenhände separierten Bass- und Leadmelodien schaffen auch einen neuen Kontext für den Text, womit sich die geisterhaften Gestalten neue Türen unserer Vorstellung aufstoßen können.

Das alles hat natürlich ganz und gar nichts mit Dilettantismus zu tun. Im Gegenteil. Seiner Stimme diesen großen Platz einzuräumen, sie von ganzem Herzen mit all seinen Zerfransungen und emotionalen Schwankungen des Moments raus- und zuzulassen, dazu bedarf es einer ganz eigenen Ebene der Musikalität und vielleicht auch des Bewusstseins.

Dirk von Lowtzow verneigt sich

Pamela Rußmann

Das Gute am Scheitern

Mit verschmitztem Lächeln servieren uns Dirk von Lowtzow und Thies Mythner ihr neues Werk "Thrown Out Of Drama School", das in gewissem Sinne die Gründungsvorgaben von Phantom/Ghost darlegen. Das Rollenspiel, das selbstverständlich in Übertreibungen gipfeln soll, die selbst auferlegten Handicaps, die unweigerlich ein Scheitern implizieren und folglich die Unantastbarkeit des künstlerischen Ergebnisses und seine gleichzeitige Relativierung.

Dirk von Lowtzow mit Champagnerglas

Pamela Rußmann

Welchen Weg hätte Dirk von Lowtzow wohl beschritten, wäre er nicht wirklich einmal bei einer Schauspielschule durchgefallen? Zumindest würde es das neue Phantom/Ghost Album nicht in dieser Form geben. Und, in logischer Konsequenz, würden wir nicht nach einer beklatschten Zugabe mit einem wundervollen Nachklang des Konzert im Kopf nachhause gehen.

Setlist

  • The Charge Of A Light Brigade
  • St. Lawrence
  • The Beautiflu Fall
  • The Process (After Brion Gysin)
  • All Is Hell
  • Nothing Is Written
  • All Manner Of Thing Shall Be Well
  • Relax, It's Only A Ghost
  • Thrown Out Of Drama School
  • Buffy Suite
  • Willow
  • Tannis Root
  • Phantoms And Ghosts
  • These Day
  • You're My Mate