Erstellt am: 24. 4. 2009 - 11:55 Uhr
Oh Wonnemonat

CIS
Plakativ könnte ich sagen: am Weg zum schmucken nächsten Titel begegnen uns Saul Williams, Clinic und CocoRosie. Das kann ja schön werden.
Freitagabend (25. April 2009) öffnen Galerien und Kunstinstitutionen in Graz ihre Räume für die Galerientage 2009 bei freiem Eintritt. Am selben Abend wird im Dom im Berg der erste Designmonat Österreichs gleich einmal gefeiert: von 24. April bis 24. Mai zeigt die steirische Kreativwirtschaft, dass sie bereit ist. Bereit, sich zu Berlin, Buenos Aires, Montréal, Kobe und Nagoya sowie Shenzhen zu gesellen und sich bei der UNESCO um das Prädikat "City of Design" zu bewerben.
Prenzlauerbergisierung?
Kreativwirtschaft ist für mich ein Reizwort. Und nun habe ich einen Monat lang Zeit zu ergründen, warum das so ist. Denn es sind nicht allein Wohnzimmerlampen aus Mineralwasserflaschen, die mir nicht gefallen. Die kleinen Läden, die sich zwischen Kunsthaus Graz und Lendplatz angesiedelt haben, sind unbestritten eine Aufwertung für die Stadt und nett ist das, diese kleine Grätzelbildung, wo man sich erfreut grüßt und sich bei den ersten Frühlingsstrahlen vor sein Geschäft setzt. Von "Prenzlauerbergisierung" war vor zwei Jahren die Rede. Heute wollen sich die ersten Jungunternehmer die Mieten in Lend nicht mehr leisten. Kommt einer, kommen alle mag für Auftragslagen gelten, Vermieter kennen dieses Credo aber auch.
Kreativwirtschaft ist viel mehr als eine Umhängetasche – die könnte die Visitenkarten aller Unternehmer der steirischen "kreativen Szene" nicht mehr fassen. Sämtliche Sparten, die dem Design zuzurechnen sind, angefangen von Grafik- und Informationsdesign zu Architektur, doch auch die Filmwirtschaft, Verlagswesen und darstellende Kunst rechnet die Netzwerkgesellschaft Creative Industries Styria, die den Designmonat organisiert, zur Kreativwirtschaft. Definitiv nicht dazu gehört die bildende Kunst. Nichtsdestotrotz sind die Galerientage Teil des Designmonats. Hübsche (Werbe-)Synergien ergeben sich. Aber hier sitzt mein Problem. Ich wünsche mir Grenzen. Es gibt soviel Kreativität, dass man die Kunst nicht mehr sieht. Ich schätze es, wenn sich in einer schönen Verpackung auch ein wertvoller Inhalt findet, und noch besser ist es umgekehrt. Auf dem Sektor der bildenden Kunst tut sich nach wie vor wenig, es gibt zahlreiche sehr gute Galerien in Graz, doch seitens der Stadt denkt man seit Jahren über eine Kunst-Universität nach. Ob die Gedankenblasen in absehbarer Zeit Gestalt annehmen, ist fraglich.
Organisiert wird der Designmonat Graz von Creative Industries Styria (CIS), einer Netzwerkgesellschaft, die als Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Kreativen fungiert. Im Unterschied zu Departure vergibt CIS keine Förderungen, sondern berät kreative Köpfe, wo es Fördertöpfe gibt.
Unter der Oberfläche
An Inhalten fehlt es dem Designmonat nicht: die Ausstellung und Veranstaltungsreihe Absolutely free - der Woodstockeffekt, die zum Eröffnungskonzert am 2. Mai Saul Williams in die Postgarage lädt, ist Teil des Designmonats. Absolutely free nimmt das Woodstock-Festival vor vierzig Jahren zum Vorwand, pardon Anlass, zu hinterfragen, wer sich heute noch soziale und politische Utopien leisten kann und welche Potentiale die heutige Popkultur dafür bietet. Am 1. Juli werden die verzückenden Schwestern Sierra und Bianca Casady aka CocoRosie ein Gastspiel auf den Kasemattenbühnen geben. Allein dafür dürfen von mir aus große aufblasbare Plastikjoints im Landesmuseum Joanneum aufgestellt werden – in der Gerüchteküche qualmt es bereits, mehr zum Woodstock-Effekt nächste Woche.
Bis das CocoRosie-Land am Schloßberg Station macht, kann man sich mit dem "organisch-dynamischen Beteiligungsprojekt Neuland", Guerilla Gardening und etlichen weiteren Programmpunkten die freie Zeit vertreiben. Wenn alles so durchdacht ist wie das Musikprogramm zur Ausstellung kommt Einiges auf uns zu. In Kooperation mit Absolutely free importiert sich nämlich auch die Blockparty Lendwirbel ihren Headliner aus England: Clinic spielen neben der Lendmaschine, Tat Eve, dem Wilhelm Show Me The Major Label Mash-Up u.v. mehr. Und ja, auch das Stadtteilfest Lendwirbel ist Teil des Designmonats ebenso wie die Assembly, wo Mode und Möbel für das schöne Leben zum Verkauf stehen. Damit ist der Designmonatmarathon noch nicht überstanden, denn mit springnine stellt sich ein Höhepunkt des Festivalkalenders ein. Und die Stadt endgültig des Nächtens auf den Kopf.

croce + wir
Do we have what it takes to become a UNESCO City of Design?
Designmonat Graz, bis 24. Mai.
Eröffnung Let's get started mit Disco Bloodbath, Kristian Davidek, Mr.Dero, Zeiger Soundsystem und Le TAMTAM, 24. April, 20 Uhr, Dom im Berg, Eintritt frei bis 23 Uhr.
All diese Festivitäten hätten 2009 auch ohne Designmonat eine Fortsetzung gefunden. Für die Bewerbung bei der United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization ist das ein gutes Vorzeichen, wieder ein Punkt auf der To-Have-Liste abgehakt.
2005 wird das Creative Cities Network ins Leben gerufen, Buenos Aires war die erste Stadt, die sich das Label "City of Design" of die Brust heften darf. Das will auch die Stadt Graz und hat die Creative Industries Styria mit der Bewerbung um die Aufnahme der Stadt in das Netzwerk der UNESCO beauftragt. Laut Stadt erwirtschaften die Branchen der Kreativwirtschaft 1,5 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung im Großraum Graz. Rund 40.000 Arbeitsplätze in der Steiermark zählen zu den Kreativen.
Im Showroom Styria präsentieren Designer bis 26. April ihre Produkte, im Festivalzentrum im Hotel Weitzer gibt es bereits pink/silberne Designmonat-Einkaufstaschen und Kleider heimischer Modemacherinnen. Und auf dem Einkaufszettel notiert ist der Stocksale am 1. und 2. Mai (jeweils 9 - 19 Uhr, Innenhof der Minoriten, Mariahilferplatz, 8020 Graz).
Einen wahrlich vergänglichen Augenschmaus servieren die Cooks of Grind in der "Food Line" mit Experimental Cuisine Radikal. Einer der Cooks, Werner Reiser, hat übrigens vor einigen Wochen die Kombüse eröffnet. Am Stadtpark und nahe dem Künstlerhaus bereitet er "Chicken Dogs" und "Broken Wings" zu und mit ihrer Partyline steuert die Kombüse auf Erfolgskurs Richtung Auswegsschleuse zum Parkhouse.

Creative Industries Styria
Wenn schon endlich mal was los ist: immer mitten ins Gewühl. Ich äuge da zu Partykapitän Einöder, Galerie Ebensperger ahoi, und empfehle eine Lesung, die ausnahmsweise gar nichts mit dem Designmonat zu tun hat: Alice Schwarzer ist heute, 24. April, zu Gast im Literaturhaus Graz.