Erstellt am: 19. 4. 2009 - 23:35 Uhr
Journal '09: 19.4.
Weil ja nichts im Leben ohne Konsequenzen bleibt, wurde dieser Tage bekannt, dass der legendäre Presse-Chefredakteur/Herausgeber Otto Schulmeister, für die CIA gearbeitet hat. Das hat eigentlich noch weniger News- oder gar Erkenntniswert als die Zilk-"Enthüllungen" der letzten Wochen.
Denn während die amtlich aufgezeichnete IM-Tätigkeit des schwatzsüchtigen Selbstdarstellers wenigstens noch den Beigeschmack der Überraschung hatte (und man mit sowas wie einem tschechischem Geheimdienst gar nicht gerechnet hätte), ist die aktenkundige CIA-Zuarbeit von bürgerlichen Journalisten der 60er maximal ein "Na geh wirklich?", wie man es einem Kind oder einem sehr blöden Menschen gegenüber gönnerhaft-Ironisch äußern würde, wert.
Denn das, das wußte und weiß wirklich ein jeder, der sich auch nur ein bisserl mit der Zeit, den Umständen, den Medien, dem Spannungsfeld als West-Ost-Drehscheibe beschäftigt hat.
Bemerkenswert nervös
Interessant ist also nicht die "Schulmeister = Spion!"-Meldung, sondern der Umgang damit. Und da vor allem die offene Heuchelei der Zeitgenossen. Denn während die Nachfolger (zb Die Presse) mit der Meldung offen umgehen, ist das, was die anderen Oldies zum Thema absondern, von bemerkenswerter Nervosität gekennzeichnet.
Gerd Bacher etwa "bedauert", dass er nie ein derartiges Angebot bekommen hat. Er wäre sofort dabeigewesen. Hugo Portisch argumentiert ähnlich: alle wären pro-westlich gewesen. Nachfolger Thomas Chorherr kann sich alles "nicht vorstellen", er bestreitet auch dass unliebsame Themen unterdrückt wurden. Sohn Paul hält alles für ausgemachten Blödsinn.
Das sind die üblichen Negationen, die beim Bekanntwerden unliebsamer Wahrheiten immer zuerst daherkommen, rein emotional, und ohne das Hirn einzuschalten. So wie in matten Krimis die Eltern von in Schwierigkeiten geratenen Kindern immer was von "Nein, das ist unmöglich, mein XY ist ein braver!" stammeln, ähnlich absurd.
Jeder Vierte
Der Schlußabsatz der ordentlichen Story in der heutigen Sonntags-Presse zitiert den US-Diplomaten Coburn Kidd, der 1950 davon sprach, das etwa jeder vierte Einwohner von Salzburg für einen Naxchrichtendienst arbeiten würde.
In Wien war (und ist) das nicht anders, sondern noch heftiger. Es ist kein Zufall, dass jeder anständige Spionage-Film oder -Roman seine Wien-Szene hat. Nach der Teilung Deutschlands war es die von allen vier Aliierten benutzte Stadt Wien, in der offener Umgang gepflegt wurde. Und neben all dem internationalen Business, dem Ost-West-Abtausch gab es zahllose Kontakte der vier Kommandanturen mit den Einheimischen.
Die Sowjets hatten ihre KPÖ-Jünger am Gängelband, und versuchten auf Gewerkschaften und SP Einfluß zu nehmen. Die West-Mächte unter der Führung der USA nahmen nach einer kurzen Respekt-Pause alles, was sie kriegen konnten, Alt-Nazis und stramme Reaktionäre besonders gern, weil die am Effektivsten waren, wenn es gegen den neuen/alten Feind, den Bolschewismus ging.
Jeder Österreicher, der Bedeutungs- oder Bedenkenträger war wurde in diesem kalten Krieg eingesetzt, vor 1955 mit ganz offiziellen Befehlsketten, danach informell. Und die Untertanen-Nation, die sich zuerst dem Austrofaschismus und dann dem Nazi-Terror als willfährige Assistenten unterworfen hatte, war nur allzu gern bereit auch den neuen Herren zu dienen.
Land der Spione
Im Lauf der Zeit wurden die zahllosen österreichischen Zuträger, Denunzianten und Spionerln zwar weniger, auch weil Österreichs Rolle als zentrales Terretorium der Ost-West-Begegnungen geringer wurde, aber die neue UN-City, die Präsenz von Institutionen wie OPEC oder der Atomenergiebehörde oder die SALT-Verhandlungen - allesamt Aufmarschgebiet für Informationshändler.
Dass sich die Atommächte da nebenbei auch die Info-Hoheit über das österreichische Geschehen sichern wollten - logisch. Und natürlich sind Politiker, Meinungsmacher, Definierer und Gaukler da die ersten Ansprechpartner.
Bis weit in die 80er und 90er hinein tummeln sich also in Österreich, vor allem in Wien, die Spione; die internationalen und auch die, die sich im nationalen Bereich umtun.
Die Zeitgenossen, die jetzt deutlich peinlich berührt alles abstreiten und leugnen haben ein Problem mit der Neudeutung dieser wenig ruhmreichen Vergangenheit als Spion, als Zuträger. Denn so klar für die meisten prowestlich Agierenden sich damals, im Kalten Krieg, positioniert hatten, so wenig ist dieses Zulassen einer Punzierung heute vollständig nachvollziehbar.
Denn was dem Einen zuträglich ist, kann gegen den Anderen, den offiziell neutralen Politiker, und vor allem dem Berichterstatter, der sich nicht exklusiv in den Dienst einer Ideologie stellen kann (wenn er ernstzunehmen sein will), verwendet werden. Und das heute, mit dem neuen Wissen, einem globalisierten und um den großen Ideologie-Fight entkrampften Blick, auf die Parteigänger der Großmächte, ihre Spione zurückfällt.
Es ist einfach peinlich
als CIA-Spion enttarnt zu werden. Genauso wie es früher in den 50ern, 60ern, 70ern und 80ern recht cool war CIA-Informant zu sein. Weshalb die, die heute ganz entsetzt tun, früher mit ihrem Status gepost hast, weshalb es allgemein bekannt war.
Dass nun eine Öffentlichtkeit mit Schröcksnadel-Preis-würdigen Sprüchen für blöd verkauft werden soll, ist auf die jüngst halbwegs erfolgreiche Praxis in Fällen wie dem von Stefan Petzner geschuldet, dessen Haider-Witwen-Rolle nach kurzem Ausschlachten dann wieder als "Blödsinn" weggestellt wurde. Denn die Öffentlichkeit reagiert nach denselben Mustern wie die Betroffenen: was nicht sein darf, das ist halt nicht.
Und jetzt noch eine selbsterlebte Spionage-Geschichte
Denn: all das gibt es immer noch.
Vor ein paar Jahren wurde eine mir gut bekannte Person aus dem Bereich Kultur/Medien von einem durchaus bekannten Geheimdienst kontaktiert, der aufgrund von schlauem Assoziationsdenken die Idee hatte, dass die betroffene Person ein Interesse an einer solchen Aufgabe haben könnte.
Ich war beim Initiationstreffen dabei, als stille Reserve an einem Nebentisch im Cafe Landtmann (das hatten die Herren Anwerber ausgesucht), saß da gemeinsam mit einem anderen Freund um im Notfall Zeugenschaft ablegen zu können.
Die Herren Geheimdienstler boten vage so etwqas wie eine "Unterstützung" an, im Austausch für Informationen, die ihre Zielperson durch "Augenoffenhalten" in ihrem Umfeld erfahren hätte können.
Mein Bekannter sagte, in aller gebotenen Höflichkeit und Vorsicht, ab. Die Herren vom Geheimdienst zahlten den Kaffee und empfahlen sich, mit den besten Wünschen. Wir blieben mit einer leichten Gänsehaut zurück.