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Pia Reiser

Filmflimmern

20. 4. 2009 - 01:00

Weed loves to entertain you

Going Bananas mit dem "Pineapple Express". Eine späte Würdigung der herzerwärmenden Karacho-Komödie inklusive Hutziehung vor Komödien-Zampano Judd Apatow.

"Man dürfe das Genre "Komödie" aber nicht unterschätzen", setze ich nach der Verabschiedung am Telefon noch hinzu und fühl mich kurz wie eine Wahnsinnige, die Leute am Telefon mit einem merkwürdigen Ansinnen belästigt: Wertschätzung für die amerikanische Komödie. Anlässlich des Kinostarts von "Contact High", fand ich es an der Zeit einen kleinen Lobgesang auf den in Österreich nicht gestarteten "Pineapple Express" zu singen, nicht ohne beim Verleih nachzufragen, warum man uns Seth Rogens und James Francos "wir sind auf Drogen und auf der Flucht und auf dem besten Weg beste Freunde zu werden"-Komödie auf der Leinwand vorenthalten hatte. "Es sei das Problem mit der tiefen amerikanischen Komödie, das funktioniere bei uns nicht so", sagt man mir. Wenn das tief ist, dann komm ich nie mehr nach oben.

Dale & Saul

Die vom Alliterationsgott reichlich gesegneten, im Kunde-Dealer-Verhältnis stehenden Protagonisten Dale Denton (Rogen) und Saul Silver (Franco) werden durch einen Zufall aus der angenehmen Lethargie gerissen, die das Leben als regelmäßiger Marihuana-Konsument so mit sich bringt und befinden sich auf der Flucht vor dem Drogenboss Ted (Gary Cole) und der korrupten Polizistin Carol (Rosie Perez). Auch wenn "Pineapple Express" gerne der "Stoner Comedy" Stempel aufgedrückt wurde, so ist das nur die halbe Wahrheit, don't let the red eyes fool you. Zwar werden hier viel Joints geraucht, aber letztendlich sind die Drogen nur Katalysator einer Geschichte um Freundschaft und Herzensbildung, in der halt aber auch viel geschossen wird. Und geprügelt. Und an den Haaren gezogen.

James Franco und Seth Rogen auf einer Couch sitzend, Szene aus "Pineapple Express"

Sony Pictures

Eloquenter Dealer

Entgegen seiner Figurenbiografie im Apatow-Oevre gibt Rogen hier die reifere der beiden Figuren, mit zumindest einem Bein im sogenannten Erwachsenenleben, verdient er sein Geld als Gerichtsbote. Der smarte James Franco fährt seine Lider auf Halbmast und gibt mit einer "True Romace-Floyd"-Gedächtnisfrisur und der offiziellen Slackuniform (kurzes über langem Leiberl) einen sympathischen Dealer mit Talent zur Metaphernbildung - "This weed is so rare...it's almost a shame to smoke it ... it's like killing a unicorn" und mit Sicherheit unter allen Kiffer-Filmfiguren eindeutiger König der Eloquenz. Während Franco sein komödiantisches Potential in kleinen Gesten ausschöpft, läuft Rogen in der Abstrusität und der großen Geste zur Hochform auf. Wer gesehen hat, wie er jointrauchhustend hysterisch ausparkt oder im Wald vor einem Falter erschrickt, weiss, was ich meine.

James Franco und Seth Rogen mit Taschenlampe im Wald, Szene aus "Pineapple Express"

Sony Pictures

Unter Produzent Judd Apatow und Regisseur David Gordon Green, der bis dahin mit minibudgetären Indiefilmen wie "All the Real Girls" aufgefallen ist und eine ungewöhnliche und interessante Wahl für "Pineapple Express" ist, mutiert, was sonst ein buddy movie wäre, zur bromance. Wo sonst ein Schulterklopfen das höchste der Gefühle und die oberste Grenze auf der Skala der Körpernähe wäre, macht sich in "Pineapple Express" szenenweise - wenn Rogen Franco das Sakko reicht, weil ihm kalt ist - eine Zärtlichkeit breit, wie man sie in romcoms nicht findet. Eine Collage, in der die beiden im Wald Bockspringen und Rogen fürsorglich Franco das Laub vom Rücken klopft, während die Abendsonne strahlt und eine Gitarre gezupft wird, dann bringt das für ein paar Sekunden ebenjenes poetische Indietum herbei, das man mit Gorden Green verbindet - und das in einem Komödienvehikel, dessen Antrieb Marihuana ist, aber nie erwarten würde.

Waren es in "40 year old virgin" und "Knocked Up" Frauen, die schließlich die hadernden Figuren aus ihrer Nerdwelt in eine Art "normales Leben" transferierten, steht am Ende von"Pineapple Express" eine unpathetische Einsicht "we are not very functional when we're high und ein lautes, rabiates, blutiges "JA" zur Freundschaft. Eine Fahrt mit dem "Pineapple Express" kann ich nur empfehlen.

NBC

James Franco, Seth Rogen und Jason Segel in "Freaks and Geeks"

Freaks and Geeks

Mit seiner Vorliebe für geeky guys, die dem Slackertum huldigen, als hätte es den Jahreswechsel 1999/2000 nie gegegben, setzt Judd Apatow in vielem, wo er als Autor, Produzent oder Regisseur seine Finger im Spiel hat, seine fantastische TV-Serie "Freaks and Geeks" (die bei uns den zwar auch reimenden aber ansonsten nahe am Schwachsinn angesiedelten Titel "Voll daneben, voll im Leben" trug) fort. Darin waren schon Seth Rogen und James Franco zu sehen, ebenso wie Jason Segel und Martin Starr, beiden ebenfalls Fixpunkte im Apatow-Universum. "Freaks and Geeks" war von der Kritik gelobt aber vom schönden TV-Konsumenten verschmäht und wurde nach 16 Folgen abgesetzt. Ein herber Schlag für Apatow, doch steckt wohl ein kleiner Trost darin, mit den Leuten von damals in "Freaks and Geeks"-Manier zu arbeiten. In einem Interview mit der LA Times meint er "You can say that 'Knocked Up' is Seth Rogen's character in 'Freaks and Geeks' -- a little bit older and he gets a woman pregnant. It's not that different except we're not handcuffed by broadcast standards."

Sony

"Pineapple Express" ist bereits auf DVD erschienen

Apatows Komödien mischen Körperkomik mit schlagfertigen popkulturellen Querverweisdialogen, bringen Herzenswärme in Filme, in denen auch mal gespieben wird, lassen ihren Figuren Würde, auch wenn sie dicklich, nackt und betrunken neben Katherine Heigl ins Bett fallen und "You're prettier than I am" lallen. Und diese Mischung ist mindestens ebenso fantastisch wie die Grasmelange namens "Pineapple Express", wenn man Saul Silver, Poet und Kiffer, Glauben schenkt, wie folgt beschreibt: This is like if that Blue Oyster shit met that Afghan Kush I had - and they had a baby. And then, meanwhile, that crazy Northern Light stuff I had and the Super Red Espresso Snowflake met and had a baby. And by some miracle, those two babies met and fucked - this would the shit that they birthed.

Ich freu mich auf "Funny People" und wir sehen uns am Mittwoch bei Kino unter Freunden "I Love You, Man".