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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

18. 4. 2009 - 16:16

Radio Rock Revolution

"The Boat That Rocked" zeigt die Ära des britischen Piratenradios der Sechziger als komödiantische Bubenfantasie mit Starbesetzung.

Radiomoderatoren als glamouröse Rockstars, die enthemmt ins Mikrofon stöhnen. Eine Regierung, für die der Rock'n'Roll eine unmoralische Gefahr darstellt. Unzählige Groupies, die nur danach gieren, sich an die Mikrofon-Götter zu verschenken. Willkommen in den lasterhaften Sixties, in der Zeit der Radio Rock Revolution.

Ich will jetzt hier wirklich keine FM4-Mythen demontieren. Aber vom unzüchtigen, rebellischen Lotterleben ist wohl jedes alternative Radio heutzutage ein bisschen entfernt. Gutes, spannendes, avanciertes Programm zu machen, hat mit schnöden Meetings zu tun, mit strengen Deadlines und neben viel Leidenschaft auch mit so etwas wie Arbeit.

Richard Curtis will uns glauben machen, dass es Mitte der Sechziger in England ganz anders gelaufen ist. In seiner Piratenradio-Comedy "The Boat That Rocked" beschwört der Regisseur sämtliche erdenklichen Rock'n'Roll-Klischees.

Ein Team von moderierenden Freibeutern, darunter Philip Seymour Hoffman, Rhys Ifans und Nick Frost, entfacht mit Hilfe tabuisierter Superhits jeden Abend eine kleine Pop-Ekstase. Geheim lauschen Millionen Teenager unterm Kopfpolster den illegalen Klängen, weibliche Fans wollen unbedingt mit den DJ-Ikonen unter die Bettdecke.

Radio Rock Revolution - The Boat That Rocked

UIP

Ein paar historische Fakten stimmen zumindest. Nur zwei Stunden pro Tag darf die BBC damals die neuen Hits von The Who, The Kinks oder den Rolling Stones über den Äther schicken, Klassik und Jazz regieren stattdessen.

Also lauscht die rocking nation den britischen Piratenradios, die bis 1967 ungestraft senden dürfen. Einer dieser Sender, das legendäre Radio Caroline, befindet sich auf einem Schiff außerhalb der englischen Hoheitsgewässer und ist bis heute aktiv.

Richard Curtis, als Drehbuchautor ("Bridget Jones's Diary") und Regisseur ("Love Actually") ein Spezialist für flockig-leichte Komödienkost, hält sich mit solchen Tatsachen aber nicht lange auf. Radio Rock heißt das Schiff im Film, auf dem der junge verträumte Carl nach dem Schulabbruch landet, ein Sex, Drugs & Rock'n'Roll-Paradies wie aus dem Bilderbuch, bevölkert von skurrilen Kiffer-Gestalten.

Schon bald wird klar: "The Boat That Rocked", der bei uns den Titel "Radio Rock Revolution" trägt, will einfach nicht mehr als ein schlichtes Feel-Good-Movie sein, ein Bubentraum in Klamaukform.

Dank der famosen Besetzung lässt man sich auch gerne von den illustren Moderatoren lustigen Zigarettenrauch ins Gesicht blasen und Anzüglichkeiten ins Ohr flüstern. Manchmal aber, wenn das Niveau in Richtung "Piratensender Powerplay" mit Thomas Gottschalk abrutscht, ist es aber schade um das eigentliche Potential dieser Story.

Radio Rock Revolution - The Boat That Rocked

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Filme über Radio-Revolutionäre gibt es ja schon einige. In "Good Morning Vietnam" (1987) spielt Robin Williams einen US-Moderator, der in Saigon während des Vietnamkriegs arbeitet. Mit Rock'n'Roll und flotten Sprüchen soll er die Soldaten aufheitern, aber als seine Sendungen immer kriegskritischer werden, gerät er buchstäblich zwischen die Fronten.

"Good Morning Vietnam" basiert auf den realen Aufzeichnungen des Moderators Adrian Cronauer, verpackt den interessanten Stoff aber in eine eher platte Hollywood-Tragikomödie. Gar nicht zu reden von der übertriebenen Wort- und Gesichtsakrobatik des Hauptdarstellers, für die man starke Nerven braucht.

"Talk To Me" (2007) porträtiert den schwarzen Ex-Häftling Waldo "Petey" Greene, der den Sprung zum erfolgreichen Radiomoderator und zu einer der schillerndsten Figuren in der amerikanischen Medienlandschaft schaffte. Ein solides Biopic voller knalliger Farben, lustiger Frisuren, mitreißender Musik und gediegenem filmischem Handwerk. Der Paradiesvogel Petey Greene hätte sich aber einen ungewöhnlicheren Film verdient

Und dann ist da noch ein Stück Teenage-Nostalgie aus dem Jahr 1990. Während in der Wirklichkeit die Grunge-Revolution tobt, spielt Christian Slater Piratenradio mit einem Kurzwellensender. "Pump Up The Volume - Hart auf Sendung" heißt der eher harmlose, aber herzige Streifen über einen illegalen Highschool-Sender.

Die angesprochenen Generation-X-Problematiken nimmt der Film letztlich genauso wenig ernst wie "The Boat That Rocked" die Sixties-Ära. Die wahre Geschichte der Radio Rock Revolution muss erst noch erzählt werden.

Radio Rock Revolution - The Boat That Rocked

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