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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

17. 4. 2009 - 18:09

Journal '09: 17.4.

...unter normalen Umständen...

Ich sag's ganz offen: hier würde jetzt (unter normalen Umständen) eine mehr oder weniger launige Abhandlung des gestrigen Abends stehen, der mit der Filmpremiere von Contact High begann und mit der Premieren-Party dazu endete. Und weil bei mir, das, was die Autoren (Glawogger und Ostrowski) hier im Interview gesagt haben, zutrifft (nämlich: "tief ansetzen und dann ordentlich abheben.", weil ich nämlich mit keinerlei Erwartungen in den Film reingegangen bin, hat seine vergnügliche Art, seine nicht unironische, aber auch unsarkastische Erzähglweise bei mir verfangen.

Zudem gab's dann noch einen popkultur-referentiell entzückenden Live-Auftritt des Soundtrack-Musikanten Sven Regener rund um den aus Easy Rider bekannten Fraternity Of Man-Song "Don't bogart that joint" - alles Zutaten, die (unter normalen Umständen) eine Kulturgeschichte des Drogenreferentiellen im Film geradezu auflegen. Einschußbereitest. Deppensicher. Zwei Meter vor dem Tor. Allein, der Keeper ist bereits am Boden.

Interessanterweise ist nichts dergleichen passiert, in praktisch keinem österreichischem Medium.

Gesichtsfeldsverengung als Krankheit

Das hat nicht nur damit zu tun, dass sich die österreichischen Filmjournalisten traditionell schwertun ihr Scheuklappen kurz abzunehmen und ihr (ihrer Meinung nach) im eigenen Kontext-Kosmos genug ausverhandeltes Kulturfeld auch allem anderen zu öffen, womöglich sogar einer gesellschaftspolitisch relevanten Debatte (das ist den Kritikern der alten Schule ein Graus - und wo haben die Jungen gelernt? Ebendort.).
Das hat auch nicht vorrangig damit zu tun, dass es nicht genügend Menschen geben würde, die derlei könnerten - also (film/kultur-)historische und eben gesellschaftsrelevante Bezüge herstellen.

Ich denke es ist einzig der Faulheit/Bequemlichkeit/Feigheit österreichischer Medien-Rezeption geschuldet, sich anlässlich einer klar ausgesteckten Sammlung von (in ihrer Tendenz eh eher harmlosen) Verhaltensauffälligkeiten durch den Konsum von Rauschmitteln nicht einem Reality Check zu stellen.

Und ich rede da nicht von der harten illegalen und an die gesellschaftliche Wand gepresste Realität der Hardcore-Junkies, Karlsplatz-Substi-Wiedergänger oder Entzügler der wilderen Sorte, sondern vom "Wir drücken ein Auge zu!"-Zwinker-Konsum, der sich mittlerweile (Stichwort: die dopende Gesellschaft) durch alle gesellschaftlichen Schichten zieht, und eine Art intellektuelle Schattenwirtschaft darstellt.

Contact High als Geschichte des Versagens

Die praktisch einzige Form des Umgangs war es (im Vorfeld des Films) nun nämlich die Autoren einem objektivierbarem Fragenkatalog zu unterwerfen - also die analytische Arbeit, die der Journalismus da zu leisten hat, wieder an die Künstler zurückzudelegieren. In Form von im besten Fall pseudokritischen Interviews.
Das ist ganz schön peinlich mutlos. Und andererseits recht anständig von Glawogger/Ostrowski sich dem allen in dieser Heftigkeit zu stellen.

Unter normalen Umständen also würde ich, weil ich ja schlecht gegen alle anschimpfen kann und dann genausowenig unternehme, zumindest den Versuch starten, zumindest hier sowas wie eine Vergesellschaftung eines Films zu versuchen, den die große Meute der Presse-Reaktionen jetzt als "Klamauk" ruhigstellen will. Weil sein Thema das herausfordert.

Ich war schon dabei, als es mir plötzlich die Absurdität der Aktion einschoss. Ich, als jemand, der gerne Witze über Kiffer und ihre inexistente Reaktionsfähigkeit macht, als jemand, der Drogenleichen auf Parties gerne ins Ohr fremdascht, als jemand, der ganz ohne Draufsein in punkto Assoziationssprungtechnik mithält und verunsicher, als jemand, der die duselige Selbstbemitleidung von eskapistischen Legalise-Laschos als Synonym für cocoonende Lebenswurschtigkeit und nur eine andere Ausprägung von Untertanengeist, Mutlosigkeit und Fluchtverhalten (also den Hauptkennzeichen des Österreichertums) hernimmt, ich kann das gar nicht.

Ich bin nicht im geringsten Maß glaubwürdig.

Gut, ich wüsste genug über Drogen-Referenzen im US-Kino, in der Popularmusik sowieso, ich kann den sattprallen Inhalt des Handschuhfachs von Dylans "Across the USA"-Trip von 1963 auswendig aufsagen. Und natürlich muss man kein Koch sein um sich über Essen zu äußern, muss man kein Kicker sein um sich über mancheines Taktik zu erheben - ebenso wie es keine Verpflichtung wäre ein Pothead zu sein, um Cheech & Chong einzuordnen oder ein Durcheinanderwerfer wie der große Gonzo um Schrecken und Abscheu in einem Casino-Wüstenort zu erkennen.

Aber es ist dorch absurd, wenn sich jemand wie ich, der den gesellschaftlich akzeptierten und sozial kompatiblen Drogenkonsum als Spielzeug für angsterfüllte Kind-Gebliebene ansieht, und da manchmal schon auch von der liebevollen Lächerlichmachung auch in die bösartige Verachtung abgleitet.

Das kanns ja nicht sein.

Kicherkicher

Eine funktionierende, gewitzte Medienlandschaft hätte "Contact High" etwa dazu genützt die in Österreich noch absurderweise ausstehende "Aber inhaliert hab ich nicht!"-Kicherkicher-Geschichte zu machen, und Funktionsträger, denen ihre diesbezügliche Vergangenheit peinlich so geschickt in die Nähe von Künstlern oder Krativos, denen nichts peinlich, gestellt, dass es auf den ersten Blick niemandem aufgefallen - und erst auf den zweiten Blick als Befreiungsschlag erkennbar gewesen wäre.

Denn die Dauerausrede heimischer Wichtiger (Ja, saufen, das muss man, zwangsläufig eh - da fallen dann ander potentielle Vergnügungen flach) macht den Umgang mit den halb/bisserl-legalen Drogen problematischer als er ist - die Aufrechung Alk/Kiffe kommt in einem Land, in dem immer noch ersntahfte Hitler/Stalin-Abtäusche stattfinden, leider allzu gut an.

Ich kann also nix anderes machen, als - wie geschehen - auf die Meta-Ebene zu gehen und ein großes "Schade! Vergebene Chance, wieder einmal!" rauszulassen.

Nicht in Richtung der Filmemacher.

Die hatten ihren Spaß, haben fett polnisch essen müssen, durften fantastische Drogen-Assoziativ-Texte schreiben, eine fast vorbildlich-reale Disco-Szene (die erste echt echte Disco-Szene im österreichischen Film, und das heißt schon was, bei der Dichte, die da herrscht) drehen und planen schon den dritten Kicherkicher-Streich, nach Sex und Drugs jetzt dann im RocknRoll-Milieu.
Nein, die verpasste Gelegenheit betrifft diejenigen, die eigentlich dafür da sind Kultur-Produktionen, wie ein "Film" halt eine ist, für gesellschaftpolitisch relevanten Aktionismus einzuspannen.
Dazu bedarf es aber einer Sicht, die über das eigene kleine Feld, den eigenen kleinen Topos, die lokale Furche hinausgeht. Und das ist von Menschen, die größtenteils vom Geist des Maibaum-Umschneidens durchtränkt und beseelt ist, natürlich zu viel verlangt.