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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

17. 4. 2009 - 14:42

Don't shoot the busses!

Die Gefahren des Fotografierens im öffentlichen Raum und die zunehmend totalitären Züge der britischen Gesellschaft

Okay, das ist jetzt nicht wirklich meine Story, sondern beschämenderweise schon wieder ein glorifizierter Link zum Guardian. Aber was soll's.

Die zur Zeit meines Schreibens dieser Zeilen gerade zweitpopulärste Story auf dessen Website, gleich hinter Barack Obamas Veröffentlichung der Foltertagebücher des CIA, handelt nämlich von zwei österreichischen Touristen, Klaus und Loris Matzka.

Wie da zu lesen ist, waren die beiden - Vater und Sohn - fotografierend in London unterwegs. Dabei haben sie Bilder von der großen Busstation in Vauxhall geschossen. Später, als sie in Walthamstow, am anderen Ende der Stadt noch eine Bushaltestelle fotografierten, wurden sie von der Polizei festgehalten und unter der Auskunft, es sei streng verboten, ein Verkehrsmittel zu fotografieren, zum Löschen der Bilder aufgefordert.

Unter Berufung auf - was sonst - Antiterrorgesetze.

Arrest im Parlament

In seinem pointierten Brief an den Guardian (ganz unten auf der Seite, die anderen sind übrigens auch lesenswert), der die Story wohl ausgelöst hat, schreibt Klaus Matzka (meine Übersetzung): "Ist es nicht naiv, zu glauben, dass man Terrorismus verhindern kann, indem man Touristen terrorisiert?"

Es wäre nur eine harmlose Anekdote, ein paar übereifrige Beamte halt, gäbe es parallel dazu nicht Fälle wie das gestürmte Hauptquartier von UmweltaktivistInnen samt Massenverhaftung in Northamptonshire (siehe dazu zur Abwechslung den Independent) oder die gestern nach einer sechsmonatigen Untersuchung als völlig unbegründet befundene Festnahme des konservativen Abgeordneten Damian Green, der Fehlleistungen der Einwanderungsbehörde im Innenministerium recherchierte (wie z.B. nachzulesen in der Times, damit keiner sagen kann, Rupert Murdoch käme hier nie zu Wort).

Green wurde letzten November übrigens bei der Untersuchung seines Büros in den Houses of Parliament festgenommen (siehe diese handliche Chronik der BBC).

Ein derartiges Vorgehen würde man wohl eher einer Provinzdiktatur zumuten. Gegen die erwähnten festgenommenen UmweltschützerInnen, die gegen ein geplantes Kohlekraftwerk protestieren wollten, wurden wiederum Verfügungen verhängt, denenzufolge sie sich nicht in der Nähe von Kraftwerken aufhalten dürfen - eine erhebliche Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit, noch bevor die Proteste, die sie geplant hatten, überhaupt stattgefunden haben.
Das Nicht-Fotografieren-dürfen öffentlicher Orte wiederum wurde früher einmal als klassisches Beispiel der Repression im Ostblock ins Treffen geführt.
Vom anhaltenden Nachspiel der G20-Demo gar nicht erst zu reden.

Langsam aber sicher werden sich die Briten der zunehmend totalitären Züge bewusst, die ihre Gesellschaft in den letzten Jahren angenommen hat. Das alte autoritäre Argument, dass jene, die nichts anstellen, auch nichts zu befürchten hätten, stellt sich als Illusion heraus. Als ich Anfang 97 nach London zog, war mir das sture britische Pochen auf zivile Freiheiten immer sehr sympathisch. Viel ist davon nun nicht mehr über - ein Hurra dem erfolgreichen Krieg gegen den Terror.

Im Orwell-Jahr 1984 hab ich als junger Tourist dieses Bild geknipst:

Busse in London 1984

Robert Rotifer

Spionage im öffentlichen Raum '84

25 Jahre später könnten sie mich dafür verhaften.