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Christian Holzmann

Snap your fingers, snap your neck.

17. 4. 2009 - 11:18

Zurückhaltende Songs, großes Album

Ein Depeche Mode Album ohne Hits ist nicht trotzdem großartig? Wrong!

Depeche Mode sind ein seit nunmehr 25 Jahren andauerndes Phänomen und man vermag sich an kein Album in deren Karriere zu erinnern, an dem zu Anfang nicht das berühmte Haar in der Suppe gefunden wurde. Trotzdem wurden sie fast alle später zu Klassikern und auch bei "Sounds Of The Universe" wird das nicht anders sein, wobei es gerade die eingefleischten Depeche Mode Fanatiker sind, die dem zwölften Album der Engländer nicht sehr viel abgewinnen können. Kaufen werden es trotzdem wieder alle.

Depeche Mode (von links nach rechts: Andres Fletcher, Dave Gahan, Martin L. Gore)

Anton Corbijn

Für sich gesehen fast blass wirkende Songs

Es stimmt schon, Hitsingles einer Güteklasse wie "Enjoy The Silence" wie vom 1990er Album "Violator" fehlen und Martin L. Gore selbst macht in Interviews auch überhaupt keinen Hehl daraus, dass einzelne Songs des Albums für sich gesehen beinahe blass wirken und "Sounds Of The Universe" vermutlich keine Hitsingle nach der anderen abwerfen würde. Vielmehr funktionieren die Songs im Kontext des Albums und vermitteln einem damit ein Gefühl, wie man es in drei bis fünf Minuten wohl nicht auszudrücken vermag bzw. wie es Depeche Mode in diesem Fall gar nicht wollen. Damit sind sie wieder wesentlich näher an dem in seiner Gesamtheit sehr düsteren "Ultra" (1998), als an späteren Alben wie "Exciter" (2001) und dem vor vier Jahren erschienenen "Playing The Angel".

Dave Gahan, Sänger von Depeche Mode

Depeche Mode

Gahans Aufstand ist geglückt

Die damals von Sänger Dave Gahan gestartete Rebellion, neben Martin L. Gore nun endlich auch zum Songwriting bei Depeche Mode beitragen zu dürfen (er drohte gar seinen Ausstieg an), kann man mittlerweile als geglückt bezeichnen. Für seine neuesten Beiträge holte er sich dazu Hilfe von Live-Schlagzeuger Christian Eigner und Andrew Phillpott, die ihm bereits auf seinem zweiten Soloalbum "Hourglass" tatkräftig unterstützten und "Hole The Feed", "Come Back" und Miles Away / The Truth" müssen sich keineswegs hinter Gores Kompositionen verstecken, sondern fügen sich homogen in das Gesamtwerk ein.

Depeche Mode (von links nach rechts: Andrew Fletcher, Dave Gahan, Martin L. Gore)

Anton Corbijn

Symbiose aus alt und neu

Homogenität ist wohl generell ein Begriff, der nahezu perfekt für "Sounds Of The Universe" steht. Martin Gore soll allerlei gebrauchtes Elektronik Equipment erstanden haben, welches er Jahre zuvor noch entsorgt hat und erzeugte eine ziemlich perfekte Symbiose dieser alten Synthesizer Sounds aus den Achtzigern mit aktueller "State of the Art" Elektronik. Wie das klingen kann, hört man speziell bei "Perfect", dessen Sounds so auch auf einem alten Utravox Album vorkommen könnten oder in den ersten 60 Sekunden des Eröffnungssongs "In Chains", welcher in der ersten Minute aus dem Übereinanderschichten diverser Sounds aus dem gesamten Schaffen von Depeche Mode klingt.

Ein Recht auf Nostalgie

Martin L. Gore selbst meint, dass Depeche Mode nach so langer Zeit auch mal ein Recht auf etwas Nostalgie hätten. Das mag vielleicht erschrecken, muss es aber keinesfalls, denn immer noch bleiben sie dabei eine fortschrittliche Band und begehen nicht den Fehler, alte Hits mit anderen Texten neu aufzuwärnmen und als neu zu verkaufen.

depechemode.com
offizielle Website

Cover des Depeche Mode Albums "Sounds of the Universe"

Depeche Mode

Gegen den Zeitgeist

In Zeiten des regelrechten Verscherbelns einzelner Songs im Internet, dem sich einige Künstler bisher zum Glück weiterhin vehement verweigern, ist "Sounds Of The Universe" eigentlich ein ziemlich mutiges Statement gegen den sogenannten Zeitgeist, der nicht immer einer von den Guten ist. Dass Martin L. Gore Hitsingles komponieren kann, hat er schon oft bewiesen und dass er dazu immer noch in der Lage ist, wird sicher niemand bezweifeln. Depeche Mode können es sich jedenfalls leisten, die große Hitsingle einmal außen vor zu lassen und erschaffen lieber ein stimmiges Gesamtwerk mit Platz für große Gefühle, bei dem es ein schwerer Fehler wäre, sich nicht darauf einzulassen.