Erstellt am: 18. 4. 2009 - 10:42 Uhr
Fake Reality
Fake Reality ist der Titel des diesjährigen Donaufestivals von 22.-25. April und von 30. April bis 2. Mai in Krems.
Wenn von "gefakten" Realitäten die Rede ist, dann befindet man sich meist mitten in einer Diskussion rund um Bilderproduktion und -manipulation, denn das Bild ist im Zeitalter seiner einfachen technischen Reproduzierbarkeit längst zur dominanten Form von rasanter (Re-)Produktion von Realität geworden. Die klare Trennung zwischen realer und medialer Wirklichkeit wird sprunghaft, der Unterschied zwischen Wirklichkeit und Wahrheit ist nicht mehr entscheidbar, Virtualität und Realität sind längst verschmolzen.
"Ist in diesem Spiel der Differenzen die Wirklichkeit eine Behauptungsfrage geworden?", grübelt der künstlerische Leiter Tomas Zierhofer-Kin im Vorwort des Festivalprogramms. An sieben Tagen möchte das Donaufestival 09 genau diese Grenzlinien verhandeln und holt sich dabei neben den recht ansprechenden TonproduzentInnen auch eine Hand voll BildproduzentInnen nach Krems.
AES+F
AES+F
22.-25. April. und 1./2. Mai 21:00-24:00 Uhr im Stadtsaal Krems
Bei der russischen KünstlerInnengruppe AES+F zum Beispiel gerät die "im Reagenzglas der Realität gezüchtete" Virtualität außer Kontrolle.
AES+F
In ihrer dreidimensionalen Video-Installation, mit der sie schon 2007 auf der Biennale in Venedig zu sehen waren, kreisen Riesen-Adler über verschneite Berge mit rosa Ringelspielen, Flugzeuge starten und fallen gleich wieder vom Himmel, oder Märchenschlösser stehen neben Wüsten, Panzern und Dinosauriern. Scheinbar ist es AES+F möglich eine Phantasiewelt zu zeigen, "die den Untergang von Ideologie, Geschichte und Ethik zelebriert". Klingt nach einer sehr engagierten Unternehung.
Born-To-Sit-Company
Born-To-Sit-Company
22.-24. April um 19:00 im Stadtsaal Krems
Es wird aber nicht nur mit reproduzierten Bildern allein versucht der Verschränkung der Realitäten auf die Spur zu kommen, das Donaufestival bedient sich - wie schon seit den letzten Jahren gewohnt - vor allem performativer Methoden künstlerischer Analyse. Mit seiner Born-To-Sit-Company betreibt Fritz Ostermayer beispielsweise aktionistisches Namedropping und choreografiert sein Tanz-, Sing- und Rührstück "Das Tortenstück".
Schnitzer
Der Sumpfist hat schon einmal Christoph Grissemann, Anja Plaschg (Soap & Skin), Oliver Welter (Naked Lunch), Hans Schabus, Peter Hörmanseder (maschek) oder Karin Brüll (Geschwister Brüll) "wissenschaftliche Diskurse tanzen lassen", wie er selbst schreibt. In Krems werden "die neuesten Erkenntnisse aus der Zwillingsforschung ihrer choreographischen Verwerfung harren." Sympathisch selbstbewusster Dilettantismus, naive Selbstermächtigung und Hochstapelei. Hoffentlich erwartet uns wieder ein "Meisterwerk des post-postdramatischen Theaters."
Reverend Billy & The Stop Shopping Gospel Choir
Reverend Billy
24. April um 20 Uhr in Halle 2
Jefferson Siegel
Die Grenzen zwischen Spiel und Ernst, Bühne und Alltag sind für Reverend Billy (Talen) fließend. Mehr als 50 mal wurde er schon während seiner Predigten und Registrierkassen-Exorzismen verhaftet, zu Starbucks wird ihm weltweit der Zutritt verwehrt. Sein Gospelchor und seine rund 150 Geflogsleute sind ein Ensemble, eine politische Gruppe, aber auch eine Kirche. Ihre Bühne eher selten ein Gotteshaus, viel öfter sind es Straßen, Einkaufszentren und Fastfood-Ketten-Filialen. Gemeinsam mit ihnen wird der Kaufrausch-Exorzist 10 Tage in Krems verbringen, und uns da und dort zu bekehren versuchen.
"Im Verbund mit den unglaublich beseelten SängerInnen des 'Stop Shopping Gospel Choir' wird er dich lehren, dich von der Werbung abzuwenden, dich aus den Fesseln des Marketings zu befreien und die magische Kraft des Medienimperiums, das du in deiner Seele trägst, zu entblößen. In einer Zeit von größter Not erwartet dich großartige Musik und eine radikale Botschaft aus der Zukunft!" (Reverend Billy)
Wir bitten darum.
Slum TV
Slum TV 22.04 - 02.05. ab 18:00 am Messegelände
Seit 2007 produziert ein österreichisch-kenianisches KünstlerInnen-Team regelmäßig Sit-Coms, Dramen und kurze Dokumentationen. Ausgestrahlt werden die Dinge aber nicht über Fernsehanstalten, sondern im Mathare Slum von Nairobi, wo das Projekt entwickelt wurde.
Donaufestival
Das lokale Team - die BewohnerInnen der Siedlung - bestimmt die Inhalte selbst und übernimmt auch die Realisation. Slum-TV gibt keine Regieanweisungen und schreibt auch keine Themen vor, denn es geht "um Selbstermächtigung derer, die seitens des hegemonialen Diskurses so gern als 'Machtlose' stilisiert werden."
Donaufestival
Am Donaufestival wird im Festivalzentrum ein Slum inszeniert. Die BesucherInnen werden "gastfreundlich mit afrikanischen Spezialitäten und Musik zur sozialen Interaktion eingeladen." Slum-TV produziert während dessen weiter Beiträge – "businness as usual". Bleibt zu hoffen, dass der Kulturtransfer so reibungslos funktioniert wird, wie geplant.
Prick Your Finger
Prick Your Finger
25.04. in Halle 2
Harriet Vine
„Crafting“ steht bei Rachael Matthews und Louise Harries für den subversiven Umgang mit klassischen Handarbeiten und die positive Neubewertung traditionell weiblicher Aufgaben. Als Prick Your Finger organisieren die beiden Strick-Clubs, in denen sie Bilder und Alltagsgegenstände produzieren.
In Krems präsentieren sie ihr Projekt "Analogue Amnesty": Alte Kassettenbänder werden mit anderen Materialien zu Fäden versponnen, die beim neuerlichen Abspielen scheinbar ziemlich fantastische Geräusche erzeugen. Die daraus gestrickten Stoffe tragen Namen wie "Weddings From Hell" und speisen alte Erinnerungen in ein neues Gewand ein.
Fake Discursivity
Es geht dem Donaufestival weniger darum, das Phänomen "fake reality" zu erklären oder Antworten zu liefern, sondern eher um eine Annäherung über Fragen und eine Verkomplizierung. Ob sich der inhaltliche Bogen spannen lässt, den das Programm vorzugeben weiß, wird sich die kommenden zwei Wochen entscheiden.
Die letzten Jahre hat sich aber gezeigt, dass Projekte mit Fokus auf Performance, Medientheater und Aktionskunst zwar einen schönen inhaltlichen Rahmen des Festivals bilden, aber über diesen nur selten hinauswachsen können. Das hat wahrscheinlich mit dem fantastischen Konkurrenzprogramm von Seiten der Musik zu tun. Was aber trotzdem fehlt, um so komplexe Fragestellungen, wie etwa die der Verschmelzung von Realitäten, noch ein Stück weiter treiben zu können, ist ein Theorie-Angebot. Es fehlen die Panels. Und dann ist auch schon wieder Schluss mit Jammern.