Erstellt am: 14. 4. 2009 - 18:11 Uhr
Butthole Surfers: We Shit Where We Want
Das mit Abstand lustigste Kapitel in Michael Azzerads mehr als fünfhundert Seiten starker Liebeserklärung an den US-Underground der 80er und ewige Bands der Dekade wie Black Flag, Minor Threat, Sonic Youth und die Minutemen und die Labels Alternative Tentacles, Sub Pop, SST oder, hach, R.I.P.!, Touch & Go, dem großartigen, 2001 erschienenen Schinken "Our Band Could Be Your Life", ist jenes, das die "Karriere" der Butthole Surfers verhandelt. Die Butthole Surfers, die texanischen Derwische, die psychedelischen Cowpunks, der Musik gewordene Electric Kool-Aid Acid Test. Eine Band, die große Teile des Jahrzehnts damit verbracht hat, in einem für fünf Menschen, einen Hund namens Mark Garner of Grand Funk Railroad, Instrumente und Equipment natürlich viel zu kleinen, bunt zugesprühten Automobil durchs Land zu gondeln, nur um in irgendwelchen Kellerlöchern, runtergerockten Sex-Clubs oder Partyräumen freundlich gesinnter Collegekids einen Gig aufzustellen, der wieder für einen Tag Butter aufs Brot und rauschwirksame Substanzen in die Körper der Mitglieder bringen sollte.
Hunter Barnes
Wenn die Rede auf die Butthole Surfers kommt, geht es fast immer um funkelnde Events, Anekdoten, das prall durchlebte Abenteuer Tour und IMMER darum, wie abgedreht und hässlich und durchgeknallt und creepy denn ihre Konzerte seinerzeit denn nicht gewesen sein sollen. Seltener geht es um die Musik. Wenn man nackten Tänzerinnen, Feuerwerk, schmuddeligen, auf eine Leinwand geworfenen Filmchen über Geschlechtsumwandlungen oder durch Hautkrankheiten besonders übel entwickelte Gesichter und einem Frontmann wie dem hochgewachsenen Gibby Haynes, der täglich mit bösem Blick, um vom großen Pilz Psychedelia zu naschen, mit Alice durchs Wunderland zu torkeln schien, auf der Bühne zuschauen konnte, hatte man vielleicht nicht unbedingt immer die Muße, sich mit eher, nun ja, nicht ganz so leicht zu verdauenden Platten auseinandersetzten.
Dabei sind vor allem die ersten drei Alben der Butthole Surfers beeindruckende Collagen der Verstrahltheit: Mit zwei Schlagzeugern samt Tribal-Drumming, Gurgelgesang, ausladendem Gitarrengitarrengedudel, Saxophonlärm und mäandernden, dem Progrock entlehnten Song-Antistrukturen waren damals schon Engstirn-Punks zu verärgern, für die Punk und Hardcore immer noch bloß Gebelle ins Mikro und eineinhalb Minuten Akkordgeschrubbe zu bedeuten hatte.
Butthole Surfers
Eine gute Platte haben die Butthole Surfers schon seit Jahren nicht mehr veröffentlicht. Das Album "Independent Worm Saloon", das 1993 im Zuge der die Welt umstülpenden Alternative/Grunge-Revolution eine der vielen merkwürdigen Platten war, die bei einem Majorlabel erschienen, war noch eine freundliches Sammelsurium von altbekanntem Schabernack und Annährungen an mehrheitswirksamen Pop, danach ging es in bunten Spiralen nach unten. Vermehrt elektronische Spielereien, vom HipHop geborgte Drumloops und das Stück Pepper. Ein kleines, schönes Stück Popmusik, das auch ein mittlere Hit war - bei Interesse an dergestalt gelagerter Musik kann man sich aber lieber gleich an den Herren Beck wenden. Was danach in der Diskografie der Butthole Surfers folgen sollte, liegt verborgen hinter Nebeln der (Eintrag unleserlich/Hab ich vergessen).
Unbedarfte Durchgeknalltheit
Lieber möchte man die Butthole Surfers als großartige Liveband, als Inbegriff einer etwas unbedarften Durchgeknalltheit in Erinnerung behalten. Die Butthole Surfers, die, wenn sie in den 80ern mit bunten Haaren auf dem Kopf, wahlweise Dreadlocks oder einem seitlich an den Schädel rasierten Irokesen, in einem Diner in der hintersten amerikanischen Provinz Fischfilet und Pommes bestellen wollen, natürlich von ein paar Rednecks was aufs Maul bekommen. Die Band, die eine Dekade lang ständig drauf war, besoffen, zugedröhnt, von LSD beflügelt, den Punklifestyle gefährlich überromantisierte, und wohl nie damit gerechnet hat, dass mit ihrer Band irgendwann einmal ein Leben zu gestalten sein würde, nur um in wieder anderen Momenten, von halluzinogenem Größenwahn angefixt, an irgendeiner Wand einen Slogan höchster Selbstsicherheit zu hinterlassen: "BUTTHOLE SURFERS: WE SHIT WHERE WE WANT."
Wenn jetzt die Butthole Surfers beim Donaufestival auftreten, speisen sich die Erwartungshaltungen, wie nicht selten bei der livehaftigen Erscheinung alter Helden, schwer vereinbar aus dem Wissen, dass das Schockgetue der früheren Shows heute längst überholt ist und dem dringenden Wunsch, sicherlich nicht einem bloß soliden Rockkonzert beiwohnen zu wollen. Einmal im Leben will man dann aber schon dabei gewesen sein, wenn, doch, doch Legenden in der Stadt landen, es wird niemandes Schaden sein. Naja, vielleicht verbrennt sich Gibby. Oder fällt von der Bühne.