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Robert Glashüttner

Videospielkultur, digital geprägte Lebenswelten.

13. 4. 2009 - 01:39

Spiel, Spaß & Sketches

Eine kleine Videoclip-Weltreise durch das reichhaltige Angebot der Games Comedy.

Menschen, die Stunden um Stunden vor dem Bildschirm verbringen, sind oft nicht die humorvollsten. Kein Wunder: Wer tagein, tagaus zickige Server betreuen oder tief in undurchsichtige Datenbanken abtauchen muss, hat selten was zu lachen. Kurz bevor die Informationstechnologie ihren technischen und gesellschaftlichen Durchbruch erreichte und die Administrations-Tristesse überhand genommen hätte, kam die psychohygienische Rettung: Die Erfindung des Computerspiels. Endlich konnten Rechner auch mal unterhaltsam sein, wenn auch nur kurz, für zwischendurch.

Über 40 Jahre später und aus dem kleinen Spaß ist großes Entertainment geworden. Gamer wollen nicht nur gefordert sondern vor allem amüsiert werden. Der heilige Gral, der über Top oder Flop entscheidet: Spielspaß. Der nächste Schritt: Der dazu passende Jux.

Erste Station: Deutschland

Aller Klischees zum Trotz, die Nerds allenfalls unfreiwilligen Humor zugestehen, gehört die Metaebene, die Satire, das Lachen über sich selbst, schon früh zum Standardrepertoire sowohl von Spielentwicklern, Gamern als auch Journalisten. Bereits zu Zeiten von "PowerPlay" und "ASM", der ersten Generation deutschsprachiger Videospiel-Magazine, war eine Menge Humor mit im (getesteten) Spiel. Damalige Aushängeschilder, allen voran Heinrich Lenhardt und Boris Schneider, waren nicht nur gute Autoren sondern auch clevere Hobby-Gagschreiber - auch, wenn sie sich vorrangig an popkulturellen Comedy- und Film-Vorbildern orientiert haben.

Videospiel-Comic "Starkiller"

Boyke, Lenhardt, Schneider

Mehr "Starkiller"-Scans finden sich auf kultpower.de

Diese gedruckten Vorgänger der heutigen, zahlreichen Nerd-Webcomics waren allerdings nur ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen sollte. Anfang des Jahres 1994 haben die bereits genannten Herren Lenhardt und Schneider (heute: Schneider-Johne) Pionierarbeit bei einem Medium geleistet, das nicht mehr aus dem Web wegzudenken ist: Der Videoclip. Das Games-Magazin "PC Player" hatte auf der dem Heft beigelegten CD-ROM, ein zur damaligen Zeit technisches Wunderwerk, nicht nur Video-Rezensionen sondern auch hauseigene Comedy mit drauf gepackt: Die "Multimedia Leserbriefe".

Redaktions-Sketches werden Mitte der 1990er zu einer Üblichkeit bei deutschen Spiele-Magazinen und stellen bis zum Durchbruch des Web den Standard für Games Comedy dar. Währenddessen werden in den USA die beiden Videospiel-Portale IGN und GameSpot gegründet (1996), sie erleben um die Jahrtausendwende durch höhere Internet-Bandbreiten und Video-Implementation ihren großen Aufstieg. Gleichzeitig nimmt 2002 der monothematische Privatfernsehsender G4 sein Programm auf. Das legt das Fundament für den Durchbruch der Videospiel Metaunterhaltung, die zwei Jahre später an mehreren Orten ihr Initial feiert: 2004, also genau 10 Jahre nach den "Multimedia Leserbriefen", folgt der kreative Durchbruch der Games Comedy.

Zweites Reiseziel: USA

In den USA gibt es mit Mega64 pubertären, aber zweifellos unterhaltsamen Holzhammer-Humor - ein nicht ganz so brachiales "Jackass" für Game-Geeks. Gegründet von einer mehrköpfigen Gruppe Teenager mit Hang zur dummdreisten Performance, feiert Mega64 wenige Jahre nach dem Start hohe Anerkennung seitens der SpielerInnen als auch der Industrie, mit Gastauftritten etwa von Shigeru Miyamoto und Hideo Kojima. Besonders beliebt und hochgradig komisch sind die Nachstellungen diverser Spiele-Helden und deren typische Handlungen, etwa Prince of Persia, Frogger, Super Mario, Assassin's Creed und sogar Tetris.

Dritte Station: Kanada

Eine völlig andere Herangehensweise und wider dem Häppchenformat ist das filmische Konzept von Pure Pwnage (sprich: "pure ownage") angelegt. Das Format ist narrativer, mit fixen Figuren und Episoden und einer Laufzeit von 25 bis 30 Minuten. Im Zentrum steht der selbsternannte Pro-Gamer Jeremy, dessen Bruder Kyle, Filmstudent, sein Leben porträtiert. Einzelne Sketches oder Pointen gibt es nicht, stattdessen persiflieren die überzeichneten Figuren mit ihren stereotypen Verhaltensweisen vor allem den Aspekt des Wettbewerb-Eifers bei eingefleischten Gamern: Schwanzvergleich der Marke "Boom, Headshot!"

Nächster Stopp: Schottland

Zurück über den Atlantik und rauf in den Norden der großen Insel. So wie der britische Games-Journalismus immer schon nobler, tiefgründiger und vor allem kritischer war als am europäischen Festland und in Nordamerika, zeigen sich auch Videospiel-Sketches hier auffallend subtiler und skurriler. Die schottische Comedy-Gruppe Consolevania debütiert ebenfalls 2004 und erlebt gut ein Jahr später die hohen Weihen der BBC.

Unter dem Namen videoGaiden führen die beiden Hosts Robert Florence und Ryan MacLeod auf BBC Scotland durch eine Videospiel-Show, die schrullige Game-Reviews bringt, die mit eingewebten Sketches zunehmend ins Absurde abgleiten. Gewitzte Geschmacklosigkeiten wie etwa Hitler als Case-Modder oder die Wahrheit über Michael Jackson's Moonwalker treffen bei Consolevania/videoGaiden auf blitzgescheite Parodien sehr spezieller Themen wie etwa New Games Journalism:

Finale Haltestelle: Japan

In keinem anderen Land wird Videospiel-Kultur so leidenschaftlich gelebt wie in Japan, deshalb ist es kaum verwunderlich, dass von dort eines der verblüffendsten TV-Unterhaltungsformate in Bezug auf Gaming kommt: Bei GameCenter CX, auch bekannt als "Retro Game Master", ist der überaus herzliche Shinya Arino gleichzeitig Host und "Opfer" der Show.

Mit Hilfe einer aufwändigen, höchst spannend inszenierten Dramaturgie spielt der Mann alte, von offenbar sadistischen Entwicklern geschaffene Videospiele vor laufender Kamera und mit Anwesenheit des ganzen Sendungsteams durch - auch, wenn es achteinhalb Stunden dauern sollte. Wo andere schon längst den Controller zerbröselt hätten, ist Arino-san auch beim 142. Sturz in die digitale Tiefe noch begeistert und stößt ein einladendes, mitreißendes Lachen aus. Einmal reingekippt, kann man nicht mehr wegklicken: Jetzt auch mit englischen Untertiteln!