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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

12. 4. 2009 - 21:17

Fußball-Journal '09-25.

Der Stein der Weisen - der einzig wahre Vorschlag zur Liga-Reform.

Achtung: der Titel dieser heutigen Geschichte ist dazu da, um sofortigen Widerspruch zu erzeugen, um Aufmerksamkeit zu heischen, aber auch um mich zu an jenen zu erheitern, die ihn ernst nehmen und seine bittere Ironie nicht sehen.

Lange Zeit wurde man blöd angemacht, wenn man sich öffentlich für eine dringende Neu-Diskussion des Modus, mit dem das Herz des heimischen Profi-Fußballs, die Bundesliga ihr Jahr bestreitet, ausgesprochen hat. Die Zehner-Liga habe sich bewährt, der Unterbau (die sogenannte 1.Liga) sei zwar hatschert konstruiert, aber es gehe halt nicht anders, und überhaupt: Goschn haltn.

Jetzt, wo sich nach der heilsamen Ernüchterung, die im heimischen Kick seit ein paar Monaten eingekehrt ist, nach dem Erkennen und der Akzeptanz unbestreitbarer Tatsachen (wie der, das man sowohl auf Vereins- als auch auf Nationalteam-Ebene gnadenlos ins internationale Hintertreffen geraten ist und dringend rausmuss aus diesem Sumpfgebiet), die die Vorgänger-Generation der Verantwortlichen noch bestritten und geleugnet hatten, platzt diese unter der Oberfläche schwelende Debatte auf wie eine Eiterbeule und schiebt sich als primäre Agenda des heimischen Fußballs in den Focus der Beachtung.

Es geht eben immer nach hinten los, wenn man glaubt die Menschen künstlich blöd halten zu müssen.

Die Vertreter, vor allem die der Bundesliga, die bis vor wenigen Tagen noch die Gusch!-Devise ausgegeben hatten, sehen sich mit den Konsequenzen ihrer Diskussions-Erstickung konfrontiert: eine weitgehend vom Thema unbeleckte Öffentlichkeit durchschaut die von vielfachen Interessen getragene Neudiskussion nur unzureichend, seriöses Niveau kann (trotz Bemühungen zb des Kurier nicht erreicht werden.

Der gute Präsident

Wäre in diesen Tagen nicht der bislang eher patschert agierende ÖFB-Präsident ein moderierender Einfluss, würde die Debatte wahrscheinlich (wie all ihre Vorgänger) in die komplette Schwachsinnigkeit abgleiten. Die letzte kleine Justierung der Liga-Reform (die Aufstiegsregelung zur 2. Liga) hatte man zb am Rande der Bestellung zum letzten ÖFB-Chef besprochen, besser: durchgewinkt - so sieht sie auch aus: undurchdacht hoch 2.

Leo Windtner nun spricht aktuell ein paar Wahrheiten an. Etwa die nach dem Wirtschafts-Standort Österreich: "Wieviel Profi-Fußball verträgt der?" Oder die rhetorische Frage: "Was ist schlecht an Semiprofessionalismus?" - wie er etwa in Skandinavien ab der 2. Spielklasse vorgelebt wird.

Fragen, die die Szene entsetzen - weil da Weideflächen und Pfründe für die vielen im Umfeld herumschwirrenden Zwischenhändler, die Experten, Berater, Spielervermittler, Manager, Poser-Funktionäre und Pseudo-Trainer in Gefahr sind. Für die, um die es geht, die Spieler, die richtigen Betreuer und das Publikum wäre ein kräftiger Schnitt richtig und wichtig, für den angesprochenen Klüngel (samt den von ihnen profitierenden und über sie partizipierenden Boulevard-Medien) wär's aber schlecht.

Deshalb werden aktuell eine Menge Nebel-Granaten geworfen.

Halten wir fest: der Status Quo ist eine zweistufige Profi-Liga, mit einer Bundesliga mit 10 Vereinen und eine 1. Liga mit (ab 2010) ebenfalls zehn Vereinen, darunter dann 3 Regional-Ligen und dann die 9 Landes-Verbände.
Aktuell diskutierte Varianten wären eine 12-16-Lösung oder eine 10-16er, oder gar eine 16-16 oder 16-10-Variante.

Der aufgeblähte Liga-Bauch

Irgendwo soll also aufgestockt werden, egal ob in 1. oder 2. Liga. Die Argumente liegen auf der Hand: eine Vergrößerung der spielplantechnisch aufgeblähten kleinen Inzest-Ligen (in denen pro Saison alle viermal gegeneinander spielen müssen) bringt eine Entlastung des katastrophal gespannten Spielplans (die Kicker müssen deshalb im Hochsommer beginnen und lang in den Winter hineinspielen; beides langjährige Idiotismen, die einen soliden Trainingsaufbau behindern - statt 36 wären nur 30 bzw 32 Runden zu spielen) und ermöglicht eine längerfristige Arbeits-Perspektive, weil nicht immer die Hälfte der Liga im Abstiegskampf steckt und dann hysterisch viertklassige Alt-Legionäre einkauft (eigentlich ein erbärmliches Argument, aber so sehen die Tatsachen eben leider aus).

Argumente für eine Aufstockung der 2. Liga, in der die meisten Spiele auf nicht mehr als 1000 Zuschauer kommen, kenne ich nicht. Zuletzt spielte die 2. Stufe 94-98 mit 16 Vereinen - und es war ein rechtes Debakel.

Und da liegt auch der Hase im Pfeffer - alle derzeit am Tisch liegenden Vorschläge (bis auf den von Rapid-Sportchef Ali Hörtnagl, der liegt noch geheim im Tresor) beinhalten eine Aufblähung: mehr Vereine sollen sich den letztlich bestenfalls gleichbleibenden Kuchen teilen.

Das ist in Zeiten der Wirtschaftskrise, die heuer bereits (über die Teil-Pleite seiner Hedge Fonds-Finanziers) der Traditions-Club DSV Leoben erlegt hat, sowieso schwierig. Auch die Cash-Cow Fernsehen wird nicht mehr (sondern vielleicht eher weniger) zahlen können: Premiere hat sich dazu schon vorsichtig, aber deutlich geäußert, der ORF zieht klarerweise mit; und Sponsoren wachsen auch nicht auf den Bäumen.

All die Reform-Ideen, die mit 26, 28 oder 32 Profi-Vereinen anstatt der aktuell 20 kalkulieren, sind kaufmännisch also auf Treibsand gebaut.

Raus aus der Profi-Falle

Die entscheidende Frage liegt bereits auf dem Tisch: wie viel Profi-Fußball verträgt Österreich. Und die Antwort ist recht einfach, wenn man sich die aktuelle Lage ganz nüchtern ansieht.

Von den aktuell 22 Mannschaften der aktuell 20 Profi-Vereine (Salzburg und die Austria dürfen sich noch ein Jahr den Luxus einer zweiten Mannschaft leisten) sind, unter gehörigen Abstrichen, mit Nachsicht aller Klassen, maximal 15 wirklich profitauglich. Der DSV hat bereits aufgegeben, zwei Aufsteiger atmen bereits sehr flach und zwei andere stoßen derzeit ordentlich an ihre Grenzen. Bei den Aufstiegs-Aspiranten der Regionalligen sieht es ebenfalls schlecht aus: bis auf den GAK will niemand wirklich rauf; man kann es sich auch einfach nicht leisten.

Nun lässt sich mit 15, vielleicht 16 Profi-Mannschaften kein System, das 20, oder gar 26, 28 oder 32 Profi-Clubs braucht, umsetzen. Genau an dieser versuchten Quadratur des Kreises werden die aktuellen Reform-Ideen auch (wieder) scheitern.

10 Vereine gibt's in Europa in der Schweiz und Slowenien, sonst nur bei Zwergen wie Estland, eine 12er-Liga in Dänemark, Schottland und der Slowakei, 14 Clubs in Finnland (uä Zwerge).

Eine 16er-Liga hätten wir in Bosnien, Bulgarien, Griechenland, Norwegen, Polen, Portugal, Russland, Schweden, Tschechien, Ukraine, Ungarn. Ab nächster Saison auch in Belgien, Israel, Kroatien und Serbien.

Über eine 18er-Liga trauen sich Holland, Rumänien, die Türkei und Deutschland. Und eine 20er-Liga haben England, Frankreich, Italien und Spanien.

Was damit geht ist eine 16er-Liga wie sie fast alle anderen europäischen Fußball-Mittelmächte unserer Preisklasse (oder derer, die wir anstreben) haben: Kroatien oder Serbien, Tschechien oder Ungarn, Schweden oder Norwegen, Griechenland oder Israel, Belgien oder Bulgarien, Polen oder die Ukraine.

Bei den Vergleichsnationen mit 10/12er-Liga siehts so aus: in der Schweiz und Dänemark gibts drunter eine 16er-Liga, die sich aufgrund des nationalen Wohlstands grade noch ausgeht (Schweiz) bzw auf Halbamateur-Basis (Dänemark). Schottland hat 4 geschlossene Profi-Ligen mit je 12/bzw 10 Vereinen. Die Slowakei hat 2 12er-Ligen mit B-Teams in der 2. Spielklasse, Slowenien spielt mit zwei Zehnerligen - in beiden Ländern kann man nicht von durchgehendem Profi-Fußball sprechen.

Die fünf letztgenannten Nationen haben ein geografisch durchaus einfacheres Profil als Österreich: einen Abstand von Neusiedlersee bis Bodensee haben sie nicht zu bewältigen, eine entsprechende Alpenlage auch nicht - selbst die Schweiz hat es, distanzentechnisch, leichter.

2. Liga: abschaffen!

Aus all diesen Gründen (Wirtschaftskraft, Niveau, Infrastruktur, Geografie etc) kann sich ein Profi-Betrieb für 26/28/32 Vereine einfach nicht ausgehen. Wo es derzeit nicht einmal für 20 gscheit reicht.

Das kann für die zweite Leistungsstufe nur eins bedeuten: sie ersatzlos zu streichen.

In einer solchen Bundesliga könnten 2010 Salzburg, Rapid, Austria, Sturm, LASK, Kärnten, Ried, Mattersburg, Kapfenberg, Altach, Magna, Admira, Innsbruck, St. Pölten, Austria Lustenau und der GAK spielen.

In der RLO nach heutigem Stand zb Vienna, WSK, FAC, Wienerberg, Horn, Waidhofen, Zwettl, Parndorf, Neusiedl, Gratkorn, DSV Leoben, Hartberg, Voitsberg, WAC, St. Veit, SAK Klagenfurt, in einer RLW Vöcklabruck, BW Linz, Wels, St. Florian, Grödig, Anif, St. Johann, Wattens, Kufstein, Reichenau, FC Lustenau, Dornbirn, Bregenz, Hohenems, Hard und Bad Aussee oder Pasching.

Unter einer 16er-Liga, die die gerade noch zusammenzukratzenden Profi-Kräfte des Landes konzentriert, braucht es eine regionale Aufteilung.

Ich sehe da zwei Möglichkeiten für eine solche semiprofessionelle Konstruktion.

Version A: zwei Regionalligen (mit 16 Vereinen). Eine RL Ost, mit Wien, NÖ, Burgenland sowie Steiermark und Kärnten, verkehrstechnisch durch die Südbahn angebunden; und eine RL West, mit OÖ, Salzburg, Tirol und V-Berg, also eine Westbahn-Liga. Vorteil: nur zwei Aufsteiger, also ein gesunder Austausch. Nachteil: 4 oder 5 Absteiger in den Landesverbände - da brauchts noch eine Idee.

Version B: drei Regionalligen mit der bisherigen Struktur, verstärkt durch die (natürlich nicht aufstiegsberechtigten) B/Amateur-Teams der Spitzenvereine. Vorteil: kennt man schon. Nachteil: 3 Aufsteiger sind zuviel. Die Qualität dieser Ligen würde durch die Hereinnahme der Amateur-Teams der Top 10 verstärkt werden.

Die Schnittstelle

Natürlich verlagert dieser Vorschlag die Probleme nach unten. Aber: auch das ist lösbar. Und es ist besser als man wurschtelt oben endlos sinnlos herum.
Und besser als man lügt sich mittels einer künstlich am Leben erhaltenen uninteressanten 2. Liga weiter erfolgreich in den eigenen Sack. Und bestärkt arme Idioten in dem Irrglauben, dass jeder kleine Lokal-Kaiser eine Profi-Mannschaft aus dem Boden stampfen kann. Daran sind in den letzten Jahren unzählige Vereine der 2. Garde gescheitert (die diversen Schwanenstadts, Wörgls, Untersiebenbrunns, Braunaus, Bad Bleiburgs) - und dieselbe Großmannsucht war auch in den letzten 20, 30 Jahren schuld, wenn sich Vereine wie Vorwärts Steyr oder Bregenz hysterisch übernommen haben.

Die vielzitierte Spielpraxis kriegen die jungen Spieler in diesen Ligen auch - klappt aktuell bei zb Rapid oder Sturm garnz wunderbar.

Von zentraler Wichtigkeit ist, dass dieser von Präsident Windtnter als zentrale Schnittstelle ausgemachter Übergang zwischen Amateur- und Profi-Fußball nicht auf Basis einer Selbstlüge justiert wird, sondern auf der von realistischen Überlegungen. Dafür gibt es aktuell (und ich würde sagen: erstmals!) immerhin sowas wie Ansätze.

Da dürften dann aber Kleingeister, die nur über vereinssichtige Kurzfrist-Denke verfügen, und die, die von der künstlichen Aufblähung profitieren, nicht entscheidend mitquatschen - und das ist, just in Österreich, unwahrscheinlich.