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Astrid Schwarz

Radio FM4

Astrid Schwarz

Digitales und Reales

11. 4. 2009 - 14:07

Der Hungerkünstler

Im Überfluss bleibt als Protest nur noch die Verweigerung. Sich zu Tode hungern ist der Plan von Andreas Tretter, dem Protagonisten aus Georg Elterleins Debütroman.

Eigentlich könnten wir zwölf Milliarden Menschen mit dem Nahrungsangebot auf der Erde versorgen, aber Menschen verhungern immer noch. In den Industriestaaten leben wir im Überfluss, überall gibt es Essen zu kaufen und wird von allen Seiten beworben. Aber wir sollen schließlich alle schön, schlank und sportlich sein.

Der Druck, einem Ideal zu entsprechen, das uns die Medien verkaufen, wächst. Immer mehr Menschen erkranken an Magersucht oder Bulimie. In den 80er Jahren waren Männer da noch eine Ausnahme. Genau in dieser Zeit hat Georg Elterlein seinen Debütroman "Hungerkünstler" angesiedelt.

Buchcover

Picus Verlag

Es werden die Hunde sein, die dich wecken. Du wirst aufstehen, ein letztes Mal duschen, dich anziehen, im Morgenlicht die Ortschaft verlassen... Du wirst zwischen Dornenbüschen einen Weg bis zum Ende der letzten Bucht suchen... Du wirst auf das staubige Grün des Tales, auf das Meer hinabschauen. Du wirst dich an deine Mutter erinnern, ihre Stimme hören, die geflüsterten Worte: Ein schöner Ort zu sterben. (Anfang des Buchs)

Die Rede ist von einer Bucht auf Kreta, der Ort, den der ehemalige Tennisprofi Andreas Tretter auserkoren hat, um auf den Tod zu warten. Mit Essensverweigerung versucht er, mit dem unerwünschten Leben, der Karriere als Tennisstar, fertig zu werden.

Andreas Tretter ist gerade 19 geworden und wird mit hart erkämpften 50 Kilogramm aus der psychiatrischen Klinik entlassen, in die er- bei einer Größe von 1,80- mit 42kg eingeliefert wurde. Er macht sich auf den Weg zu seiner letzten Reise.

Als er erfährt, dass seine Großmutter gestorben ist, entschließt er sich zu seinem "Nenn"-Opa zu fahren, dem Lebensgefährten seiner Großmutter, und ihn bis zum Begräbnis zu betreuen.

"Der Hungerkünstler" von Georg Elterlein ist im Picus Verlag erschienen.

Die Dinge entwickeln sich anders, als Andreas geplant hat. Er beginnt, für seinen dickköpfigen Opa Verantwortung zu übernehmen, zieht zu ihm auf den alten Garagenhof, der mal Großmutters Spedition war, lässt sich von seiner kühlen Art nicht abschrecken und bekommt von ihm genau das, was er am meisten braucht: Verständnis und Wärme. Außerdem stellt der Opa keine Fragen.

Andreas bleibt länger als geplant, denn der Opa schöpft neuen Lebensmut und will sich seinen Jugendtraum von einem Orangenhain erfüllen. Andreas' Vater jedoch hat auf dem Gelände des Garagenhofs schon längst ein Tenniscenter geplant, ohne es dem Großvater zu sagen. Ein Alptraum für Andreas.

Georg Elterlein entspinnt in seinem Debütroman ein dichtes Netz aus familiären Verstrickungen.
Der Konflikt mit dem Vater, der nach dem Tod seiner Frau - Andreas Mutter - die Karriere des Sohns als einzigen Lebensinhalt hat: Elterlein erliegt nicht der Versuchung, die Ausweglosigkeit von Andreas' Verhalten in Pathos oder Schwarzmalerei zu ertränken. Sein Aufbegehren gegen die Welt und seine Familie sind Prozess des Erwachsenwerdens. Andreas Tretter lernt, Verantwortung für sein Leben zu übernehmen, indem er sich seinen Problemen stellt und auch für andere da ist. Nicht zuletzt spielt eine junge Frau dabei eine tragende Rolle.

Die Gedanken und das zwanghafte Verhalten, das Andreas' Leben bestimmen, kennt der Autor nur zu gut. Er war selbst 17 Jahre lang an Bulimie erkrankt.

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Fast zehn Jahre lang hat der gelernte Toningenieur an seinem Roman gearbeitet. An Drehbüchern und Kurzgeschichten hat Georg Elterlein gearbeitet, und nebenbei Geld verdient, um sich das Schreiben leisten zu können. Spartanisch lebt er in seiner Wohnung in Wien mit seinen Figuren, die ihn überall hin begleiten.

Mitunter auch nach Griechenland. Auch wenn’s kitschig klingt - dass sein Protagonist ausgerechnet am Felsen mit Blick aufs Meer sterben will - für den Autor unvermeidbar, hat er doch selbst einen starken Bezug zum kargen Kreta. Für ihn wäre es ein schöner Ort, um einen Abgang zu machen, wie er sagt.