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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

11. 4. 2009 - 20:34

Journal '09: 11.4.

Das Herz Österreichs

Man würde es nicht merken, den Geburtstag, beim ersten Hinsehen. Das, woraus viele andere eine Hochglanz-Poser-Nummer machen würden, ist der Kronen Zeitung nur eine einzelne, persönliche Kolumne auf Seite 6 wert. Da erinnert sich Ernst Trost unter dem Titel "Wie wir anfingen" genau 50 Jahre zurück, als am 11. April 1959 die erste neue Kronen Zeitung erschien.
Vielleicht nimmt man im Chefbüro auch lieber die Tradition des Vorgänger-Blattes (1900 - 1944) mit - mit der Nachkriegs-Krone hat das allerdings nur am Rande zu tun. Und die ist ein derart entscheidender Faktor im österreichischen Macht-Gefüge, dass ein Blick, wie ihn das aktuelle Profil riskiert unbedingt notwendig ist.

Die Kronenzeitung ist älter als ich.

Um gute eineinhalb Jahre. Sie war also immer schon da. In meinem Elternhaus sowieso. Sie war ein indirektes Resultat des sogenannten Wiener Zeitungs-Krieges von 1958, den mein Vater mittendrin erlebt hat.
Da spielte sich rund um den damals sehr populären Bild-Telegraf ein absurder, von Verleger-Eitelkeiten getragener Kampf um die Boulevard-Hoheit ab. Wer verstehen will, wovon Leute wie Gerd Bacher oder Hand Dichand getrieben werden, wo Konflikte in der Medien-Branche aber auch die zwischen der Bundesländer-Presse und Wien ihren Ursprung haben, der muss sich diese historische Schlammschlacht näher anschauen.
Aus dieser Erfahrung heraus ist auch der offensive und unerschrockene Umgang, den Dichand danach mit seiner eigenen Zeitung pflegte, zu verstehen.

Geschichten rund um Bild-Telegraph und den Express erzählt mein Vater immer noch. Nicht mit ihm als Helden - er hat alles von Produktionsseite erlebt, als Schriftsetzer und Korrektor, als letzte Schaltstelle zwischen hektisch zuspätkommenden Manuskripten und dem Druck lag in der Gutenberg-Galaxis noch der Satz. Und dort, in der Finalisierung, hielten sich natürlich auch die Bachers und Dichands auf und agierten ein wenig so wie die Reporter des Satans, die Billy Wilder (der in der Zwischenkriegszeit auch so einer war am Wiener Boulevard) etwa in Front Page zeichnet.

Die Sternwarte als Turning Point

In den 70ern fand ein Deutungs-Wandel statt: statt reiner reißerischer Chronik entdeckte die Krone erstmals die Kampagne als Element der Medien-Macht. Das erste Probierfeld war ein Park in Wien, der Sternwarte-Park, um dessen Erhaltung und Publikums-Öffnung sich die Zeitung vordergründig bemühte - wobei es allerdings um eine knallharte Machtprobe mit dem unbeliebten Wiener Bürgermeister Felix Slavik ging. Alles ein wunderbarer Probelauf für spätere Maßnahmen mit den dann wichtigeren, weil bundesweit relevanten Playern.

Nicht, dass ich das damals, Anfang der 70er schon mitbekommen hätte. Nur indirekt. Mein Vater hat, als Branchenarbeiter, immer mehrere Zeitungen (&Zeitschriften) mit nach Hause gebracht, nicht nur die, in deren Betrieb er gerade arbeitete - und das waren praktisch alle Wiener Verlage/Druckereien (mein Vater war beruflich ein Legionär, der sich als Spezialist, immer dem besten Angebot zuwandte). Die Krone war nie dabei, die kam nur Sonntag aus dem stummen Verkäufer ins Haus, immer mit dem klassischen Kommentar meines Vaters versehen: "Nachschaun, was die Hausmeister denken."

Es ist die Frage nach Henne oder Ei: ist das, was in der Krone steht die glatte Befehlsausgabe für das vom obrigkeitsgehorsamem Hausmeistertum überschwemmte Österreich oder saugt man hier eine latente Stimmung sehr früh auf und macht dann was draus.

Profil zitiert dazu Heide Schmidt mit "die systematische Bedienung von Vorurteilen, der Verkauf von engstirnigen Reflexen als Bürgermeinung.", aber auch Hausjell mit "der Versuch, Mehrheitsstimmungen zu erkennen, noch bevor sie entstehen und sich dann genau dort draufzusetzen."

Zwentendorf als Maßstab

Meine erste praktische Begegnung mit der Kronen-Zeitung fand 77/78 statt. Damals gab es die erste kritische Auseinandersetzung um den Kolumnisten Staberl, dessen antisemitische und NS-verharmlosende Untertöne den Weg in die Akzeptanz des Rechtspopulismus ebnete, auf der anderen Seite hatte die Kronen-Zeitung das emotionale Potential erkannt, das in der Volksabstimmung zum Atomkraftwerk Zwentendorf lag.

Auf der einen Seite gab es (im damals noch so richtig undergroundigem, räudigem Alternativ-Bereich, der schon allein deswegen stapoanhängig war, weil man es als unerhört erachtete, dass es überhaupt jemand wagte sich abseits der braven Norm zusammenzusetzen - heute wär das lächerlich) Veranstaltungen, die erst ein Bewusstsein für einen Gegenöffentlichkeit schafften und sich da mit den Kampagnen der Krone gegen alles, was Subkultur betraf, auseinandersetzte, auf der anderen Seite musste man über die persönlich gefärbte und deshalb bei simplen Gemütern auch ankommende Anti-Atom-Berichterstattung froh sein.
Und deshalb kam es auch, dass in jeder politisch-kritischen WG, bei der keine Kronenzeitung über die Türschwelle kam, die riesenhafte "NEIN!"-Schlagzeile der Krone an den Pinnwänden hatte.

Falk, Haider, Waldheim

In den 80ern war die Krone durch den Streit der beiden Eigentümer, dem Journalisten Dichand und dem durch politische "Onkel" eingesetzten Kurt Falk. Der Kaufmann Falk gilt als Erfinder der Sonntags-Standln, also des Gratisblattes, gründete die "Ganze Woche", später auch "Täglich Alles", das "Österreich" von vor 15 Jahren.

Außerdem spielte die Krone ihre Kampagnen-Erfahrung beim Widerstand gegen Hainburg aus und beschäftigte sich ab 1986 intensiv mit der vorher, in ihrer vergleichsweise liberalen Phase, nicht ernstgenommenen FPÖ, vor allem dem Proponenten Haider. Und man nahm im Fall Waldheim eine führende Rolle in der damals absolut mehrheitsfähigen "Mir lassn uns unsere alten Nazi nicht von anderen rausschießen!"-Bunker-Mentalität der österreichischen Öffentlichkeit ein.
Allerspätestens seit diesem Zeitpunkt setzt die Kronen-Zeitung die Themen für die Großwetterlage der politischen Agenda. Spätestes seit der Politiker-Generation Klima ist die Kronen Zeitung auch deswegen so stark, weil die politische Nomenklatura (auch durch sowas wie ideologische Selbstaufgabe) ihr diese Macht zuschreibt. Die berühmte Guglhupf-Szene zwischen Präsident Klestil und Hans Dichand in der arte-Doku über die Krone faßt das alles zusammen.

Guglhupf für Dichand

Dass die Parteien dieser Tage ihre EU-Kandidaten danach ausrichten ob sie der Anti-EU-Linie der Krone eh entsprechen können, will uns sagen: die Angst vorm Kanzlermacher-Blatt ist ungebrochen. Die Macht geht nicht mehr – wie zu Staberl-Zeiten – vom Kolumnisten, sondern von den von Dichand persönlich kontrollierten umfangreichen Leserbrief-Seiten aus. Um deren Autoren ranken sich etliche diffuse Geschichten –die einen meinen, dass diese Beiträge, wie in fast jedem Print- Medium von der Redaktion selber verfaßt werden, andere glauben an eine Art Leserbrief-Oligarchie durch ein Dutzend Dauerschreiber, die sich – mittels Krone-linientreuer Texte – in den inneren Kreis gearbeitet haben.

Nicht nur in dieser Hinsicht agiert die Krone sehr analog, noch sehr im Rahmen der Gutenberg-Galaxis; und es ist, in Österreich, noch egal, weil der Mainstream und die Rezeption des Krone-Publikums da weit hinterherhinken.

Wie lange das alles, wie lange der unglaubliche Erfolg noch anhalten wird, besser: ob all das doch sehr spezifische den greisen Patriarchen Hans Dichand überleben wird, das wird eine ganz interessante Frage. Die Nachfolge-Lösung hält eine Variable bereit, der stille 50%-Partner, die deutsche WAZ hat konträre Interessen als Christoph/Eva Dichand.

Da die zugeschriebenen Faktoren die realen aber immer um ein paar gute Jahre überleben, wird auch die Post-Hans Dichand-Krone noch einige Zeit Machtzentrum sein, was politische und gesellschaftliche Definitionen betrifft.

Ob einem das gefällt oder nicht – so ist das Land, dort schlägt sein Herz.