Erstellt am: 10. 4. 2009 - 17:49 Uhr
Journal '09: 10.4.
Ostern ist natürlich eine tolle Zeit, um den Glauben der Menschen an das Übernatürliche abzuklopfen. Das Übernatürliche, das bei den älteren Österreichern in Form von Religion und deren Übertreibungs-Pose existiert. The Supernatural, das bei jüngeren Österreichern in der global angereicherten diffusen und von Verschwörungs-Theorien durchsetzten Blase des Okkulten daheim ist.
Ich denke, dass dieser Tage die letzte Generation Ostern noch als religiöses Fest mitbekommt (sofern das die tradierende Eltern-Generation überhaupt will) - das Bild des sterbenden und wiederauferstehenden Jesuses wird verblassen und Ostern wird als lustiges Brauchtum mit Hasen überleben. Aber der diffuse Angstmacher-Aspekt, der hinter der katholisch-saftigen Aufladung der Ostergeschichte steckt, der wird sich deutlich anderswo hin verlagern.
Der Glaube ans Übernatürliche
Wurden die im vorigen Jahrtausend Sozialisierten noch mit Leidensbildern in kollektiver Schuldhaft gehalten (das ist und war die große Stärke der katholischen Kirche seit ewigen Zeiten, vor allem auf dem Land), so wird diese Verankerung im selbstzerfleischenden Teil der menschlichen Psyche künftig von anderen Predigern und Lehren übernommen werden. Die allerdings großteils an die religiösen Muster andocken werden. Kein Wunder: vom Cro-Magnon-Medizinmann bis zum Herrn Sektenführer arbeiten die spirituellen Häuptlinge ja immer noch mit denselben alten Taschenspieler-Tricks.
Da das Zeitalter der religiösen Hardcore-Ideologie (Hände falten - Goschn Halten) nun am Absteigen ist, wird die Energie, die derlei Übernatürliches braucht, anderswo befriedet werden müssen.
Gerade sehr angesagt: der aus westafrikanischen Beständen importierte Gott Juju, der irgendwie (don't ask me how) auch mit dem Maya-Kalender zu tun hat. Der wiederum vollendet am 21. 12. 2012 eine seiner Jahrtausende dauernden Perioden - weshalb da dann was Arges (Ende der Welt? Übergang in eine neue Dimension?) passieren muss.
Eso-Esel
Nicht jetzt lachen über die neuen Eso-Esel, arme Opfer einer Industrie, die okkulten Blödsinn teuer vercheckt.
Die alten Esel, die noch von den alten Mächten eingeseift wurden, denken ähnlich.
IMAS hat erhoben: 42% glauben an Wunder, 28% an Engel, 22% an Geister, 16% an Astrologie, 15% an den Teufel, 11% an UFOs, 9 % an Hexen. 14% sind überzeugt, dass Jesus von einer Jungfrau geboren wurde (und das nicht aus neuem Wissen um In Vitro, sondern rein wegen des Glaubens) und 9% sind sicher, dass die Welt in 7 Tagen erschaffen wurde.
Herrlich auch die Inkonsequenz beim festen Glauben an das Übernatürliche, aber nur das Lässige natürlich: 23% glauben an den Himmel, aber nur 15% an die Hölle. Toll, wenn man selektiv ausblenden darf!
Bauernfänger und Fundamentalisten weltweit reiben sich ob solchen Zahlenmaterials der Verführbarkeit von Massen begeistert die Hände.
Big Bang
Apropos: Big Bang Theory, sehr schön blöde Sitcom über eine WG von jungen Physik-Genies und ihren Begegnungen mit der richtigen (auch hübsch danebenen) Welt.
Kurzes Videobeispiel hier, langes hier.
Immerhin können sich 30% mit der Big Bang Theory anfreunden, neigen einer wissenschaftlichen Ansicht über die Entstehung des Universums zu.
Das ist zwar deutlich höher als der Glaube an den Kreationismus - wenn man aber all die braven Treuherzigkeiten zusammenrechnet, an die der aktuelle Österreicher (noch) glaubt, dann sollte man sich jeden Spott über die achsodepperten Amerikaner und ihren offen ausgeführten Schulen- und Bildungs-Streit zum Thema ersparen.
Wäre die Amtskirche hierzulande ähnlich kunden-, image- und profilierungsgeil wie die diversen Fundi-Splittergruppen in Gods Own Country, würden sie immer noch problemlos ein recht fettes Following aufbringen - so gesehen geht die Kirche mit ihrer Macht über die Straße eh äußerst pfleglich und demokratiepolitisch korrekt um.
Die allermeisten dieser Irrlehren reichen allerdings weit über den rein christlichen Aspekt hinaus: Der Glaube an Geister, Hexen, Wunder, Engel oder UFOs ist heidnischen Ursprungs, hängt also viel tiefer in den Menschen drin als die erst so kurz dran andockende christliche Mythologie (die allerdings ja auch ihrerseits in alten heidnischen Mythen-Schätzen gewildert hat).
Die Verschwörungstheorie-Sucht
Allerspätestens seit 2001, als durch 9-11 die vorher nur einzelnen Spinnern vorbehaltene Verschwörungs-Theorie-Sucht zu einem Massenphänomen wurde, ist klar, wohin die Reise gehen wird.
In einer medial basisdemokratisierten Hyper-Informationsgesellschaft, in der das Okkulte und Übernatürliche nicht nur an den Rändern Platz hat, sondern - wie seit jeher - in die Mitte drängt, wird die Freude am Unberechenbaren, also der Glaube ans Übernatürliche sich nicht so sehr in einem fixen und starren Religions-Schema ausleben, sondern in einem nomadisch inszenierten Kultur der andauernd hinter den interessansten Phänomenen herhampelnden Pseudo-Dokumentation ihren Platz einnehmen.
- > Schönes Beispiel dafür: Alex Jones völlig verblödeter Film The Obama Deception, in der "belegt" wird, wie sehr der neue globale Hoffnungsträger eine bloße Puppe der Mächtigen (in diesem Fall: die Bilderberger) ist.
Der Film hat es natürlich alles schon vorher gewusst (ebenso wie alle sein Zeugen) - komischerweise werden die Infos aber erst im Nachhinein (wenn man selektieren konnte, und wenn es ein Leichtes ist, sich alles zurechtzudrehen) mit großem Trara, und mit bei FOX abgeschauter Propagandistik präsentiert.
Was hier (und in den vielen anderen Beispielen, die sich in einem Untergrund-Media-Gestus bewegen) passiert, ist nicht viel mehr als das politische Lobbying, das es seit jeher gab.
Nur hat das eben mehr "Qualität", wenn man "die da oben" über einen geschickt gestrickten, den Anforderungen der neuen Medien und an ein neues Publikum angepassten Mustern versehenem Tool verschickt, als wenn der Nazi-Opa am Oster-Tisch "die Juden" als die Schuldigen an der aktuellen Finanzkrise ausmacht.
Kirchenbau zu Babel
Eine Qualität, die den Unterschied zwischen dem alten "Übernatürlichem" und dem neuen "Supernaturalem" ausmacht. Die alte Schule hat eine recht einfache Botschaft mit viel Ablenkungs-Pomp (Kathedralen, Weihrauch...) gut verkauft. Die neue Schule geht direkt auf den vereinzelten Verunsicherten zu, gibt ihm ein Mandat als Individualisten und lockt ihn mit dem medial angepassten, aber letztlich selben Pomp, in einen ebenso sicherer Verkaufsraum für Botschaften.
Die alte war: traue unserem Herrn, die neue lautet: traue niemandem.
Die neue, tagesaktuell arrangierte, immer am okkulten anstreifende verschwörungstheoriegeile Hostien-Ausgabe wird keine Kirchen bauen, das ist dafür nicht notwendig. Religionen und Kathedralen gibt es bereits genug. Sie übererfüllen die Nachfrage, lassen sich mischen und teilen, oder sind bereit für brachialen Fundamentalismus, haben sich aber alle extrem an den Markt angepaßt.
Das Geschäft mit der Lust am Übernatürlichen hat ihnen aber der andere Markt-Zweig abspenstig gemacht, weil er sich via Web rasant ausbreiten kann und alle alten Vorurteile, allen Aberglauben, allen pseudo-spirituellen Schmafu zu füttern versteht.