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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

9. 4. 2009 - 21:57

Ein kleines bisschen Weltuntergang

In Krisenzeiten hat das Apokalypse-Kino Hochkonjunktur. Filme wie "Knowing" bieten angenehm infantile Ablenkung vom realen Schrecken.

Als Apokalyptiker tut man sich leicht dieser Tage. Mir reicht ja schon ein bisschen Zeitungslektüre, eine Plauderei mit einschlägig paranoiden Freunden oder ein abendliches Hin- und Herzappen zwischen diversen Nachrichtensendungen, um meine düstere Fantasie anzuregen.

Dabei stecken meine regelmäßigen opulenten Untergangsträume, mit ihren Achtziger-Atompilz-Zitaten, mit der Rückkehr an provinzielle Orte der Kindheit, um sich dort im Schulkeller vor Zombies zu verstecken, oder dem Dauerregen, der Wien im Wasser versinken lässt, durchaus noch voller Unterhaltungswerte.

Schlimmer sind die plötzlichen, sehr realen Visionen, die tagsüber vor dem geistigen Auge auftauchen, nach Gesprächen mit Steuerberatern oder Bankbeamten. Eiskalt erwischte es mich auch neulich nach einer dieser derzeit ständigen Diskussionen über die Facebook-Twitter-Seuche und den Terror einer falsch verstandenen Interaktivität.

Plötzlich wurde mir da bewusst, wie meine persönliche Apokalypse aussieht: Riesige Schlangen voller Popjournalisten, Filmkritiker, Musiker und Künstler drängeln sich vor monströsen Arbeitsämtern, deren Türen versperrt sind. Immer dichter wird die Menschenmenge, aber die Panik hält sich in Grenzen. Denn alle Anwesenden starren ohnehin nur auf ihr iPhone-Display und verfassen bestens gelaunte Status Updates: Darling, ich bin pleite, aber es ist schon okay.

Gegen die beklemmende Tristesse solcher und ähnlicher Horrorvorstellungen hilft nur ein richtig schöner Weltenbrand in Cinemascope. Dankenswerterweise produziert Hollywood neben Durchhaltemärchen wie "Slumdog Millionaire" auch zünftige Katastrophenspektakel, die angenehm infantile Ablenkung von der Krise bieten.

"Knowing"

Concorde

Zwischen Stephen King'scher Öko-Apokalypse und pseudophilosophischem Arthouse-Endzeitkino pendelten die sehenswertesten Untergangsszenarien auf der Leinwand in den letzten Jahren. Heuer geht die Welt gleich mehrfach den Bach runter, wenn man sich die Filmvorschau der nächsten Zeit ansieht.

Devastierungskino-Spezialist Roland Emmerich, der die eben überstandene winterliche Wetterlage bereits mit The Day After Tomorrow vorhersagte, hängt sich natürlich an den Untergangs-Trend an. Der beliebte Maya-Kalender, der in drei Jahren die globale Vernichtung prophezeit, ist der Aufhänger des Blockbusters 2012, der uns im November bevorsteht.

Herr Emmerich, immer für etwas Plakativität zu haben, zeigt gleich im Teasertrailer, wie der Himalaya von einer Flutwelle überschwemmt wird, und lässt eine Starriege, von John Cusack und Thandie Newton bis Woody Harrelson, ums Überleben kämpfen.

Avancierter und dringlicher nähert sich der australische Regiegroßmeister John Hillcoat ("The Proposition") dem Thema, in dem er eines der ergreifendsten Bücher unserer Zeit verfilmt. Ich rede von The Road, dem Meisterwerk des Ausnahmeautors Cormac McCarthy, das von der Odyssee eines Mannes handelt, der mit seinem kleinen Sohn durch die Ruinen des zerstörten Amerika wandert.

Der formidable Viggo Mortensen schlüpft in die Hauptrolle, erste Bilder und Berichte deuten auf einen filmischen Albtraum hin, der an die Erschütterungskraft der literarischen Vorlage anschließt.

"Knowing"

Concorde

Unvergleichlich kindischer, aber dafür ganz aktuell jetzt im Kino: "Knowing" vom Genrespezialisten Alex Proyas ("The Crow", "Dark City", "I, Robot"), der mit einem Mystery-Aufhänger wie aus dem Bilderbuch beginnt.

In einer Volksschule in Massachusetts dürfen Kinder im Jahr 1959 ihre Visionen von der Zukunft auf ein Blatt Papier kritzeln, in der Gegenwart wird die versiegelte Zeitkapsel mit den Zeichnungen endlich geöffnet. Eines der Blätter bekommt der kleine Caleb in die Hände gedrückt, darauf sind bizarre Zahlenkolonnen zu sehen, die zunächst keinen Sinn ergeben.

Nicolas Cage, der als Calebs verwitweter Astrophysiker-Vater seinen existentiellen Frust gerne mit Whiskey-Shots bekämpft, macht eine Entdeckung. Bei den Zahlen scheint es sich um Daten, Opferangaben und Koordinaten diverser Katastrophen zu handeln, die die Welt in den letzten Dekaden erschütterten.

Wer sind die schwarz gekleideten Männer, die Caleb verfolgen? Was ist mit den noch ausständigen Nummernkombinationen, die ein gigantisches Desaster ankündigen? Warum hat Nicolas Cage so eine seltsame Frisur und nur einen einzigen Blick parat, um seine Verzweiflung auszudrücken?

Während diese und andere Fragen in der Luft hängen, gelingt es Alex Proyas, eine Stimmung des schleichenden Schreckens aufzubauen, wie man sie aus angenehm altmodischen Schockern oder auch aus besseren "X-Files"- und "Lost"-Folgen kennt. Mit fortschreitender Laufzeit nimmt das Drehbuch aber absurde Wendungen, die eher für Stirnrunzeln und spöttisches Lachen sorgen.

Am Ende ist man etwas verstört über einen Blockbuster zwischen B-Movie-Trash und pseudoreligiösem Kitsch, aber auch irgendwie guter Dinge. Denn die Vorstellung von einem obskuren magischen Zahlencode, der the end of all things einleitet, ist trotz Milliarden von Toten faszinierend.

Wenn schon Apocalypse Now, dann in der Fantasy-Hollywood-Version. Meine desolaten Tagträume können mir dagegen gestohlen bleiben.

"Knowing"

Concorde