Erstellt am: 9. 4. 2009 - 17:16 Uhr
Munich Disco Machine
Die Leude wollen, dass was passiert: "Gomma is like a German DFA!" wusste der englische NME - Meinungsschwäche ist seine hervorragendste Eigenschaft bekanntlich nicht - schon vor ein paar Jahren die Superlative hochzupeitschen. Während die Herren James Murphy und Tim Goldsworthy in New York mit ihrem Label DFA an der Totalzerlegung der Musikstile in Gedenken an Post-Punk, No Wave, muskelzuckenden House und Mutant Disco schrauben und so locker zur sicheren Geschmacksinstanz zwischen Tanzboden und Feuilleton aufgestiegen sind, werden in München bei Gomma unter ganz ähnlichen Vorzeichen bislang noch ein bisschen kleinere Brezen gebacken. Was die Breitenwirksamkeit anbelangt, kaum die Qualität, und in punkto Starappeal.
Dort, in NYC: The Rapture(heute nicht mehr DFA), Hercules and Love Affair, LCD Soundsystem und, neben den vielen anderen kleinteiligen Beatjongleuren, demnächst in ganz Groß - remember where you heard it first - Holy Ghost!. Da, gleich um die Ecke, in good ol’ Bavaria: Der verschwitzte Discorock von Headman, die kosmische Rhythmusforschung des jungen Italieners Rodion, verspulte Popkapriziosen von Box Codax, dem Projekt von - das weiß ja kaum einer! - Franz-Ferdinand-Mann Nick McCarthy, die aktuell gottseidank und zu Recht auf allen Kanälen abgefeierte, dänische Partyfunk-Combo WhoMadeWho und, im Herzen von Gomma, Munk.

Kay Blaschke
Trendspotting
Seit gut zehn Jahren, ein paar Jährchen länger schon übrigens als DFA, betreiben Jonas Imbery und Mathias Modica von München aus das Label Gomma und sind dabei meist an der vordersten Vorderkante des Stylebewusstseins samt coolem Wissen zugange gewesen. Die Hipness und der Trend, der umgeht, darum geht es den beiden natürlich nicht, das muss schon von alleine kommen. Vielmehr geht es ihnen um: L.O.V.E. Zur Musik. Darum, das Zeug rauszuhauen, ausnahmsweise darf man dieses ewige Mantra der Credibility auch mal ein bisschen glauben, das ihnen selbst den meisten Spaß bringt.
Munk live und bei FM4
Vor dem Munk-Gig im Wiener Café Leopold wird Mathias Modica morgen abend bei La Boum de luxe vorbeischauen: Ab 22:15 gibt's rare, dreckige, weird-psychedelische Disco Kracher!
So haben sie mit ihrer 2001 erschienen Compilation Anti NY noch vor den englischen Großmeistern von Soul Jazz Records die ganze Punkfunk-Angelegenheit und No-Wave-Renaissance vorausgeahnt, für die Zusammenstellung Teutonik Disaster längst verschütt geglaubte deutsche Wave-Elektronik aus den 80ern zur Verschwendung unserer Jugend zusammengetragen und im Vorbeigehen den New Yorker Obskur-HipHopper und Allround-Künstler Rammellzee wieder ausgegraben. Und gemeinsam unter dem Projektnamen Munk als DJs, Musiker, Produzenten und Remixer am funky brodelnden Wurschtkessel gekocht.

Helene Giansil
Im Projekt Munk bündeln sich die vielen, vielen Duftmarken, die Gomma ausmachen, und was dabei am Ende rauskommt, ist zum Beispiel das Debütalbum Aperitivo, das 2004 schon eine bunte Stilvielfalt propagierte, an die man sich heute gewöhnt und im Falle vieler schlechterer Bands auch leidlich satt gehört hat: Amtlicher Kuhglockendancepunk mit drei Rufzeichen im Schlepptau, elektronisch-experimentelles Geknödel, Schabernack, House und vor allem Disco immer gut im Hinterkopf eingebrannt - und die Attitude nicht Schampushochglanz, sondern eher so punkmäßig voll kaputt, ey.
Jonas Imbery hat sich mittlerweile aus Munk zurückgezogen, werkt gleichwohl freilich nach wie vor im Labelbetrieb von Gomma und bastelt gerade an seinem nur folgerichtig Telonius benannten Soloprojekt, von dem noch dieses Jahr zu hören sein wird. Das sehr gute, im vergangenen Jahr erschienene Album von Munk, Cloudbuster, hat Mathias Modica so quasi im Alleingang mit Imbery an den Produktionsreglern und fallweiser Unterstützung von Kollegen eingespielt: Dem hysterischen Oktav-Bass Matty Safer von - we’re coming full circle - The Rapture, Outsider-Künstler Klaus Lemke und Regisseurin, Schauspielerin und Tochter Asia Argento.
We Have Band
Für die korrekte Live-Darbietung von Munk, die am Freitag im Café Leopold über Wien kommen wird, hat Modica jetzt eine - mit sich selbst - vierköpfige Band an real angreifbaren Instrumenten zusammengestellt. Gitarre, Bass, Schlagzeug, Keyboards, Gesang. Eine junge Frau, die vergangenes Jahr eine schöne Single mit dem ebenso schönen Titel "You Are Amen" veröffentlicht hat und sich selbst Pollyester nennt, an Bass und Gesang, Ben Mono aus dem Umfeld von Compost Records an der Gitarre und Jens Dohle, der sonst bei Jazztrompeter Nils Wülker die Drums streichelt, und Modica selbst formieren sich da zu einer Viererbande des Funk.

Steven Haberland
Wie das dann klingt, wenn Munk Disco in Echtzeit und von Menschenhand zusammenknüppeln, das hat Modica kürzlich in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung "Live Schwitzen" genannt. Für das psychedelische Krautrockgedaddel und die kosmischen Expeditionen, die auf Cloudbuster auch ihren Platz haben, wird wohl auch noch ein bisschen Zeit bleiben. Space ist the Place, Teil 328, Munk ist immer mit alles.