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Johannes Grenzfurthner

Von ästhetischen Vernarbungen und phänomenologischer Wollust.

10. 4. 2009 - 14:30

Ein neues Vorzeichen für die Raumfahrt

Yuri's Night im Schikaneder

Am 12. April 1961 umrundete der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch die Erde. Um dieses Ereignis zu würdigen, wurde die "Yuri's Night" ins Leben gerufen. Ein verteilte, internationale Feier. Die protzigste findet immer im NASA Ames Research Center in der kalifornischen Bay Area statt, aber auch in Wien bietet sich die Möglichkeit einem beschwingt-ehrfürchtigen Galaabend beizuwohnen und auf die menschliche Durchbrechung der Atmosphäre anzustoßen.
Und ich bin schon sehr darüber erfeut, dass ich durch die Show führen werde.

Yuri's Night

Schon seit ich denken kann bin ich -- und das ist für Burschen der späten 1970er Jahre und frühen 1980er Jahre geradezu klassisch -- von der Raumfahrt fasziniert. Als Carl Sagans Serie "Unser Kosmos" im Jahre 1983 erstmals auf ORF FS1 ausgestrahlt wurde (immer nach dem obligatorischen Katzen-und/oder-Fische-"In Kürze Unser Kosmos"-Wartebild), wurden die dreizehn Folgen akribisch von mir aufgezeichnet. Auf unserem legendären Sharp-Videorekorder, der mit manueller Knopf-Druck-Energie noch die schweren Kassetten auswarf. (Das ist aber eigentlich eine medienarchäologische Geschichte.)
"Unser Kosmos" war jedenfalls die erste Serie, die ich wie einen Schwamm in mich aufsog. Verschlungen vom achtjährige Grenzfurthner, der fast alle Folgen noch heute auswendig kann.

Raumfahrt war faszinierend, groß, gewagt.

1985 entwendete ich die väterliche VHS-Kamera und begann mit der Erstellung kleiner Epen, z.B. des Space-Shuttle-Hängt-Am-Schnürl-Zyklus, bei denen ich zwar meist alle physikalischen und grammatikalischen Regeln brach, aber ich bin noch immer von meiner techno-euphorischen Unschuld gerührt. Denn schon 1986 war ich einer der vielen, denen die Challenger-Katastrophe (kurz gefolgt von Tschernobyl) mit elf Jahren große Teile der modernistischen Zukunftsfreude mit dem brennenden Feuerschwert ausgetrieben hatte. Da war ich dann von schwebenden Mozartkugeln samt Zentralsparkassen-Logo-beflaggten Viehböck in der "Mir" zwar irgendwie erfreut aber immer mit dem bittersüßen Beigeschmack der Skepsis.

TASS, Glavkosmos

Es handelt sich um eine eigentümliche kognitive Dissonanz. Die Raumfahrt scheint für viele Menschen heutzutage als utopisches Menschheitsprojekt ausgedient zu haben, kommt vielleicht gerade im Zusammenhang mit Wettersatelliten oder Astra-Störungen vor. Dennoch fasziniert sie, auch jenseits der blanken ökonomischen Zahlenrealität. Es gibt gute Gründe ihre einst so gewaltige (und immer noch anhaltende) Faszination zu ergründen.

Als genuin neuzeitliches Phänomen hat sie Teil am Versprechen eines universellen wissenschaftlichen und technischen Fortschritts. Gehörten Berichte von Reisen zu anderen Welten vor der Neuzeit in den Bereich der literarischen Fiktion, so wird die Raumfahrt ab dem Beginn des 17. Jahrhunderts in ein potentiell menschlich machbares Projekt überführt. Da aber größtenteils eingesehen wird, dass der momentane Stand der Technik eine solche Reise nicht erlaubt, gerät sie zu einer langfrisitgen Aufgabe, die nur generationenübergreifend durchgeführt werden kann. Damit trägt sie bei zur Konstitution jener modernen Konzeption einer ForscherInnengemeinschaft, die sich den Fortschritt der jeweils vorigen Generation zunutze macht ohne ihn jedoch dogmatisch zu verteidigen. Das bedeutet eine Verantwortung sowohl gegenüber der Gegenwart als auch gegenüber der Zukunft: die neugewonnenen Erkenntnisse müssen öffentlich gemacht werden, und die Freiheit der Forschung muss gesichert bleiben, damit die anderen WissenschaftlerInnen auf den Ergebnissen ihrer KollegInnen aufbauen können.

NASA, public domain

Gleichzeitig findet eine Popularisierung der Idee der Raumfahrt statt, die sich die Aufklärer zunutze machten. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, vor allem das galileische Weltbild, wurden einer interessierten, aber nicht einschlägig gebildeten LeserInnenschaft zugänglich gemacht. Dieses Verfahren hatte auch eine moralische Stoßrichtung: es sollte eine Dezentrierung des Menschen und seiner Eitelkeit erreicht werden, indem sich die Imagination buchstäblich vom heimatlichen Erdboden löst. Diese Loslösung vom Erdboden verbindet die Raumfahrt auch mit einer im wahrsten Sinne des Wortes kosmopolitischen Haltung. Eine weltbürgerliche Tendenz, die dem Diskurs der Raumfahrt seit seinem Beginn in der Neuzeit inhärent ist.
Natürlich ist mir klar, dass sich gerade in der Geschichte der Raumfahrt die Identitätsbehauptung einer partikularen Differenz in seinen hässlichsten Seiten zeigt. Aber die befreienden Aspekte des Diskurses der Raumfahrt sollen nicht vergessen werden.

In dieser diskursiven Einbettung würde ich auch die "Yuri's Night" im Wiener Schikaneder sehen wollen.

RaumfahrtistInnen haben die Gelegenheit zwei neue und sehr exklusive Filme zu sehen, mehr über die weitreichende Bedeutung von Gagarins Erstflug für die Gesellschaft, die Politik und das Weltraumrecht zu erfahren und mit uns eine gute Party zu feiern.

In diesem Sinne. Nastrovje!

Detailinfos

12. April 2009 ab 18:00 Uhr
Schikaneder, Margaretenstraße 24 (Ecke Schikanedergasse), 1040 Wien

Beginnzeiten:
18:00 Uhr: "Die Wiederkehr des Mars" (Film)
19:00 Uhr: "Juri Gagarin und der Beginn der bemannten Raumfahrt" (Gala, Diskussion)
22:20 Uhr: "Im Schatten des Mondes" (Film)
Party: Beginn ca. 20 Uhr