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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

8. 4. 2009 - 19:26

Journal '09: 8.4.

About Schmidt. Zur gestrigen Keynote-Speech des Google-Chefs.

Der Name Schmidt ist, um da Irrtümern vorzubeugen, zwar deutschen Ursprungs, in den USA aber durchaus verbreitet. Ich darf nur an Rick von Schmidt, Shirley Schmidt, oder eben Nicholsons Filmfigur erinnern.

Eric Schmidt ist CEO bei Google, der Suchmaschine, die unseren Alltag neu vermessen hat. Er sieht aus wie eine listige Version von Bill Gates, und er hat gestern vor der Jahrestageung der NAA (das ist die Dachorganisation der US-Printmedien-Verleger) in San Diego über die Zukunft im Spannungsfeld von Print, Online, Content-Anbietern, und Aggregatoren-Plattformen gesprochen.
Es war nicht ganz so reißerisch aufwühlend, wie es die Medien-Nachrichten-Site turi2 ankündigt, aber doch mehr als interessant.

Vor allem auch weil es, und da möchte ich an den gestrigen Schluss-Absatz anschließen, etliche so eklatante Unterschiede zwischen dem Zugang, den man in den US pflegt, und der in Europa so wenig möglich ist, aufzeigt. Und wahrscheinlich aufgrund dieser kulturellen Unterschiede zur viel klareren Formulierung einfacher Lösungsansätze kommt, als es am alten Kontinent möglich wäre.

Also spricht Eric Schmidt, Chef von Google

Also, das ganze ist per Video auf der NAA-Website nachzusehen. Ich konnte es dort nicht öffnen und hab mir den Audio-Mitschnitt hier angehört - mir als Radiomenschen macht das ja nix, wenns ohne Bilder ist. Ich kann aber auch 55 Minuten lang Konzentration aufbringen für 35 Minuten Keynote-Speech und für 20 Minuten Question-Time - alte Schule eben.

Zunächst einmal bekennt sich Eric Schmidt, der die "old media" aus den Angeln gehoben hat, klar und ohne Hintersinn zur Bedeutung der US-Presse (die in den USA aufgrund der Abwesenheit von öffentlich rechtlichen Strukturen das Qualitätssegment fast alleine besetzt). Ohne Freedom of Speech wären wir nichts, sagt er. Und spricht seine Kritik dann indirekt aus: Hätten alle ihren Job, nämlich kritisch zu berichten, anstatt die neoliberale PR der Coorperations nachzuplappern, gemacht, hätte es die aktuelle Krise in dieser Form nicht gegeben - oder sie wäre zumindest deutlich früher erkannt worden.

Das ist trotzdem gut, weil die Veränderung (der seit Obama mit seinem Image verknüpfte Change) eben nur in der Rezession, in der Krise möglich ist.

Es geht also zuerst um die Interessen, um die Needs aller. Dann geht es, und damit steht Schmidt nicht alleine da, das ist im kollektiven Bewusstsein aller US-Bürger drin, darum, daraus Business zu machen.

Wenn das hierzulande einer sagt, dann wird er schief angeschaut - und das nicht nur, weil er dann in acht von zehn Fällen einen zu deutschen Gast-Akzent hat, sondern weil er (das Aufkommen der Sies ist in diesem Fall so marginal, dass ich's weglassen kann) die gerade erwähnte erste Stufe nicht mitgemacht bzw. allzu zynisch angelegt hat.

Gemeinwohl vs Geschäftsmodell

Da fehlt es den heimischen Proponenten grundlegend - sie sind nicht imstande, diese beiden großen Themen zusammenzudenken: Das Gemeinwohl einer Gesellschaft, die nur in ihrer Gesamtheit prosperieren kann und das satte Geschäftsmodell. Wer eine der beiden Positionen vernachlässigt, wird versagen. Im Big Business. In dem niemand gezwungen wird, mitzuspielen.
Bis auf Leute wie Schmidt und die NAA-Checker.
Und da das, was dort klappt und aufgeht, ein paar Monate später auch für alle anderen Weltgegenden gilt, ist es schlau, ihnen da zuzuhören.

Eric Schmidt, CEO Google

http://www.flickr.com/photos/haynes/13789909/

Eric Schmidt

Zunächst spricht Schmidt das aktuell größte Problem aller Medienbetreiber, die Zukunft der Finanzierung an. Denn sowohl bröselnde klassische Werbe-Erlöse als auch in neuen Bereichen verschwindende User/Seher bedrohen derzeit ja die Privat-Sender und die Verlage am meisten (auch hierzulande). Schmidt glaubt an eine flexible Dreier-Lösung: Über Werbung (die sich ändern wird müssen, Narrative entwicklen muss), über Bezahl-Modelle (Subskriptionen von Speziellem) und über Micro-Payment (also Mini-Gebühren).
Das ist insofern interessant, als da nicht nur die Ideologie der Mikro-Kredite dahintersteckt, sondern von Biz-Seite der vorher als so böse belegte Begriff der Gebühr wieder aufs Tapet kommt. Und es zeigt, dass Uli Hoeness nicht so naiv ist, wie er aussieht, wenn er so ein Modell erst unlängst für die deutsche Bundesliga angedacht hat.
Es ist ein harter Übergang, sagt Schmid, die Verhaltensweisen ändern sich schnell.

Wie kann Print, wie können Tageszeitungen überleben?

Schmidt sagt: Durch eine sinnvolle Co-Existenz zwischen klassischen Reports und User-Generated Content. Es war toll, loibt er die US-Print-Medien, wie schnell sie vor zehn Jahren online "embraced" haben, Reporter-Blogs einführten (etwas, womit heimische Printmedien heute noch Probleme haben). Nur sei danach kein zweiter Schritt mehr erfolgt. Newspapers müssten in Dimensionen eines Hyperlinks zu den Quellen denken. "Innovation occurs, you can't plan it, what you can do is: Build an architecture, where innovation is welcome."

Dafür könnt ich ihn ja abbusseln. Dass das endlich einer der Chefdenker offen anspricht und zugibt: Dass der Lese-Komfort im Web echt beschissen ist. Das ist nämlich eine der großen Selbstlügen der digitalen Welt - die so viel hochwertigere Handhabung von Text-Inhalten im Netz. Von wegen: Es ist um Ecken mühsamer (und das jetzt auch schon zehn Jahre ohne Entwicklung zum Besseren, wo sonst alles so schnell geht im Web) als in der simplen Haptik. Diese seichte, aber nicht totzukriegende Selbstlüge lebt übrigens von der Tatsache, dass ihre Verfechter selber nicht lesen, bzw. nie über Schlagzeilen und Lead hinauskommen - sehr verräterische Sache.
Dass sich endlich jemand der Verbesserung des Text-Formats im Web annimmt - extrem überfällig!

Derzeit sei das Web, die Online-Information eh noch einen Schritt hinter den Printmedien: Sie ist unpraktisch organisiert, langsam im Umblättern, schlecht formatiert, es sei unangenehm, drin zu lesen. Da müsse sich in den nächsten Jahren, rein technisch, rein vom Format vieles ändern. Sagt Schmidt, lobt den Kindle als nächsten Schritt und spricht deutlich das Mobile als zentralen Träger an.

This is the new world

The vast majority of information is produced user by user. This ist the new world. Findet euch damit ab, Verleger, sagt Schmidt, und macht was draus. Er würde, an ihrer Stelle, versuchen, zu verstehen, was der Online-Leser will und 10mal mehr und xfach besser Online anbieten. Denn dort kostet die Distribution weniger als im (zurückzufahrenden) Print-Bereich.

Warum, sagt Schmidt, weiß das Medium nicht, was der Leser gestern gelesen hat? Wie schaffe ich Mood-Mapping? Wie kann ich das neu erworbene Facebook-Wissen, dass das Konsumverhalten unserer Freunde unseres so dominiert, nützen?

Und wie, fragt er, wie machen wir mehr Geld mit weniger Angebot? Denn die Angebotsdichte ist, weltweit, zu hoch, zu unübersichtlich. Wir müssen, sagt er und meint damit sich, Google und seine Branche und die Medien-Riesen, das, was die User wollen, umarmen, gemeinsam.

Right, sagt der Mann, der die 2. Frage stellt, aber wie geht das in einer neuen Twitter-Welt, in der das Publikum darauf konditioniert ist, dass die Headline und Extract eh genug sind. Gute Frage, sagt Schmidt. Betrifft auch uns, obwohl wir kein Content-Produzent sind - aber als Zwischenhändler fungieren. Dass die Summaries der Ausgangspunkt sind, daran sind nicht Twitter oder Google schuld, das funktioniert bei Radio-Nachrichten doch genauso, und immer schon, oder? Es hat keinen Sinn, sagt Schmidt, und ist damit wieder voll in seinen beiden ersten, so USamerikanisch-patriotisch-bizmäßig klingenden Basis-Punkten, wenn wir den Konsumenten kritisieren: Wir lieben sie, auch wenn wir nicht mögen, was sie tun. Wir müssen probieren, sie zum nächsten Schritt zu bringen: Wenn du mehr wissen willst, click on.

Britney lebt

Wenn man es schafft, das Ganze zu personalisieren, dann ist es ein gutes Zukunftsmodell, ein gutes Geschäftsmodell. Und die einzige Lösung, die Schmidt sieht. Wir werden die Faszination für Britney Spears nicht verändern, sagt er, und meint Britney Spears als Synonym für Öberfläche.
Und kriegt seine Lacher dafür.
Weil das eben Amerika ausmacht, einen Riesenmarkt für alles, einen nicht leerzufischenden Ozean, und den Willen, ihn zum Zwecke des Business zu befahren.

Und um den zu Beginn angesprochenen Kulturunterschied wieder aufzunehmen: Die mittlerweile per Echtzeit (und über die Bedeutung von Realtime hatte Schmidt auch durchaus was zu sagen, aber das würde jetzt zu weit führen) vernetzte Welt ist noch größer, als die USA allein.
Es geht also was, für alle.