Erstellt am: 7. 4. 2009 - 19:43 Uhr
Journal '09: 7.4.
Ich habe am Sonntag (hier im Fußball-Journal 24) einen unglaublich schlimmen Fehler gemacht.
Ich habe mich darüber empört, dass es in Österreich tatsächlich möglich ist, dass "der Boulevard den ruhmsüchtigen Club-Verantwortlichen die Trainer nominiert", also, dass der freierfindende Campaigning-Journalismus nicht nur die Themensetzung manipuliert, sondern auch noch das Personal bestimmt. Auch, weil der dadurch entstehende Kreislauf der Abhängigkeit zwischen (vom Medium inthronisierten) Akteur und Berichterstattung ganz schnell den Grad der Unerträglichkeit erreicht hat.
Diese meine Anmerkung war, das wurde mir im Laufe des Montags klar, unüberlegt und dumm.
Denn: wieso soll für den großteils der Sparte Unterhaltung zuzurechnende Sport denn das päpstlicher sein als der Papst, sprich: wieso soll es da strengere Regeln geben als beim diesbezüglich Wichtigsten, den Repräsentanten der Republik, den Coaches der österreichischen Demokratie?
Auch dort haben die Boulevard-Medien das Vorschlagsrecht, auch hier wird fleißig kooperiert, mit Insider-Informationen gehandelt, auch hier werden Zuneigungs-Bekundungen an Zusammenarbeit gekoppelt, auch hier gilt der Eingriff des Kampagnen-Journalismus in das Objekt der Berichterstattung. Es passiert nicht so plump wie im durch seine traditionelle Plumpheit bereits massiv ausgehöhlten Sportjournalismus, wo man via Kolumnisten-Vertrag Unvereinbares standardisiert - der Einfluss ist aber ebenso direkt.
Unser Mann in Prag!

blumenau
Das war Montag besondern schön an den Covers der entsprechenden Printmedien zu sehen. Kurier, Standard und SN coverten mit Obamas Vision von der atomfreien Welt, die Presse mäkelte dabei noch gschwind Nordkorea an - bebildert war großteils der Popstar-Auftritt der Obamas in Prag.
Die Krone hatte Obamas Pro-Türkei-Sager als Headline. Das (wie immer nicht dazugehörige) Titelbild ließ neben dem leicht zu erkennenden Obama einen Herrn lächeln, den man (ob der fehlleitenden Schlagzeile) zuerst als türkischen Verantwortlichen identifizieren hätte könne, ehe der zweite Blick klarmachte - es ist der Kanzler, derdurch sein breites "Ich bin mit dem Obama voll auf einem gemeinsamen Bild drauf, juhu!!!!"-Lachen ein wenig mumpsig aussieht.
Nun sagt der Kanzler zum Chef der Krone bekanntlich Onkel. Die Chefin der Gratis-Zeitung Heute sagt Schwiegerpapa! und auch dort leuchtet der Faymann neben dem Obama (Schlagzeile ist ein "Die Kinder von heute, urvollarge Tyrannen!"-Weiterzieher).
Der Vollständigkeit halber: der Standard hatte das Strahlefoto auch auf der Titelseite, aber klein und unter dem Bug.
Der Chefmann bei Österreich sagt Du, Werner! zum Kanzler und deshalb ist unterhalb der kleineren "Ambros betrunken"-Schlagzeile (Welche Neuigkeit, welcher Newswert, welch unerwartetes Ereignis!) ein großes "Faymann: So erlebte ich Barack Obama" zu lesen - mit demselben Strahler-Bild wie bei Krone/Heute.
Dichand vs. Fellner

blumenau
Nun hat sowohl das Haus Dichand als auch das Haus Fellner früh auf Faymann gesetzt (erstere unter offener Demütigung der widerständigen Außenministerin, letztere mitsamt Anpatzerei der Emo-Tochter des Vorgängers) - und fühlen sich jetzt auch als Wahlsieger (was zb bei der nachträglichen Dörfler-Anhimmlung durch WoFe - die direkt am Tag nach seinem Wahlsieg begann - nicht so elegant klappte); sie legen das als Verpflichtung aus, sich auch weiterhin in den Dienst des siegreichen Schlachtenlenkers zu stellen.
Die Krone macht das mit immer neuen Zwickzwackereien und Sticheleien. Das mit der Türkei in der Schlagzeile ist eine kleine Gemeinheit: denn die Krone will die Türken nicht in der EU, und der Kanzler sagt das ja auch. Nun hat aber der Obama am Rand der NATO-Tagung etwas gedealt mit der Türkei, was deren Position durchaus gestärkt hat.
Das findet die Krone nicht so gut, weshalb sie dem Kanzler das per Schlagzeile ausrichten lässt - noch dazu direkt über seinem Bild, dem Bild seines Lebens womöglich, das gemeinsame Bild mit dem politischen Heilsbringer.
Verlautbarungs-Journalismus
Während sich andere Medien altmodisch mit dem auseinandersetzen was passiert ist in Prag, im Zusammenhang mit dem Rasmussen-Deal, wird das in der Krone im Grundton des Vorwurfs publiziert: Seite 2 oben - Obama drängt auf Türkei.-Beitritt, Seite 2 unten - Faymann bekräftigt Skepsis. Fazit: Unser Mann in Prag wird das schon machen.

blumenau
Das Gespräch dazu hat das Schwiegertochter-Blatt (das sich dafür kaum mit dem Geschehenen nicht belastet). Wobei, Gespräch... man fragt Einschätzungen ab, lässt Faymann sagen, wie er's denn gern hätte.
Das alles hat noch den Odem von unintendierter Berichterstattung - auch wenn die Stoßrichtung klar ist, auch wenn der Subtext die deutlichen Wünsche der Verlagsleitung nicht geheim hält. Schließlich meint man damit ja auch die Meinung der Leser zu vertreten - und hat womöglich sogar recht. Insofern erfüllt diese Art des Journalismus durchaus seinen Zweck: Verlautbarungen eines Vereins-Blattes, in dem die internen Ansichten ja allen Beteiligten, bis zum sich damit einverstanden erklärendem Leser sehr deutlich sind.
Einen Schritt weiter geht das Fellner-Imperium, das sich im Faymann ist unser Mann-Duell der Giganten ja ungern mit Rang 2 zufrieden gibt: deshalb wird hier nicht ausgerichtet oder interviewt, es wird 'embedded' berichtet, nein, besser, der Kanzler berichtet aus erster Hand.
"So erlebte ich Obama!"
Was er gegessen hat. Ob es nach Österreich kommen wird. Wie er wirkt, wie intensiv, wie wichtig er ist. Wie sicher er die Welt macht und vieles anderes mehr. Vom Österreich-Korrespondenten Faymann. Toll.
Das Türkei-Thema kommt am Ende vor. Wie ist Ihre Meinung dazu, fragt Österreich, wie so oft hart, kritisch und scharf, und Faymann sagt, dass er bei seiner skeptischen Haltung bleibt. 100 % Info-Wert und alles aus allererstem Mund!

blumenau
Hans Krankl, Fellners Mann in der Bundesliga, der Fußball-Kanzler der Herzen, hat versprochen in seinen Kommentaren nicht über seinen aktuellen Verein, den LASK zu sprechen, sehr wohl aber über die Champions League und andere Themen.
Faymann dürfte einen ähnlichen Vertrag haben: nix über seinen Verein, die SPÖ, aber alles, bis runter zum Menuplan, aus seiner Champions League.
Es war also extrem dumm von mir anzunehmen, dass der Boulevard kein Recht haben würde seine Vertreter nominieren, durchsetzen und dann auch kräftig unterrstützen zu dürfen. In der Demokratie österreichischer Prägung haben sie scheinbar sogar die Pflicht das zu tun. Schließlich gewinnen sie damit die Auflagen-Abstimmung, Tag für Tag.
PS:
Damit das nicht so aussieht, als wäre derlei ein rein österreichisches Phänomen: ich hab gestern ein paar "Saturday Nite Live"-Folgen aus 07/08 gesehen, just um die Zeit als der demokratische Vorwahlkampf zuerst Hillary, dann Obama als Sieger ausspuckte. Die beinhart-bösartigen Parodien der journalistischen Meinungsmache, die den jeweiligen Liebkindern der Medien (zuerst Clinton, dann Barack) bereitswillig Gunst zufächerten, schrien zum Himmel.
Der gravierende Unterschied ist der, das sich die US-Medien, auch der Boulevard, nach den Wahlen ihrer Aufgabe als Kontroll-Instanz bewusst sind, und sich nicht mit ins Bett legen, wie das eben anderswo viel schamloser passiert.