Erstellt am: 6. 4. 2009 - 18:01 Uhr
Journal '09: 6.4.

radio fm4
Anmerkungen zur Fast-Cover-Story im aktuellen Profil (15/09) zum Thema Generation Angst
Oft sind sie ja zum Lachen und Schenkelklopfen, die alljährlichen und zutiefst bemühten Illustrierten-Geschichten zum Thema "Jugend aktuell", die mit gaghaften Abbildungen neuer Jugendkulturen, ein paar alten Klischees und dem gönnerhaften Abwatschen durch die Distinktions-Filter, die das jeweilige Medium sich (oder, schlimmer, seiner Leserschaft) aufsetzt, billiges Kapital schlagen.
Bevor jetzt wieder einige aufkreischen: der Falter erscheint zwar auch wöchentlich, ist aber kein Magazin im klassischen Sinn.
Warum das diesmal, bei der bitteren, ungeschönten Analyse im aktuellen Profil nicht so ist, lässt sich nicht nur damit erklären, dass das einzig relevante Wochen-Magazin Österreichs sich zuletzt wieder zunehmend seiner Primär-Aufgabe zuwendet, der Investigation und der Beschäftigung mit dem Rest politischer Substanz, den das Land noch hergibt. Es hat auch was mit einer endlich (eh schon fast zu spät erfolgten) kollektiven Einsicht zu tun, die die Gegebenheiten zwischen den Entscheidungsträgern und den natürlich Nachdrängenden nicht mehr wegdrängt, sondern anspricht.
Die mit Studien, Erfahrungswerten und Experten vollgestopfte Expertise des Profil bewegt sich mitten im Kampfgebiet, vor allem im Spannungsfeld zwischen zwei Aussagen.
Aussage 1 kommt vom Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier und lautet: "Die Jugend ist nicht diskursorientiert".
Die andere kommt von einem 16jährigen AHS-Schüler namens Christoph Wadowski und lautet: "Die Schüler wollen halt Sachen, die einfach zu erklären und gleichzeitig schockierend sind."
Der eine erklärt mit seinem Satz den Einbruch von kritischen Bewegungen, zb den der Grünen, der andere spricht das Oberflächenwissen seiner Mitschüler bei Reiz-Themen an. Und führt mit seiner knappen und gut beobachteten Aussage bereits einen Diskurs (was aber keinen Widersprich zur Aussage 1 darstellt)
"Die Jugend ist nicht diskursorientiert".
Klar.
Aber: ist das bei den ehemaligen Jugendlichen, den Erwachseneren, den Gesettelten und den wirklich Alten anders?
Wo war denn jemals jemand diskursorientiert in Nachkriegs-Österreich? Meint man da die hierzulande praktisch inexistente, zahlenmäßig lachhafte sogenannte 68er-Generation?
Was seit Jahren überschätzt wird, ist das kritische Potential, die Anzahl derer, die Bewegung wollen und anstreben, die Anzahl derer, die sich auseinandersetzen und das Handeln, das Tun, dem Genörgel vorziehen.
Das ist dem 68er-Irrtum geschuldet.
Da hat das strukturkonservative Establishment seit Jahren einen fiktiven Popanz aufgebaut, hat die in den 70ern Rebellischen (die hauptsächlich einer Umwelt- und Friedensbewegung entstammten) zu etwas hochgerechnet, was sie nie waren: eine Mehrheit innerhalb der Jugend. Und zwar aus einem einfachen Grund: um einen äußeren Feind, als machtlosen Sündenbock zu haben; sowas ist immer praktisch, egal ob für Mainstream-Medien oder Mainstream-Politik.
Nur war "die Jugend" immer ein 1zu1-Abbild der gesamten Gesellschaft: und ist und war zu 90% reiner, glatter Mainstream.
Die medial grell abgebildeten Jugendkulturen waren immer absolutes Minderheiten-Programm. Wenn etwas in den Massenmarkt crossoverte, sich dann jedermann gefahrlos damit schmücken konnte, war die Bewegung längst ihres Diskurses beraubt worden.
"Einfach zu erklären und gleichzeitig schockierend."
Das ist ein Angebot, das sich an den Mainstream richtet; auch an den jugendlichen Mainstream.
Das ist ein Angebot, das die Rechtspopulisten perfekt ausgereizt haben; eines, das die etablierten Parteien nicht so recht draufhalten, weil sie ihre Follower eher nach alten, autoritären Prinzipien strukturieren; eines, das die Grünen nicht legen können, weil sie anders sozialisiert sind.
Und nicht einmal die, die die billige Machart dieses Schmähs durchschauen, die also diskursfähig sind (wie der zitierte 16jährige AHSler, vielleicht sogar ohne dass er's weiß), haben dieser Tage Interesse an einer konstruktiven Mitarbeit am Prozess "Gesellschafts-Modell Österreich".
Das hängt wiederum damit zusammen, dass die älteren, prädigital sozialisierten Generationen ihnen die Plätze zustellen und - angesichts einer gefühlt eh schon seit einem Jahrzehnt dauernden, jetzt aber erst wirklich ausgebrochenen Krise der gesamten Weltordnung - sie auch keine Möglichkeiten sehen, sich irgendwann aus der prekären Situation, was Arbeit oder Lebensqualität betrifft, befreien zu können.
Die Generation Angst
bunkert sich ein, sieht sich als Opfer der Umstände, frustet sich in eine Abwärtsspirale, sieht sich unter einer gläsernen Decke gefangen - und das alles wohl auch zurecht.
Das gilt für die Natives ebenso wie für die Migrations-Kids - beide laufen den Rechtspopulisten, die längst die Disco-Hoheit im Land haben, hinterher.
Dass die Tabus, die für alle Älteren mitschwingen, den Jungen wurscht sind, wird aus dem Schüssel-Sündenfall erklärt: für die aktuell Jungen ist die FPÖ eine ehemalige Regierungs-Partei, also vollständig legitimiert. Mit den ewigen Paintball-Anwürfen langweilt man sie - im übrigen genauso zurecht.
In einem Zeitalter, das Wahrnehmungen prinzipiell im Grundton des Vorwurfs ausstellt, ist die einfache Erklärung samt gutem Effekt die wichtigste Kommunikations-Strategie.
Die Angst basiert auf der schwachen visionären Projektionsfähigkeit hiesiger Themenführer. Die Jungen gehen (völlig zurecht) davon aus, dass ihre Bildung und Ausbildung niemandem wirklich wichtig ist, sie gehen (völlig zurecht) davon aus, dass ihr Platz am Arbeitsmarkt bloße Manövriermasse im Interessens-Kampf der politischen Bewegungen und der ökonomischen Machinationen sind.
Ihr werdet um eure Zukunft betrogen!
Da passt jetzt wieder der schon einmal verlinkte Exkurs von Dietmar Dath zum Thema deutsche Revolution.
das ist die Botschaft, die Populisten jetzt unterschwellig streuen, sagt Klaus Hurrelmann von der deutschen Shell-Studie. In Deutschland mag man da auf sowas wie revolutionäres Potential hoffen, in Österreich saugt das der rechte Rand auf, indem er ein hierzulande eigentlich nur vages, gefühltes Xenophobie-Problem zu etwas Großem aufpimpt.
Näher am hiesigen Mann steht da der Österreicher Heinzelmaier.
Der spricht von der Furcht, den Lebensstandard der Eltern nicht mehr halten zu können (das wäre der erste Turnaround seit langer Zeit, etwas seit 1945 Unvorstellbares) und einem (dem selbstverständlicheren Umgang mit den neuen Medien geschuldeten) zunehmend loserem Beziehungsgeflecht, aber auch dem Gefühl überhöhter Reglementierung und Kontrolle (was ich für ein Kriterium der Älteren halte - die Jungen sind mit dieser neuen Welt bereits aufgewachsen).
Und er spricht auch ein Paradox an, das viele Junge plagt: dass sie einerseits auf der Suche nach dem schnellen, lösungesorientieren Ansätzen sind (weshalb ihnen Nachdenken, Diskurs etc. nichts wert scheinen), aber andererseits sich einer ständigen "Selbstinspektion", also einem immerwährenden Check unterziehen, ob schon was weitergegangen ist.
Das ist ein Lebensprinzip, das in sich zum Scheitern verurteilt ist und nicht nur frustriert macht, sondern auch Sündenbock-Ideologie-anfällig ist.
Was heißt das?
Ist es angesichts dieser nicht neuen, aber hier und jetzt schön gebündelten Wahrheiten nötig sich - vor allem als Medium, das Junge ansprechen soll - drauf ein- oder gar alles umzustellen?
Ja und nein.
Umfassende "Jugendmedien" gibt es nicht.
Österreichs größte Jugendmedien sind die Kronen-Zeitung und Ö3, weil die die weitaus meisten jungen Leser und Hörer haben (die Schauer sind wohl bereits mehrheitlich im Netz daheim).
Die Jugendkulturmedien des alternativen Bereichs haben immer die maximal 10% Erreichbaren angesprochen, die sich eben nicht schon als Junge im Mainstream aufhalten (später bröselt die Prozentzahl dann auf etwa fünf zusammen). Und für diese Gruppe der Interessierten gilt all das, was die enstprechenden Studien und Expertisen sagen, ebenso nur zu 10%, also kaum.
Die sind diskursinteressiert und geben sich nicht mit der erstbesten einfachen Lösung zufrieden.
Dafür bleibt dann der hektische Dauer-Selbstcheck aus, was weniger Verzweiflung und weniger Angst bringt.
Man ist halt in einer Minderheiten-Position, und wird dann (zurecht) nicht ernstgenommen, wenn man sich und seinesgleichen zu etwas allgemeingültigem hochrechnet - was oft genug passiert.
Jugendmedien?
Das allerdings ist wohl allen Jugendkulturmedien bewusst und eher ein Problem der Zuschreiber, die immer noch "Jugend" (einen reinen Altersquerschnittsbegriff) und "Jugendkultur" (kulturelle Äußerung mit Innovations/Veränderungs/Abgrenzungs-Anspruch) durcheinanderbringen.
Den Jungen selber passiert das kaum: der junge Mainstream interessiert sich zwar nicht für den Jugendkulturbereich in seiner Umgebung, kennt ihn aber. Nur ein Teil der Alten wirbelt das durcheinander, weil er in verklärten Erinnerungen "jung-sein" automatisch mit "rebellisch-sein" gleichsetzt. Ein tragisches Trugbild der Verdrängung des Banalen.
Und nicht die beste Vorraussetzung um die immer deutlicher zutagetretende Barriere zwischen den Generationen zu überwinden.