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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

5. 4. 2009 - 23:37

Fußball-Journal '09-24.

Taktische Zufälle.

Anmerkungen zu durch Zufall interessanten taktischen Varianten in der 28. Bundesliga-Runde, unter besonderer Berücksichtigung des LASK-Debüts von Hans Krankl.

Noch ein Nachsatz zu den Trainingslagern von Nationalteam und U21 letzte Woche: da gab es am Wochenende bizarre Kommentare von Vereins-Verantwortlichen; dass nämlich Spieler (und nicht die schlechtesten, sondern die Teamspieler) da vom Trainings-Umfang ein wenig erschöpft zurückgekehrt wären. Vor allem Roger Spry bei der U21 sei ein großes Programm gefahren.
Diese Aussagen hatten einen Tonfall des Vorwurfs; von wegen: zuviel gemacht, zu intensiv gearbeitet.
Dass das daran liegen könnte, dass bei den Vereinen zuwenig gemacht wurde, darauf kommt der gelernte heimische Bundesligist nicht.

Aber jetzt zu etwas, was zumindest bei Constantini (Herzogs U21 gehört da ja deutlich ausgenommen) auch als mäßig wichtig angesehen wird: der Taktik, dem System, mit dem man so ins Spiel geht.

Testfall 1: Krankl-Hans

Der neue LASK-Coach, Neo-Feuerwehrmann Krankl, hatte in der Vorbereitung was probiert. Was recht G'scheites sogar. Er ließ die Mannschaft, der ein Überangebot bei zentralen Mittelfeldspielern hat, in einem 4-3-3 auflaufen: mit drei Aufbauern, ganz ohne Außenspieler im Mittelfeld, und nur drei ausdrücklich Offensiven vorne. Eine Idee, die sich an Weltmeister Italien (und dessen Gattuso-Pirlo-de Rossi-Mittelfeld orientiert).

Die Problemzone dabei ist klar: bei so einem System müssen die Außenverteidiger nach vorne wirbeln; und da hat der LASK niemanden (es sein denn man riskiert was, mit Klein oder einem der Jungen).

Das war aber nicht der Grund, warum Krankl dann im ersten Bewerbsspiel wieder auf die altbackene 4-4-2-Variante zurückgriff (denn er hält ja Gansterer und Wisio für gute Vertreter) - es war die pure Vorsicht.

Und so kam es wie es kommt, wenn das österreichische Einheitssystem lasch vor sich hinspielt, egal ob bei Zellhofer, Daxbacher, Constantini oder Krankl: zwei Ketten, ein Mittelfeld mit zwei 6ern, ein riesenhaftes Loch in der Offensiv-Zentrale und 60-Meter-Flugbälle aus der Abwehr als einziges Mittel.

Damit stand der neue Krankl-LASK dem alten Lindenberger-LASK um nichts nach, und 60 Minuten lang völlig neben den Schuhen. Da nutzte auch die Umstellung auf ein 3-4-3 nix, weil auch da dasselbe zaghafte Mittelfeld dasselbe Loch vor sich hertrug.
Erst eine nicht strategisch bedachte, sondern aus der schieren Verzweiflung geborene neuerliche Umstellung auf ein 3-3-4 brachte (eher zufällig) den gewünschten Effekt mit dem 34-Mittelfeld, schloss die Löcher und setzte den Gegner so unter Druck, dass man ein 0:2 noch zu einem 2:2 umdrehen konnte.

Ich wette, dass die auf dem Tisch liegenden Erkenntnis (dass es die Mittelfeld-Kette nicht kann) brach bleiben werden, dass der Krankl-LASK nicht lernt den Zufall zu zähmen, ihn sich durch vorgeordnetes Denken schon vor dem Spiel zunutze zu machen, sondern auch das nächstemal nur auf einen weiteren Zufall gehofft wird.

Testfall 2: Pacult-Peter

Erst der Ausfall des 3. Stürmers in der 8. Minute brachte den Rapid-Trainer auf die Möglichkeit sein rechtslahmes, linkslastiges 4-4-2 in Unausrechenbarkeit zu ändern. Es war Rapids Glück. Gegner Schinkels hatte Kärnten wie schon im ersten Saisonspiel perfekt auf die wenig überraschend auflaufenden Rapidler eingestellt.
Erst der Zufall von Gartlers frühem Ausfall führte dann zu einem 4-5-1, mit Kavlak in der Rolle eines vorderen zentralen Mittelfeldspielers, mit dem die Kärnter dann gar nicht zurechtkamen - ein Zufall, ein ungeplanter, aus der Not geborener.

Ich wette, dass Rapid daraus so gut wie nichts mitnehmen wird, dass ebenso wie beim LASK nicht die Spieler so eingesetzt werden, wie sie am besten spielen, sondern man sich einer auch weiterhin ausrechenbaren Taktik bedienen wird. Ausrechenbar für wirklich gute (also internationale) Gegner - oder Liga-Gegner mit Köpfchen. Solange es für vordere Ränge reicht, wird keiner auf die Idee kommen, mehr zu verlangen (stattdessen über ein "Zuviel!" - ähnlich wie im Beispiel des ersten Absatzes jammern); geschweige denn sowas wie "Kommunikation" einzufordern. Dass nämlich der Coach nicht mit den Spielern redet wird bei Rapid (anders als noch vor Monaten, als dies heftig bestritten wurde) nicht mehr geleugnet, sondern als Benefit, als extra-Schmäh verkauft.
Marketingtechnisch ist das durchaus gelungen, Respekt.

Testfall 3: Schinkels-Frenk

Der war arm dran, hatte ein perfekt auf einen statischen Gegner abgestimmtes System, und dann wurde das von einem Zufall zerstört. Schinkels stellte daraufhin nicht um, sondern ordnete noch striktere Manndeckung an. Nun ist die ein eigentlich seit den Zeiten von Katsche Schwarzenbeck totgeglaubter Graus, aber heiligt als Zweck dann die Mittel, wenn es klappt. Wenn es nicht klappt, und wie das geht zeigte Pusztai heute vor, dann geht damit alles verloren. Durch einen Zufall, auf den er nicht reagiert.

Testfall 4: Daxbacher-Karl

Frage: wie soll Daxbacher seine nächstjährige Neuerwerbung Zlatko Junuzovic sinnvoll unterbringen, wenn er - wie Constantini, wie Krankl, wie die vielen anderen - ein System ohne kreatives Mittelfeld spielt, sondern auf den 50-Meter-Pass quer über eine verwaiste Steppe vertraut; wie z.B. gestern gegen Salzburg? Will er ihn auf der Seite verstecken, dort wo Österreichs Trainer-Mittelmaß, das sich für eine Elite hält, seit Jahren kreative Talente verschleißt? Muss Juno hinter Acimovic Dreckarbeit machen? Oder wird Daxbacher extra für Sladi umstellen, auf ein ein bisserl mutigeres System mit nur einem 6er?
Und wenn ja: Wer soll glauben, dass das nicht nach zwei Niederlagen wieder zugunsten eines öden Beton-Konzepts zurückgenommen wird?

Testfall 5: Adriaanse-Jacobus

Ich geb zu: Mir geht der gute Co nach nicht ganz einem Jahr schon ordentlich auf den Keks. Er ist launisch, schnippisch, schielt dauernd nach besseren Angeboten, erledigt den Job als wär er ihm wurscht oder lästig. Ich würd ihn echt gern öfter eintunken, inhaltlich.
Bloß: Es geht nicht. Er ist der Einäugige in einer von Blinden gesäumten Szenerie. Er überlegt sich für jedes einzelne depperte Spiel was Neues, was dem Gegner, der Lage, den Umständen angepasstes. Adriaanse macht seine Hausaufgaben, immer, weil er eines weiß: der Zufall ist nicht sein Freund.

Wer nämlich das glaubt, der ist schon g'fickt.

Nur macht das in Österreich, dem Land, in dem der Boulevard den ruhmsüchtigen Club-Verantwortlichen die Trainer nominiert (und dabei aushandelt, dass sie weiterhin Kolumnisten sein dürfen), rein gar nichts. Da kehrt ein als Trainer brachial gescheiterter Möchtegern zurück in die Funktionärs-Riege und entlässt gleich den nächsten Sportdirektor.

Womöglich pfeift auch das den mühsamen Co an, dieses Umfeld, dieses Klima.
Ich würds verstehen.
Da stellt er der Austria eine völlig unausrechenbare Offensiv-Reihe hinter seiner einzigen Spitze entgegen, und es steht 2:0 noch ehe der Gegner überhaupt kapiert hat, wer da warum wie auf welcher Position spielt.
Das ist die Ausschaltung des Zufalls.
Das ist der Einsatz von Taktik, eines Systems.

Alles andere ist nur die Simulation von Fußball.
Alles andere ist nur Österreich.