Erstellt am: 5. 4. 2009 - 14:40 Uhr
Die Berliner Freundlichkeitsoffensive

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Die Deutschen gelten ja allgemein als nicht besonders freundlich, aber die garstigsten unhöflichsten Menschen innerhalb Deutschlands findet man in Berlin. Beim Einkauf wird man mit einem "Wat wollense?" angebellt, Auskünfte werden nur widerwillig gegeben, und es herrscht ein rüder Umgangston.
Das aber kann man sich hier in Zeiten der Krise nicht mehr leisten, Berlin hat Schulden, kaum Industrie und lebt vom Tourismus, und nun im Jubiläumsjahr des Mauerfalls, will man die Besucher nicht durch unfreundliche Einheimische vergraulen.

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Es gibt zwar kaum gebürtige BerlinerInnen, aber die, die es gibt, hocken dann da, wo es richtig weh tut - bei der Polizei, im Taxi, bei den Verkehrsbetrieben. Deshalb sind diese problematischen Berufsgruppen, die oft auf den Touristen stoßen, Zielpunkt einer Freundlichkeitsoffensive. Im März wurde die neue Imagekampagne "Aktion Schnauze mit Herz" vorgestellt. Dabei werden, auf streng freiwilliger Basis, so genannte "Gute-Laune-Botschafter" auf Berlins Straßen eingesetzt, vor allem dort, wo mit erhöhtem Touristenaufkommen zu rechnen ist.
An diese Botschafter hat man Flyer mit Freundlichkeitstipps, T-Shirts und Aufkleber mit "lustigen" Slogans verteilt. "Samma, seh ick aus wie ne Infosäule?", "Ham wa nich, der nächste!" und "Wat kiekste so Fatzke?"
Mit diesen Sprüchen, die wohl selbstironischen Umgang mit der eigenen Unfreundlichkeit zeigen sollen, wird für mehr Freundlichkeit Gästen gegenüber geworben. Eine seltsame Maßnahme, aber in sich logisch. Denn auf seine Grobheit im Umgang ist der Berliner auch noch stolz, er hält sich für humorvoll und gewitzt - "Schnauze mit Herz" eben. Leider trifft man im Berliner Alltag weit öfter auf die Schnauze ohne Herz.

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Das Schlimme ist: Man passt sich an. Wer in Berlin allzu freundlich ist, der kommt nicht weit, der wird verächtlich gemacht und bestenfalls ignoriert. Tritt man aber auch schlecht gelaunt auf, wird man zumindest respektiert.
Aber immerhin ging es schon dem Geheimrat Goethe so, nach einem Berlinbesuch 1778 schrieb er: "Es lebt aber dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, dass man mit der Delikatesse nicht weit reicht, sondern dass man Haare auf den Zähnen haben und mitunter etwas grob sein muss, um sich über Wasser zu halten."