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Christian Fuchs

Twilight Zone: Film- und Musiknotizen aus den eher schummrigen Gebieten des
Pop.

3. 4. 2009 - 13:36

Die Götter müssen verrückt sein

Mit der Doku-Satire "Religulous" will der US-Komödiant Bill Maher die Absurditäten der Religion bloßstellen. Eine gute Gelegenheit, eigene Standpunkte zu hinterfragen.

Das Timing könnte nicht besser gewählt sein. Passend zum bevorstehenden Osterfest kommt ein Film in unsere Kinos, der die gläubigen Gemüter im Entstehungsland USA bereits ordentlich erhitzte.

"Religulous" heißt die satirische Doku, hinter der zwei Größen des amerikanischen Comedybusiness stehen. Zum einen der Regisseur Larry Charles, dem die Welt bitterböse TV-Serien-Streiche wie "Curb Your Enthusiasm", aber auch den diabolischen "Borat"-Kinofilm verdankt. Ein Streifen, in dem mit Hilfe perfider Schmähs etliche Dummheiten der US-Gesellschaft köstlich bloßgestellt wurden.

Auf der anderen Seite ist da der Mann, der bei "Religulous" vor der Kamera steht und mit dem der Film steht und fällt: Bill Maher. Bei uns weitgehend unbekannt, kennen ihn Millionen US-Haushalte wegen seiner berüchtigten Talkshow "Politically Incorrect", die er jahrelang moderierte.

Politisch unkorrekt heißt im Fall von Maher aber nicht verstaubte reaktionäre Werte unter einem provokativen Mäntelchen hochleben zu lassen. Sondern schlicht frech, mutig, bissig zu sein, tabuisierte Themen auch respektlos anzugreifen. Man muss sich Bill Maher als den amerikanischen Harald Schmidt vorstellen. Ebenso grauhaarig, eloquent und sarkastisch, bis es wehtut.

Und dieser messerscharf argumentierende Polemiker mit dem humanistischen Herz hat eine Mission: Er will die Religion als Geißel der Menschheit anprangern.

"Religulous"

Senator Film

Der Buddhismus wie auch der Hinduismus werden von Bill Maher gnädig verschont. Der Talkshow-Host, der aus einem jüdisch-katholischen Elternhaus stammt, nimmt in erster Linie das Christentum spöttisch aufs Korn, knöpft sich aber auch orthodoxe Juden und Muslime vor und verteilt ganz nebenbei noch verbale Ohrfeigen gegen Mormonen und Scientologen.

Dabei verfolgt Maher einen ganz konkreten Ansatz: Er attackiert weniger den existentiellen Drang, sich der Spiritualität zu verschreiben oder einer höheren Macht zu vertrauen. Ihm geht es vielmehr konkret um jene Glaubensvertreter, die uralte Metaphern und Parabeln vergangener Völker plötzlich wieder wortwörtlich nehmen.

Wie kann es sein, fragt er, das Menschen im 21. Jahrhundert an sprechende Schlangen und riesige schwarze Steine glauben, an Adam und Eva, an Wunderheilungen und an die Hölle als konkreten Ort?

Warum leugnen so viele Millionen Amerikaner die Evolution? Oder wie ist es möglich, dass etliche Stars aus dem Showbusiness ihr Heil in wirren Slogans eines ehemaligen Science-Fiction-Autors suchen?

"Religulous"

Senator Film

Auf der vergeblichen Suche nach Antworten spricht Bill Maher mit erfolgreichen Predigern und erzkatholischen Senatoren, mit fanatischen Rabbis und um Verständigung bemühten Islamisten, mit ungewöhnlichen Priestern und harmlosen religiösem Fußvolk.

Er besucht christliche Verbindungen, die Homosexuelle von ihrer "Krankheit" heilen wollen, stattet katholischen Vergnügungsparks einen Besuch ab und begibt sich zu zentralen historischen Schauplätzen im nahen Osten. Dabei gerät er in groteske Wortgefechte und bizarre Situationen.

Nicht unabsichtlich liegt der Fokus der blasphemischen Auseinandersetzungen stets auf God's own country: einem Amerika, in dem religiöse Absurditäten viele Millionen in den Bann ziehen und in dem niemand Präsident werden kann, ohne die Bibel zu beschwören.

Wer nun ein Nonstop-Gag-Feuerwerk auf Kosten frommer Menschen befürchtet, liegt aber nur zum Teil richtig.

Trotz des Titelwortspiels aus "religious" und "ridiculous" - und obwohl sich mit Larry Charles und Bill Maher zwei unruhestiftende Saubartel des Themas annehmen - will "Religulous" abseits einiger billiger Lacher vor allem etwas furchtbar Altmodisches - zum Nachdenken anregen.

"Religulous"

Senator Film

Nun könnten an dieser Stelle sowohl gottesfürchtige als auch ketzerisch veranlagte Damen und Herren einwerfen, was denn bitte eine amerikanische Doku-Satire an ihren ohnehin fixen Meinungen ändern solle?

Genau hier liegt für mich, als jemand mit einem extrem ambivalenten Verhältnis zur Religion der wunde Punkt. Wer sich zu gläubigen Belangen zu Wort meldet, vertritt meist ohnehin schon eine starre Position. Während die eine Fraktion mit metaphysischen Argumenten herumwirft, blickt man im Gegenlager zynisch auf Leute herab, die Trost im Irrationalen suchen. Ihre eigenen Ängste vor dem Tod, vor Krankheit und dem Verlust geliebter Menschen thematisieren Kirchenkritiker selten.

Umso schöner, das Bill Maher sich selber ins Spiel bringt und seine antireligiöse Tirade mit persönlichen Erzählungen beginnt.

Da ist von typischen kindlichen Tauschgeschäften mit dem lieben Gott die Rede und von der Furcht vor der Sterblichkeit, die auch der Talkshow-Profi nicht leugnet. Aber Maher schwärmt auch von seiner jüdischen Mutter und dem katholischen Vater, die ihren Sprößling niemals wie andere Eltern mit Glaubensbotschaften bedrängten.

Der Mann ist kein arroganter Hardcore-Atheist und versteckt auch keine platten ideologischen Botschaften hinter seinem brachialem Humor. Bill Mahers Fazit lautet einfach: Lasst uns skeptisch, zweifelnd, bescheiden sein.

Nur gegen Ende kulminiert der Schwachpunkt des Films - die oberflächliche, hektisch geschnittene Machart à la Michael Moore - in einer warnenden Collage, die dem Präsentator etwas von seiner Souveränität nimmt. Davon abgesehen fordert "Religulous" einfach auf urkomische Weise auf, die Welt und Mythen, die uns anerzogen werden, zu hinterfragen. Ein Motto, dem ich mich gerne anschließe.

"Religulous"

Senator Film