Erstellt am: 4. 4. 2009 - 19:19 Uhr
Fever Ray
Karin Dreijer Andersson hat sich gemeinsam mit ihrem Bruder als Duo The Knife einen Namen gemacht. Während The Knife an einer Elektro-Oper über Darwins Evolutionstheorie arbeiten, überbrückt Sängerin Karin Dreijer Andersson mit ihrem Solo-Projekt Fever Ray die bald dreijährige Wartezeit auf den Nachfolger zu "Silent Shout". Sie meinte im Vorfeld, sie habe ein organisches Album machen wollen, das sich vom technologisch geprägten Sound von The Knife abhebt.

fever ray
The Knife geht schon sehr unter die Haut, die Band trägt den Namen zurecht. Fever Rays Nummern sind noch eine Spur hypnotischer.Für mich ist das Referenzsystem von Fever Ray allerdings ein psychologisches, kein organisches oder technisches.
Es gibt wenige Alben, die mich derart schnell in ihre Welt gezogen haben wie das selbstbetitelte Debüt von Fever Ray. Fever Ray ist derart losgelöst von dieser realen Welt, dass biographische Informationen, wer aus was für Gründen diese Musik macht, für mich fast irrelavant sind. Fever Ray funktioniert nicht als sozialer oder emotionaler Kommentar, sondern wie ein Märchen. Es ist das mythologische Universum im Kopf der Karin Dreijer Andersson, das ich auf "Fever Ray" höre. Ein Universum, das mich an die Filme von Tim Burton erinnert, "Dead Man" von Jim Jamusch, den sie auch als Einfluss nennt, oder einen ganz besonders düsteren Tag im Muminwald.
Im Video zu "When I Grow Up" sieht man einen weiblichen Teenager-Dämon in Lumpen gehüllt einen Exorzismus-Tanz am Sprungbrett des Swimmingpools hinlegen.
Eine Nummer, ein Video das mich an Nico, Aphex Twin, Harmony Korine, japanische Horrorfilmästhetik und David Lynch erinnert, viele geniale Aspekte der Ausleuchtung unser Seelenuntiefen vereint. Fever Ray macht Geisterstimmen hörbar. Ihre Ästethik des Unheimlichen kitzelt unsere Nerven mit einer feinen Klinge.
Es ist nicht nötig zu wissen, wer Fever Ray in dieser Realität ist, um vollkommen in den Bann ihrer Welt zu geraten.
Sie arbeite derart stark mit Filtern, dass viele Stimmen und viele Kreaturen auf dem Album zu hören sind. Fever Ray verwendet Synthies und Steel Drums völlig losgelöst von den Bildern und Ideen, mit denen sie sonst verknüpft sind. Bei den Steel Drums von Fever Ray denkt man eher an die über die Fjorde irrenden verlorenen Kinderseelen als an Sonnenschein und Karibik-Urlaub.

Fever Ray
Karin Dreijer Andersson ist gerade zum zweiten Mal Mutter geworden. Warum ich das weiß? Auf dem Presskit wird Fever Ray die nicht besonders smarte Frage gestellt, wie sie denn die unglaubliche Doppelbelastung Musikerin und Mutter aushalte. Ob sich durch die Kinder etwas in deinem Leben geändert habe. Sie schafft das schier Unmögliche, auf diesen Schwachsinn von Fragen, über den sich wahrscheinlich schon Josephine Baker in den 50er Jahren geärgert hat, etwas Sinnvolles ins Fever-Ray-Konzept Passendes zu sagen:
"Wenn die Fever-Ray-Songs etwas gemeinsam haben, dann ist es die Idee des Übergangs vom Leben zum Tod. Leben und Tod nicht als Gegensatz zu denken. Wie nah Leben und Tod beieinander liegen, wie sehr sie ineinander greifen, merkt man am intensivsten während einer Schwangerschaft oder wenn man ein fragiles Neugeborenes um sich hat."
Bereits mit ihrer Band The Knife legte Fever Ray größten Wert auf die Inszenierung der Show. Als ich das Glück hatte eines der seltenen Konzerte von The Knife zu sehen, spielten sie in mittelalterlichen Pest-Masken und auf der Bühne waren drei unterschiedlich transparente Leinwände, auf die projiziert wurde. Am ehesten ist das ganze wohl als die High-Text-Version der Aufführung eines expressionistischen Gruselfilms zu beschreiben. Fever Ray meint, bei Musik geht es um Träume, es geht um Phantasien und das solle man nicht ruinieren, indem man gewöhnliche, unverkleidete Menschen auf eine Bühne stellt.
Fever Ray wird beim Springfestival in Graz spielen.