Erstellt am: 30. 3. 2009 - 19:08 Uhr
Journal '09: 30.3.
Arianna Huffington ist eine Kretzn, wie man in Wien sagen würde.
Mit ihrer Huffington Post, der Mutter aller Web-Zeitungen, fährt sie seit jeher den herkömmlichen Print-Medien in die Weichteile, als wär dieses Business ein großer Autoscooter-Park.
Und jetzt übernimmt sie in einem fast provokanten Akt der Unverschämtheit auch noch die öffentliche Patenschaft für das, was die Alt-Medien, die papierenen, als schützenswertestes Gut hinstellen - wofür sie aber, vor allem in Zeiten der Rezession, selber nicht viel unternehmen.
Frau Huffington rief heute einen Fonds für "investigative Recherche-Arbeit" ins Leben. Höhe: 1,75 Mio Dollar, offen für alle Medien - nur die Erstrechte der Veröffentlichung sind bei der Huffington Post.
Das ist deshalb so originell, weil nicht zuletzt an Produkten wie der HuffPost der Niedergang des "Qualitätsjournalismus" gern festgemacht wird.
Der "richtige" Journalist
Im Herbst jammerte sich Zeit-Herausgeber Josef Joffe noch tränenreich einen auf 'Untergang des Abendlandes' ab: "Was macht denn der richtige Journalist? Er trennt das Interessante vom Belanglosen und Blöden!" - diese und andere Unerhörtheiten erzählte uns der Vertreter des selbsternannten letzten Bollwerks der Seriosität da, um den Gegensatz zwischen Journalismus und Bloggerei darzustellen. Anstatt sich, wie Nick Davies, dem Autor von "Flat Earth News", einmal in Analyse zu üben und die leicht zu erlangene Erkenntnis zu erzielen, dass die Print-Medien, auch die, die sich selbst als qualitätvoll erachten, nur an die 15% ihrer Geschichten aus eigenem Antrieb und nicht von zahllosen PR-Agenten gesteuert angehen, sind erst einmal "die anderen" schuld.
In diesem primitiven Reflex gegen das bedrohlich Modernistische samt seiner formalen "otherness" (denn das Netz ist für den Haptiker eine extreme Bedrohung) verliert man natürlich jedes Gefühl für den Kern des Problems.
Gefährliche Geschäftsmodelle
So ist in Joffes wehleidigem Gequengel sicherlich eine Menge Wahrheit drin: das Geschäftsmodell der Huffington Post und anderer Netz-Zeitungen ist unsicher und gefährlich. Man beutet einerseits die Mitarbeiter, andererseits andere Medien aus, ohne den Wert der Arbeit (Nachrichtenbeschaffung und -formulierung) zu bezahlen.
Die HuffPost zahlt ihren Kolumnisten/Bloggern nichts - ein fixer Slot dort stellt eine Garantie auf gut bezahlte Verträge/Buchveröffentlichungen/Expertisen etc dar. Die HuffPost linkt auch einfach direkt auf andere Medien und schaltet sich da skrupellos klicktechnisch dazwischen. Und die HuffPost verlässt sich in der Recherche nicht auf den eigenen staff.
Alles richtig.
Bloß: letztlich sind die herkömmlichen Printmedien aktuell nicht viel besser. Man entlässt zunehmend und beutet die Generation Praktikum aus; man übernimmt im Zweifelsfall copy-paste-mäßig die Agenturen; und man recherchiert längst nicht mehr außerhalb der Wiki/Google-Blase, in der sich selbstreferentiell fast alles durch sich selber bestätigen läßt - siehe Nick Davies.
Modernistische Otherness als Bedrohung
Also ist in Zeiten, wo die New York Times an Personal und Kosten sparen muss, die Auslobung eines Fonds für den investigativen, recherche-intensiven Journalismus ein völlig richtiger und nötiger Schritt.
Und: es wundert mich gar nicht, dass dieser Schritt nicht von den Jammer-Onkeln, sondern der Mäzenaten-Tante kommt, die angeblich nur sieben Journalisten in ihrem Imperium beschäftigt. Und zwar nicht, weil die so eine Kretzn ist (was sie zweifellos auch ist, was aber hier nicht zählt), sondern weil man auf Seiten der neumodischen Otherness die Wichtigkeit von Handeln über die Bedeutung von Gegreine stellt.
Denn die derzeit nicht endenwollende Tendenz, den Terminus Qualitätsjournalismus unter rein printmedialen Gesichtspunkten und nach überkommenen Kriterien zu definieren, ist ein Schuss ins Knie.
Weil er dann zu einer rein hypothetischen, pseudo-objektiven, überkommenen Fadgas-Produktion von glatten Beschreibungen, sauberen Zitaten und vorsichtigen Umschauen wird.
Und das ist in Wirklichkeit das absolute Gegenteil.
Sich hinter scheinbarem Qualitätsjournalismus einbunkern
Es ist nämlich kein Zeichen von Qualität ein Ereignis zu besuchen und dort nichts anderes abzubilden als das, was man gewohnt ist, über solche Ereignisse sonst aus den Medien zu erfahren: das ist bloße Mimikry, das Nachäffen von Schwachem durch Schwache. Derartige Ödigkeiten als Qualitätsjournalismus misszuverstehen und sich dahinter bequem einzubunkern, ist nicht nur ein probates Mittel der Studiosi der einschlägigen Fachhochschulen, es betrifft auch FM4-Kollegen und wird durch Klagelieder wie Joffes auch in einstigen Hochburgen salonfähig gemacht.
Genauso nämlich wie sich öffentlich-rechtlichen Auftrag keineswegs auf den Hardcore-Bereich der Nachrichten-Übermittlung beschränkt, sondern ein umfassender ist, der auch den Bereich der "Unterhaltung" umfasst, ist der sogenannte Qualitätsjournalismus keineswegs die bierernste, staubtrockene, immergleiche Faktensammlung (mit 'Auflockerung' durch Zitate von zunehmend pr-geschulten öffentlichen Personen), sondern hat heute wesentlich mehr mit dem zu tun, was Blogs immanent ist (okay: sein sollte), weil es in den herkömmlichen Print-Medien verkümmert ist: Haltung.
Haltung und die Bedeutung des Blickwinkels
Die Freiheit, sich einem Thema von einen ungewöhnlichen Standpunkt aus zu nähern ist per se qualitätsvoller als der 25. genormte, in sich korrekt abgehandelte Bericht. Die Offenlegung des Blickwinkels, die Verknüpfung der widersprüchlichen Möglichkeiten, die Aufbereitung der Denkmodelle - das ist die zentrale Aufgabe eines echten Qualitäts-Journalismus, der nicht mehr im immer noch etwa anno 1848 feststeckenden Glauben an die Objektivität von Fakten hängengeblieben ist und sich an einem mehr als vorgestrigen Lehrer-Gestus orientiert.
Aber auf genau das haben sich die Bewahrer in Verlagen, Printmedien und Ausbildungs-Zentren geeinigt: aufs Brave, aufs Fade.
Dass sie da einerseits von dem Boulevard, andererseits vom neuen Zugang des Webs auf beiden Seiten überholt werden, ist fatal. Noch fataler ist aber die Scheuklappen-Mentalität, mit der diese Lage nicht zur Kenntnis genommen wird.
Wenn schon eine Klageschrift, dann die des The Wire-Chefmanns: diese Vision hat einen politischen Impact, der ganz ohne die pseudokanonisierte Sülze der deutschen Leitkulturträger auskommt. Die Geschichte hab ich im übrigen über einen dieser bösen Aggregatoren ohne Rechercheure gefunden, in der Medien-Sektion der HuffPost.