Erstellt am: 28. 3. 2009 - 10:53 Uhr
Spiegelkugeln in der Einsamkeit
Im Juni kommt Brian Chase mit den Yeah Yeah Yeahs nach Wien. Hier spricht der Drummer über die Aufnahmen zum neuen Album "It's Blitz!", ländliche Abgeschiedenheit und urbane Kicks.
Hallo Brian, in den Blogs wuselt es ja vor Kommentaren zu eurem wunderbaren neuen Album, wie kam es zu dem großen Entwicklungssprung, den die Yeah Yeah Yeahs auf "It's Blitz" machten?
Yeah yeah Yeahs
Wir wussten nur eines: Wir wollten keine Platte machen, wo wir wie eine normale Rockband klingen. Wir wollten stattdessen andere Möglichkeiten ausprobieren. Wir hatten aber vorher keine genaue Ahnung, wie das klingen würde. Wir mieteten uns also in verschiedenen Aufnahmestudios ein, die alle am Ende der Welt lagen. Dort begannen wir mit verschiedenen Sounds zu experimentieren. Und alles ergab sich auf ganz natürliche Weise von selbst.
Erzähl ein bisschen mehr über die Entwicklung der einzelnen Songs.
Jedes Stück durchlief verschiedene Phasen der Transformation, bevor wir uns dem Endergebnis annäherten. Jeder Song führte sein eigenes Leben mit ganz eigenen Entwicklungsstufen. Es existieren also viele verschiedene Versionen von jedem einzelnen Lied. Der ganze Prozess verlief sehr langsam.
Viele Bands erarbeiten sich ihre Musik komplett am Computer heutzutage, was ja auch nichts schlechtes ist. Ich stelle mir die Yeah Yeah Yeahs aber auf jeden Fall ganz Oldschool im Studio vor, wie ihr gemeinsam jammt.
Stimmt schon, das ist auch genauso passiert. Wir spielten drauflos und hörten uns später die Ergebnisse an. Kleine Teile der Songs faszinierten uns dann so, dass wir sie ausbauten. Ist erst einmal ein Grundgerüst entstanden, kamen darüber viele Schichten, vor allem von Keyboards. Diese Zeit des Experimentierens mit all den elektronischen Spielsachen, die wir zur Verfügung hatten, war sehr wichtig.
Ist der verstärkte Dancefloor-Einfluss von Karen gekommen?
Ja, auf jeden Fall. Wir haben jetzt definitiv Songs mit einem verstärkten Dance- und Discoeinfluss, dieses damit verbundene Gefühl des Feierns und der Euphorie ist uns wichtig diesmal. Karen hat das gepusht.
Yeah yeah Yeahs
Ist diese euphorische Stimmung vielleicht eine Gegenreaktion auf die dunklen Zeiten im Moment?
Wir reagieren nicht so bewusst auf die Außenwelt, wir kommen zusammen und tun, was wir tun, und die Musik entsteht ganz einfach. Höchstens unterbewusst kriecht irgendwas rein.
Was war eure Inspiration für das Album? Habt ihr euch vielleicht alte Disco-Platten angehört?
Einer unserer Produzenten, Nick Launay, erwähnte immer wieder die Talking Heads, weil er auch schon damals mit ihnen gearbeitet hat. Die Talking Heads waren sicher eine wichtige Inspiration, weil sie eine Rockband waren und trotzdem diesen tighten Dancegroove hatten. Donna Summer könnte man als andere Inspiration nennen.
War diese Art von Musik für dich als Rock'n'Roll-Drummer neu oder hast du schon immer einen Disco-Bezug gehabt?
Es war definitiv neu für mich. Die Yeah Yeah Yeahs hat immer ein bestimmtes Disco- und Dance-Element, du kannst das sogar schon in einem Song wie "Bang" von unserer ersten EP hören. Allerdings war unsere Ästhetik damals rougher und mehr punkbeeinflusst, das hat sich jetzt geändert. Für dieses Album musste ich lernen, viel zurückhaltender und minimalistischer zu spielen. Es ging darum, tight und kontrolliert zu spielen.
Eure Platte klingt sehr urban, und dennoch ist sie komplett am Land aufgenommen worden. Ist das nicht seltsam?
Das ist wahr, gerade dieser Gegensatz ist ja sehr schön. Am wichtigsten war es uns, aus unseren normalen Existenzen zu flüchten und uns irgendwo in eine einsame Gegend zurückzuziehen. Wir haben dort wirklich jede freie Minute im Studio verbracht, das war sehr extrem. Wir begaben uns also in wirklich abgelegene Locations und haben dann nicht einmal die nächstgelegene Stadt besucht. In Massachusetts lebten wir auf einer Farm mit Pferden, es war verdammt kalt, und wir haben diese Farm nie verlassen.
Habt ihr dabei nicht eine Art Lagerkoller entwickelt?
Aber ja. Es gab definitiv Momente, wo wir dachten, wir werden verrückt (lacht).
Als ihr angefangen habt, wart ihr eine der ersten Bands, die diesen Brooklyn-Welle losgetreten hat. Seid ihr auch vor dem aktuellen Hype aufs Land geflüchtet?
Ein bisschen schon (lacht). Aber Dave Siteks Studio liegt mitten in Williamsburg, wir kehren also letztlich immer dorthin zurück. Das ist schon ein nettes Gefühl. Aber grundsätzlich ist es eine Platte, die in Massachusetts und in Texas entstanden ist.
Stimmt es, dass Karen zu Nick sagte: "Bitte keine Gitarren auf dieser Platte!"? Was letztlich nicht stimmt, denn es sind eine Menge Gitarren auf diesem Album. Aber war euch dieses Motto am Anfang wichtig?
Exakt das hat sie gesagt. Denn wenn du immer die alten Muster wiederholst, kann daraus nichts Neues entstehen. Karen wollte bewusst eine Situation provozieren, die für uns ganz untypisch war. Genau diese Einschränkung brachte uns dann aber auf den richtigen Weg.
Lass uns ganz kurz über einzelne Songs reden, ich liebe ja neben meinem Favoriten "Soft Shock" auch "Skeletons"...
"Soft Shock" ist auch mein favorite track. Aber "Skeletons" ist ebenfalls wunderschön, einer der ersten Songs, den wir für dieses Album geschrieben haben. Er entstand gleich am ersten Tag in Massachusetts, nachdem wir diesen weiten Weg von New York dorthin gefahren waren. Es stürmte und schneite, als wir auf unserer Farm dort ankamen. Gleich nachdem wir das Equipment aufgebaut hatten, entstand dieser Song.
aliya naumoff
Und wie steht es mit dem großartigen Discokracher "Heads Will Roll"?
Der Song erinnert mich ein bisschen an "Thriller" von Michael Jackson. Ich meine damit eher den morbiden Inhalt, es könnte ein perfektes Stück für Halloween sein. Wenn wir je ein Video für den Song machen, müssen darin geköpfte Menschen vorkommen, die auf dem Dancefloor abshaken.
Ihr habt mit verschiedenen Produzenten gearbeitet, darunter auch mit eurem alten Freund Dave Sitek, der ja mittlerweile einer der gefragtesten Tüftler weltweit ist. Wie war es, wieder mit ihm ins Studio zu gehen?
Die Chemie war gut, aber wir haben zuerst die meisten Sachen mit Nick Launay aufgenommen, der vorher schon unsere "Is Is"-EP aufgenommen hatte. Dave war nicht extrem involviert, aber sein Einfluss ist toll, er ist ein so großer Innovator. Er hat mir auch viele neue Sounds vorgespielt, wir kennen ihn schon sehr lange. Wir vertrauen ihm wirklich. Er hat ja auch Tunde von TV On The Radio ins Studio mitgebracht, der hat eine so großartige Stimme.
Yeah Yeah Yeahs sind am 30. Juni in der Arena, Wien
Wird eure neue Dance-Richtung auf die Liveauftritte abfärben?
Haha, das ist eine gute Frage. Mal sehen. Wir werden zwar all unsere Klassiker spielen, aber es sind sicher viele Discokugeln involviert diesmal. Ganz große Spiegelkugeln natürlich. Das wird das Thema der neuen Tour.