Erstellt am: 27. 3. 2009 - 12:10 Uhr
Rhumba mit drei Herren
1992, sie war ihrer Rolle als Vorzeigefrau, die im Hintergrund Gitarre spielen darf, müde geworden und hatte gerade die Heroin-Popper von Suede verlassen, schaltete Justine Frischmann ein Inserat im Musikblatt Melody Maker. Eine neue Band muss her. Was stand da zu lesen? "Guitarist wanted, influences the Fall, the Stranglers, Wire". Nach der erfolgreichen Rekrutierung der Bandmitglieder im Zeichen solch deutlicher Ansage kam dabei am Ende ein Band heraus, die sich Elastica nannte und sich mit einem Album voller kleiner, frech Power-Pop und Punkeinflüsse verschneidender Hits ihre paar Minuten Gloria abholten durfte. Und, nicht zuletzt, ständig mit Plagiatsvorwürfen zu leben hatte.

Wire
Die Liste, wen, was und wie die englische Post-Punk-Institution Wire, die dieser Tage Österreich heimsuchen wird, sozusagen, beeinflusst hat, ist eine lange. Das 1976 in London gegründete Quartett war Post-Punk bevor Punk vorbei (ja, eh, die Grenzen sind IMMER fließend) war und mit künstlerischem Background im Lebenslauf von ¾ Bandgefüge nicht unerheblich an der Etablierung des Etiketts "Art School" als musikalischer Fußnote mitbeteiligt. Quasi als britisches Pendant zu den Talking Heads in New York. Bloß minus da Funk, den David Byrne und Kolleginnen im linken Knie hatten, und immer ein bisschen viel mehr böse. Stets im Herzen von Punk, dauernd den Tick zu artsy, um wirklich dazuzugehören. Was für Wire auch nie ein Thema gewesen ist.
What are your Influences?
Immer mühsam, an Tabellen abzulesen, wen denn eine Band geprägt haben soll und daraus eine Qualität herausdestillieren zu wollen, es war ohnehin schon immer alles vorher da. Wire selbst haben wahrscheinlich auch schon von den Ramones, den Stooges, Steve Reich oder The Velvet Undergound gehört. Im Falle von Wire aber ist die Anzahl der Musiker, die sich explizit und aus freien Stücken auf die Gruppe bezieht, nun ja: groß. Mit ihren ersten drei, zwischen 1977 und 1979 erschienen Alben, "Pink Flag", "Chairs Missing" und "154", allesamt 6 Sterne out of 5, hat sich die Band ins Plattenregal eines jeden Punkbuchhalters, der auf Vollständigkeit abzielt, gespielt.
Von zickigen 28-Sekunden-Krachern hin zu Melodien im Zeichen von Pop und Studiotüftelei in nur drei Jahren. Mitunter auch mit Synthie-Experimenten, sowas hatten nicht alle Punks immer gerne. Wire haben Hardcore mitgeprägt und, Liste unvollständig, R.E.M, The Cure und die Minutemen beeindruckt, von den Schampuselektronikern Fischerspooner sind sie gecovert worden, und die ganze Neo-Post-Punk-Angelegenheit um Franz Ferdinand, Futureheads und wieheißendienoch, die hätte ohne Wire ziemlich anders geklungen. Das Stück "Connection" von Elastica, das die Band so schön von Wires "Three Girl Rhumba" abgekupfert hat, ist dann auch ein mittelgroßer Hit geworden, die Streitigkeiten bezüglich der Urheberschaft hat man außergerichtlich beigelegt. So macht man das.

Wire
Still Going
Bis heute hat sich die Band nie offiziell aufgelöst, immer wieder haben sich zwischenzeitlich die Wege der einzelnen Mitglieder verlaufen, wurde in diversen Neben- und Soloprojekten auf neuen Feldern geforscht: Musique Concrete, Elektronik, Industrial. Glückliche Fügungen, schillernde Interessen aneinandergeklatscht! Wenn die Band dann doch – mit Regelmäßigkeit – wieder zusammengefunden hat, sind dabei fast durchgehend gute bis ziemlich gute Platten abgefallen, beispielsweise die EP-Reihe "Read & Burn" oder das Album "Object 47" im vergangenen Jahr, an das Dreigestirn der Klassiker-Alben aus den frühen Jahren ist bislang nicht mehr anzuschließen gewesen. Drei immergrüne Platten in drei Jahren - danach kann man ruhig ein bisschen sparsamer mit der eigenen Genialität umgehen.
Nie langweilig
Wire sind am 27. März in der Fluc Wanne, Wien und am 28. März im Kino Ebensee zu sehen
Gründungsmitglied Bruce Gilbert hat Wire 2008 verlassen. Die drei Herren Colin Newman, Robert Gotobed und Graham Lewis machen als Trio weiter, live werden sie von Margaret Fiedler McGinnis unterstützt, die schon für das Postrock-Outfit Moonshake und die Indie-Elektroniker Laika gewerkt hat und bei Konzerten von PJ Harvey für die Bearbeitung der Gitarre zuständig gewesen ist. Was bei Auftritten von Wire genau zu erwarten ist, steht im Trüben: Oft hat sich die Band geweigert, alte Hits zu spielen (weil: laaangweilig), tat dann ebendies, wenn es sich niemand mehr erhofft hat, oder hat mit performativen Einlagen Dosenbier-Punks verschreckt. Wer schon einmal ein Konzert von Wire erlebt hat, beispielsweise im Wiener Flex vor einigen Jahren, weiß aber, dass mit Erweckungserlebnis, Erleuchtung und - vor allem - Entrückung zu rechnen ist. Auch für Atheisten.
Schließlich leben Live-Darbietungen mit Beteiligung von Legenden nicht selten, das kann man ruhig so sagen, zu großen Teilen auch vom bloßen Glück der eigenen Anwesenheit. Egal, ob da nun scharfkantig runtergeschrubbte Riffs, elektronische Feldforschungen oder alles auf einmal ans Ohr tritt. Wire ist eine Punkband, langweilig wird sie nie.
Wire sind heute, 27. März, zu Gast in Connected (15-19)