Erstellt am: 27. 3. 2009 - 12:37 Uhr
Creative Cities
In Zeiten der Krise suggerieren Regierungen gerne den Vorteil der Creative Industries. Anstatt einen herkömmlichen Arbeitsplatz zu suchen, schafft man sich einfach seinen eigenen im Home Office. Statt lebenslanger Anstellung wird von Projekt zu Projekt gehechtet. Die Individualität wird zur wirtschaftlichen Ressource.
Sie sind zum Aushängeschild der moderner Stadtmarketing-Kampagnen geworden und gelten als Zukunftsmodell auf jeder Wirtschaftstagung: Die fleißigen Arbeiter der Kreativindustrie. Egal ob Modedesinger, Textfabrikanten oder Software-Entwickler: Eine Stadt, die etwas auf sich hält, tut alles mögliche, um diese Leute anzusiedeln und auch zu halten. Doch wie vertragen sich kreative oder gar künstlerische Tätigkeiten mit Businessplänen und Unternehmertum?
Dieser und einigen mehr Fragen geht das Symposium Creative Cities. Das Versprechen der kreativen Ökonomie nach, das am Dienstag, 31. März im RadioKulturhaus in Wien stattfinden wird.
Bernhard Faiss
Individualität wird zur Ressource
Zu den sogenannten Creative Industries zählen übrigens Dinge wie: Design, Werbung, Film, Literatur, Journalismus, Musik, Software-Entwicklung, Fotografie, Verlagswesen, Mode, Architektur, Dienstleistungen in den Gebieten Forschung und Entwicklung und und und...
Doch auch, wenn die Zahl der Kreativunternehmer immer steigt, finanziell sieht die Situation für die meisten alles andere als zukunftsweisend aus. Viele beklagen, dass vor lauter Steuererklärungen und Förderansuchen kaum noch Zeit für das eigentlich Wesentliche bleibt: Die kreative Tätigkeit an sich.
Die Befürworter dieses jungen Industriezweigs loben die freie Zeiteinteilung, die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung und die Erfüllung des gerne geträumten Traumes, von künstlerischer Arbeit leben zu können. Die bereits erwähnten Stadtmarketing-Experten erhoffen sich durch die polemisch auch gerne als "Tagelöhner 2.0" bezeichneten Einzelunternehmer eine Belebung der Viertel. Denn wo Websites programmiert und individuelle Handtaschen genäht werden, da tauchen in kürzester Zeit notgedrungen schicke Bars und Geheimtipp-Shops auf.
Die Wachstumsraten in dieser Branche liegen aber auch in Österreich über dem Durchschnitt (Fünf Prozent mehr Beschäftigung zwischen 2005 und 2007. Das ist doppelt soviel wie in der restlichen Wirtschaft). Über 30000 Unternehmen gelten hierzulande als Teil eben dieser Kreativwirtschaft. Laut dem österreichischen Kreativwirtschaftbericht 2008 machen diese Unternehmen bereits zehn Prozent aller Unternehmen in Österreich aus. Die rund 160.000 Frei- bis Halbfreiberufler erwirtschaften jährlich zirka 20 Milliarden Euro. Immer mehr "traditionelle" Firmen gehen dazu über, kreative Leistungen jeglicher Art zuzukaufen.
Vom Ausnahmesubjekt zum Aushängeschild
Richard Barbrook
Der Politologe und Historiker Richard Barbrook gibt allerdings zu bedenken, dass in manchen Studien auch Museumswärter zu den Creative Industries gezählt werden.
Eines sind die Creative Industries auf alle Fälle: stark vernetzt. In Gemeinschaftsbüros wie etwa der Schraubenfabrik in Wien werden Aufträge auch mal schnell über den Schreibtisch hinweg erteilt. Und auch von politischer Seite wird so manches getan: Förderstellen wie evolve oder departure haben es sich zum Ziel gesetzt, "gute Ideen zu unterstützen" und Hilfe anzubieten, beim Einstieg ins reale Wirtschaftsleben. Sogar die EU hat das Jahr 2009 zum "Jahr der Kreativität und Innovation" ausgerufen.
Die Kunstschaffenden mit Sinn für Kreativität und Finanzierung in einem werden somit zu einem neuen role model des krisengebeutelten Wirtschaftsgefüges. Doch sollten eben diese Künstlerinnen und Künstler nicht eigentlich kritisch zur Öknomie an sich stehen und Ausnahmesubjekt statt Aushängeschild sein? Tja...
Höchste Zeit für einen Hinweis:
Ö1 Symposion: Creative Cities. Das Versprechen der kreativen Ökonomie
Vorträge von: Richard Barbrook, Westminster University, London; Diedrich Diederichsen, Kulturwissenschafter, Berlin / Wien; Geert Lovink, Institute of Network Culture, Amsterdam; Inke Arns, Hartware Medienkunstverein, Dortmund; Jaime Stapleton, Experte f. Intellectual Property, University of London; Maurizio Lazzarato, Soziologe und Philosoph, Paris.
Diskussion: Vom Versprechen der kreativen Ökonomie: Fantasma oder Paradigmenwechsel?
- Andreas Spiegl, Vizerektor der Akademie der Bildenden Künste
- Monika Mokre, Politikwissenschafterin (FOKUS)
- Christoph Thun-Hohenstein, departure Geschäftsführer
- Stefan Leitner-Sidl, Gründer der Schraubenfabrik
- Walter Gröbchen, Labelbetreiber
- Marion von Osten, Künstlerin
Künstlerische Interventionen:
- Marlies Pöschl /cre-activity check;
- Djana Covic & Fahim Amir / from live models
Dienstag, 31. März 2009, 14:00 Uhr
RadioKulturhaus, Großer Sendesaal
Argentinierstraße 30a, 1040 Wien
Eintritt: frei