Erstellt am: 26. 3. 2009 - 12:08 Uhr
Kulturhauptstadt des Führers
Linz09
Teil vonLinz 09
Ein Leserbriefschreiber mokiert sich letzte Woche in den Oberösterreichischen Nachrichten ob der starken Präsenz der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit, die momentan in Linz, im Rahmen des Kulturhauptstadtprogramms stattfindet. Dem war selbst im Ausland nicht zu entkommen, schildert er, auch im Urlaub wurde er mit der nationalsozialistischen Vergangenheit seiner Heimatstadt konfrontiert. Ob Linz09 mit dem Schwerpunkt zur Nazi-Zeit nicht übertreibt, fragt dieser Tage auch ein ÖON-Kommentar des Historikers Roman Sandgruber. Aktionen und Provokationen zur Linzer NS-Geschichte dienten nur einem "Event-Charakter" um die internationale Medienindustrie zu füttern, so Sandgruber, das sei kontraproduktiv meint er, den historischen Fakten würde man damit nicht gerecht.
Schon letzten Herbst hat die Ausstellung "Kulturhauptstadt des Führers" im Linzer Schlossmuseum eröffnet. NS-Kulturpolitik, die größenwahnsinnigen Ausbaupläne, an denen Hitler selbst beteiligt war, um seine Heimatstadt zur einer dem NS Kunstverständnis entsprechenden kulturellen Metropole auszubauen werden gezeigt, Situation, Werk und Verhalten lokaler KünstlerInnen anschaulich vermittelt.
Das Team um die Historikerin Birgit Kirchmayr hat die Ausstellung erarbeitet. Linz09 war damit noch vor dem Einstand davon geprägt, die kulturelle, kulturpolitische Zeitgeschichte der Stadt zwischen 1938 und 1945 auf den Tisch zu legen.
Walter Frentz Collection, Berlin
Die Absicht der Intendanz: Mit "Kulturhauptstadt des Führers" sollte ein unverdautes Kapitel Stadtgeschichte noch vor dem offiziellen Linz09-Start präsentiert werden, um sich dann erfreulicheren Dingen zu widmen. Eine gute Intention, die aber im Hinblick auf die mediale Wahrnehmung nicht ganz aufgegangen ist. Denn zur Eröffnung hat die NS-Geschichte immer noch am meisten interessiert, vor allem in der internationalen Medienberichterstattung war die Führerstadt-Geschichte gerade rund um den Linz09-Start im Jänner eine gute Geschichte – verständlich, denn bei einem so umfangreichen Programm eines Kulturhauptstadtjahres wird eher das Angebot angenommen, über Konkretes zu berichten, Geschichte(n) zu erzählen, Inhalte aufzugreifen, als über Projekte, die zu diesem Zeitpunkt weniger greifbar, anschaulich, informativ sind. Und, "Kulturhauptstadt des Führers" alsTitel, das zieht.
Das Programm von Linz09 scheint sich peu à peu gerade erst warm zu laufen, und so wird wohl auch in den nächsten Tagen jenes Zehntel an Projekten für Aufmerksamkeit und Diskussionen sorgen, die sich mit der NS-Vergangenheit auseinandersetzen. Neben der Kulturhauptstadt des Führers – übrigens bis 29.3. verlängert! - seien hier auch zwei weitere vorgestellt:
Unter Uns - Dekonstruktion eines Gebäudes
Die Künstlerin Hito Steyerl, die Architektin Gabu Heindl und der Historiker Sebastian Markt haben die Baugeschichte der Brückenkopfgebäude am Linzer Hauptplatz recherchiert.
1938 wurde mit der Planung begonnen, ab 1939 gebaut, die Innenausstattung erst nach 1945 fertiggestellt - im westlichen Teil ist heute u.a. die Kunstuni untergebracht, der östliche steht momentan zum Großteil leer. Vor Baubeginn, bis 1938 hat dort eine jüdische Familie gelebt, die vertrieben wurde. Nachgegangen wird mit "Unter uns" auch der Frage nach der Beteiligung von ZwangsarbeiterInnen am Bau; in der zweiten Reihe, etwa bei Zulieferfirmen waren ZwangsarbeiterInnen beschäftigt und somit indirekt an der Errichtung des Gebäudes beteiligt. Die Rechercheergebnisse sind auf Monitoren im Erdgeschoss des Brückenkopfgebäudes zu sehen, in den Auslagen eines ehemaligen Geschäftslokals. Unter diesen Bildschirmen liegt Schutt. Der stammt von den Wänden des Hauses und dort findet sich die weit auffälligere Installation des Projekts. Einige Tage lang wurde die Fassade schrittweise runtergestemmt und abgetragen - der Abschlag stellt abstrahiert jene geographischen Linien von Flucht und Vertreibung dar, die hinter der Errichtung des Baus stehen.
Linz09
IN SITU
Dem Alltag des NS-Terrors ist das Projekt "In Situ" auf der Spur; an 65 Orten in Linz, von Urfahr bis zur Hillerstraße, sind seit einigen Tagen Stencils zu finden. Im Layout einheitlich wird in 200 Zeichen geschildert, was an jenen Orten in der Zeit von 1938 bis 1945 geschehen ist. Die Historikerinnen Heidemarie Uhl und Monika Sommer haben gemeinsam mit Künstlerin Dagmar Höss "In Situ" konzipiert.
dagmar höss
Ausgangsmaterial der Recherche war die bereits existierende, umfangreiche Literatur zur Aufarbeitung der Linzer NS-Geschichte. Neben einigen Orten, die im kollektiven Gedächtnis verkankert sind, wie etwa das Gestapo Hauptquartier in der Langgasse, markieren die "In Situ"-Stencils vor allem auch Schauplätze sogenannter Randgeschichten, jene Orte, an denen sich der Terror persönlich und individuell ausgewirkt hat.
"In Situ" findet sich also an konkreten Schauplätzen, und auch im Netz. Auf der Website gibt es nebem dem "In Situ" Stadtplan - einer Topographie des NS-Terrors also - auch umfangreiches Zusatzmaterial, wie Fotos, Texte von HistorikerInnen, sowie Originaldokumente aus der NS-Zeit.
dagmar höss
Der Antrag der Grünen im Linzer Gemeinderat im Wortlaut: In Anbetracht des nationalsozialistischen Erbes der Landeshauptstadt bekräftigt der Gemeinderat der Stadt Linz seine Ablehnung jeglicher demokratie- und fremdenfeindlicher sowie rechtsextremer Tendenzen und Entwicklungen. Der Linzer Gemeinderat bekennt sich zu Pluralität, Demokratie und Weltoffenheit und verurteilt jegliche Bewegungen, die diesen Werten entgegentreten.
Nochmal zurück zur Debatte, die gerade ausgehend von den OÖN geführt wird. Eine Videoumfrage erkundigt sich, wie denn die Leute dazu stünden, dass Linz im Ausland als "Nazi-Stadt" bezeichnet wird. In einer flotten Online-Recherche lässt sich diese Titulierung nicht finden - wohl aber die Info über eine Kundgebung der Nationalen Volkspartei (NVP) am 1.Mai in Linz. Das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) stuft die NVP als "rechtsextrem mit Berührungspunkten zum Neonazismus" ein. Verschiedene Initiativen haben sich zu einer Plattform zusammengeschlossen, die fordert, dass diese Kundgebung verhindert wird.
Auf Initiative der Grünen haben sich im Linzer Gemeinderat SPÖ, ÖVP und Grüne eindeutig von der geplanten rechten Kundgebung distanziert, die FPÖ ist nicht mitgegangen. Klare Worte von der Mehrheit im Gemeinderat - die Kompetenzen für ein Verbot des NVP-Aufmarsches liegt allerdings bei der Bundespolizeidirektion.