Erstellt am: 24. 3. 2009 - 18:32 Uhr
Journal '09: 24.3.
Warum ich Twitter fürs Erinnern an The Onion dankbar bin.

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Wie immer führte eines zum anderen: ZiB2-Anchor Armin Wolf hatte im Vorfeld einer öffentlichen Mediendiskussion sein aktuelles Leblings-Tool, nämlich Twitter, benutzt, um einen Link unter die Leute zu bringen. In einem US-Blog hatte da ein John Duncan gehörig provokante Thesen zur Printmedienzukunft aufgestellt und das Ende für 85% der Branche mit bereits 2011 terminisiert.
Für Europa gilt mittelfristig wohl ähnliches: turi.de zitiert heute eine Allensbach-Studie, nach der im Vorjahr 41,1 % der 14- bis 29-Jährigen Tageszeitungen nutzten - 1980 waren es noch 72%. Aber darauf wollte ich gar nicht hinaus.
In Zusammenhang mit der Print-Schwind-Diskussion ist immer vom Einfluss der Gratis-Printmedien die Rede, und zwar tendenziell als Niveau-Minderer. Ich muss da immer geistig Einspruch erheben, weil das so ja nicht sein muss. Ich muss da immer an New York denken, das flächendeckend von Gratis-Blättern durchzogen ist. Jedes Viertel, manchmal auch jedes Grätzl hat da seinen eigene, meist über 30, 40 Seiten starke, tabloidformatige Gratis-Zeitung, egal ob Westend, Chelsea oder Washington Square und alle erzählen durchaus interessante Geschichten aus der Gegend und auch drüber hinaus. Die liegen eine Woche lang in Gratis-Kästen aus und werden gut angenommen.
Zwitscherzwitscher
Irgendwann letzte Woche leuchtet mir beim Twitter-Checken in irgendeinem Profil anstatt eines Foto-Icons ein Logo entgegen, das ich kenne: eine Zwiebel. Und da fällt mir dann wieder das beste der New Yorker Gratis-Blätter ein, das einzige, das stadtweit ausliegt: The Onion (okay, die Village Voice, den zentralen Wegweiser duch das Kulturangebot hab ich schandbarerweise außer Acht gelassen, danke an Smash für den Hinweis!).
Der Onion ist ein Tabloid-Weekly mit stark ironischem Einschlag, um nicht zu sagen eine Art Titanic meets "Le Canard Enchainé". Und es würzt einen New York-Aufenthalt mit der Prise Sarkasmus, die man dort zu bekommen erwartet. Was mir im Herbst bei meinem höchst analogen Besuch als banaler Tourist nicht aufgefallen ist: der Onion liegt auch in anderen US-Städten auf und hat auch einen umfassenden Web-Auftritt. Und den vertwittert er für seine Follower (über 260.000, Facebook-Freunde hat er nur knapp 80.000), indem er ganz humorlos Links auslegt.
Einige sehen das, das reine Broadcasting, als grundlegendes Missverständnis eines Medien-Auftritts im Web 2.0 an; was meiner Meinung nach nur dann zutreffen würde, wenn es kein Feedback gibt.
Aber: mir ist das eigentlich recht egal.
Denn jeder, der in einem Social oder Info-Netzwerk auftritt ist ein reiner PR-Propagandist seiner selbst und somit genauso viel oder wenig glaubwürdig wie der von PR versaute "objektive" Journalismus.
Zwiebelzwiebel
Womit wir wieder bei der These von Nick Davies, dem Autor von "Flat Earth News" wären, die bei der eingangs erwähnten Veranstaltung ausgeführt wurden: dass nämlich fast 90% aller Nachrichten im weiteren Sinn (und die Erhebung hat nicht Krone&Österreich, sondern vergleichsweise seriöse englische Medien umfasst) unüberprüft und teilweise gegen besseres Wissen übernommen werden. Dass die Anzahl der Eigenbeobachtungen, des persönlichen und direkten Zugangs, oder der zumindest gegengecheckten Nachricht ein Minderheiten-Programm ist.
So gesehen ist das, was dir auf Facebook oder per Twitter an Ich-AG-Nachrichten entgegenströmt wohl sogar ehrlicher und echter: denn da sind womöglich mehr als nur 10% originäre Nachrichten enthalten. Wenn sich auch ein solches soziales Netzwerk natürlich perfekt dafür eignet, besonders originell Fakes und PR-Schmähs (vor allem, wenn sie im einfach fassbaren Büro-Witzformat als Bild - am besten mit Tieren, süüüüüß - oder per Video daherkommen).
Fürs Verblödungs-Schneeball-System ist man also anfällig.
Franz Kafka Airport
Und genau hier fährt The Onion so richtig schön rein. Mit zb einer Twitter-Meldung wie dieser: "Prague's Franz Kafka International Named World's Most Alienating Airport". Dazu noch ein verlinktes Video und weil da Bobby Batista, die so schön Streisandmäßig schielende CNN-Newsperson die Geschichte einmoderiert, dauert es einige Zeit, bis ich kapiere.
Auf der Onion-Radio-Site finde ich dann den Beitrag "Audio Book Narrator Gets Drunk Around Chapter 13", im Sportteil steht die Wahrheit über Alexander Ovechkins Frühstücksflocken und dass "Soccer" unter "Womans Sports" steht, gibt mir ebenso das Gefühl als Europäer verstanden zu werden, wie die Ausrichtung der World-Section.
Danke, Onion, fürs bloße und unpersönliche Schlagzeilen-Werfen. Wahrscheinlich funktioniert das (noch) so: wer weiter weg ist (geografisch, kukturell), darf das eher (Exoten-Bonus). Wer nah dran ist, würde für denselben Dienst schräg angeschaut werden. Ich bin da vielleicht zu old school, aber: mir ist der sinnige Link oft lieber als die schnell Pointe. Aber: zu versuchen witziger zu sein als The Onion ist ohnehin nicht ratsam.