Erstellt am: 23. 3. 2009 - 17:50 Uhr
Trans America Express
In Europa habe ich noch nie soviel Werbung für ein Konzert gesehen. Rio de Janeiro war für Wochen mit Plakaten zugepflastert. Es scheint, als lieben die Bewohner von Rio Radiohead und ihre Kombination von Schönheit und Schmerz. Eine Paarung, die auch vielen Musiken, die Rio entspringen, zu Grunde liegt.
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natalie brunner
Letztes Wochenende spielten Kraftwerk und Radiohead in Rio in der Praça da Apoteose, dem von dem genialen brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer erbauten Sambadrom.
24.000 Menschen waren da, um die Bands zu sehen, wobei, kleine Anmerkung, Kraftwerk auf einigen Plakaten sogar unter der brasilianischen Indie-Band Los Hermanos, die als Vorband spielten, stand.
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natalie brunner
Radiohead in Rio
Über zwei Stunden dauerte der Auftritt von Radiohead, sie spielten viele Nummern von ihrem aktuellen Album "In Rainbows", aber Klassiker durften auch nicht fehlen. Die Mitsingwütigen wurden mit "Airbag", "Karma Police" und als Zugabe sogar "Creep" glücklich gemacht.
16 Jahre nach dem Erscheinen von "Pablo Honey" spielten Radiohead zum ersten Mal in Brasilien, und die meisten der Besucher dürften sie dem Alter nach schon seit dieser Zeit kennen. Ein klares Erwachsenen-Konzert mit einem Altersdurchschnitt von Dreißig plus. Das völlige Fehlen von Teenagern, außer in der "alles ist eh gratis VIP Loge", lässt sich vielleicht auch dadurch erklären, dass man für ein Ticket zwei Drittel eines brasilianischen Mindestlohns ablegen musste.
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natalie brunner
Die Bühnenansagen von Thom Yorke waren auf Portugiesisch beschränkten sich auf "Danke" und "Guten Abend wir sind Radiohead". Und plötzlich, als die Band den zweiten Zugabenblock mit "You and whose army" begann: "Esta é por todas as vezes que a América do Norte tentou fodeu com vocês" - "Das ist für all die Male als die USA versucht hat, euch zu ficken!"
In den Abendnachrichten am Tagvor dem Konzert konnte man Bilder eines panischen Thom York sehen, der von Paparazzi-Scharen am Strand verfolgt wurde. In Brasilien ist es unüblich, dass die Stars vor Kameras flüchten, anstatt zu ihnen zu stürmen.
Sowas liebten die brasilianischen Medien. Das Zitat war am nächsten Tag in allen Zeitungen zu lesen. Radiohead spielten ein perfekt ausbalanciertes Set zwischen Elektronik und Gitarre, die an Eiszapfen erinnernden Teile die von der Bühne hingen dienten als Beleuchtungsobjekte für eine Lichtshow, die das nächste Kapitel nach den omnipräsenten LED-Wänden einläutet.
Kraftwerk und Baile
Auf audiovisuellem Level konnten Kraftwerk mit Radiohead mithalten. Die Elemente, die sie in ihrer Show verwenden sind seit Jahren die gleichen, aber Monumentalität der Präsentation ließ uns in Ehrfurcht die 75 Minuten, die ihr Set dauerte, schweigen. Kraftwerk waren zu viert auf der Bühne, mit Ralf Hütter als einzigem verbliebenen Originalmitglied, nachdem Florian Schneider kurz vor Beginn der Südamerika-Tour ausgestiegen war.
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natalie brunner
Kraftwerk in Rio zu sehen ist besonders, weil sie einer der wichtigsten Einflüsse für Baile Funk sind, die elektronische Musik, die Rio seit über 20 Jahren dominiert. Es ist ein eigenartiges Bild: Kraftwerk auf der Bühne in der unglaublich schönen Samba-Aarena und links und rechts dahinter zwei Favelas. Mein Begleiter begann gerade zu motzen, dass wenn es Gerechtigkeit in dieser Welt geben würde, sie gratis in der Rocinha spielen würden, als das erste bekannte Gesicht auftauchte.
Sany Pitbull ist ab Mitte April auf Europa-Tour. Sein Track "Kraftfunk" ist, der Name verrät es, eine Hommage an Kraftwerk.
Der Baile Funk DJ und Producer Sany Pitbull, er ist eine der wichtigsten Kräfte der Evolution des Baile Funks und seine Produktionen helfen mit das Genre auf ein neues, höheres Qualitätslevel zu heben.
Sein Resumee: