Erstellt am: 23. 3. 2009 - 16:35 Uhr
Journal '09: 23.3.
Walter Mayer verhaftet, doch good enough to make doping?
Und: Dank an die unerbittliche Kurier-Sportredaktion und einen beharrlichen Minister.
"Austria", sagte der mächtige österreichische Präsident damals in Turin 2006, als man sich nach der Doping-Razzia im außerhalb des olympischen Dorfs angemietetem Zusatz-Hauses der Weltpresse stellen musste, "Austria is a too small country to make good doping".
Peter Schröcksnadel scorte damals mit diesem in sich nicht unglaubwürdigen Überraschungs-Satz. Auf einen ordentlichen Fiaker- oder Schilehrer-Schmäh ist noch jeder Tourist reingefallen.
Heute nun spricht der ÖSV-Präsident, der Chef aller Skisportler des Landes, wurscht ob Alpine oder Nordische sein Wort zum Montag, sein Jahres-Fazit.
Und er sagt da an, was Fakt ist: "Wir sind die Nation Nummer Eins." - was heuer sogar erstmals in der Kombination aller Resultate richtig ist; sonst sind da oft die Norwegen (wegen der Nordischen Dominanz) vorne, wenn man alles zusammenzählt.
Also: immer so, wie man's braucht.
Wenn es Vorwürfe gibt, ist man der Kleine, der Harmlose, das Zwergerl. Wenn es ums Aufblasen um die Pose geht ist man die Nummer 1, der Schwarzenegger des Wintersports.
Und der legendäre "small country"-Satz bröselt in sich zusammen wie ein schlecht getimtes Souflee. Die wahre Sicht auf die Dinge wäre die: wer, wenn nicht der Weltranglistenführer in Sachen Skisport, müsste nach der Schröcksnadelschen Logik was von Doping verstehen.
Schließlich ist man the biggest ski-country of them all.
Und alles andere als small.
Walter Mayer, finally
Heute, am Tag der Befehlsausgabe von Schröcksnadel, die diesen Widerspruch wieder einmal deutlich machte (ohne dass es eine breitere Öffentlichkeit interessiert - wer sich an die Doping-Verfolgung macht, gilt immer noch als Neider, Nestbeschmutzer oder gar weltfremder Intellelktueller), erfolgte nun die Verhaftung von Walter Mayer, dem Gottseibeiuns der heimischen Langlauf-Szene, dem Zankapfel zwischen ÖSV und IOC, dem Mann, an dem der Verband immens lang beinhart festhielt, wiewohl alle internationalen Sport- und Doping-Organisationen deutlich seine Sperre samt nioch deutlicherer Distanzierung forderten.
In Österreich gibt es aber seit '45 ein ungeschriebenes Gesetz, das dann in Kraft tritt, wenn "das Ausland" die klare Verurteilung und Distanzierung von Verbrechern, moralisch korrupten Figuren oder auch Verherrlichern von international geächteten Greueln fordert. Da schart sich der gelernte Österreicher in Blockwart-Manier um den Angeschossenen und verteidigt; und zwar nicht inhaltlich, sondern aus Prinzip. Weil's einen unsrigen betrifft.
Bis zu einem Urteil gilt auch hier, vonm Gesetz wegen, die Unschuldsvermutung.
Nun ist Walter Mayer kein Kriegsverbrecher, kein Reiter eines SA-Pferdes, kein Sklavenhalter und Mörder, sondern nur ein ganz banaler Doping-Sünder.
Trotzdem könnten sich die Beschützer sicher sein, dass der Schmäh so funktionieren würde, wie er bei Karl Schranz (der tatsächlich kaum etwas angestellt hatte) oder bei Kurt Waldheim funktioniert hatte: die Frage nach der Schuld stellt sich nicht, weil es nicht angeht, dass sich "das Ausland" was anmaßt. Dass diese Haltung Österreich nach '45 zu einem ausgedörrten Landstrich gemacht hat, weil man es nicht verstand, die von den Nazis vertriebene kritische Intelligenz nicht zurückholen konnte und wollte, ist eine Konsequenz dieser Grundeinstellung. Und: jede erfolgreiche populistische Aktion engt die Bewegungsfreiheit der kritischen Geister noch weiter ein.
Schaden und Selbstverständnis
Denn: auch wenn Walter Mayer in Turin überführt wurde und dem österreichischem Skisport unermesslichen Schaden zufügte - derlei wird gern in Kauf genommen, wenn man sich dafür als Nummer 1 sonnen kann.
Letztlich ist es im gesamten US-Spitzensport auch genauso: egal ob Ice Hockey, Baseball oder gar American Football - da laufen die unkontrolliert aufgeblasenen Doping-Manderln herum und keinen schert's; einfach weil diese Sport-Inszenierungen zu wichtig fürs Selbstverständnis sind.
Nun ist es aber im Unterschied zu den erwähnten Ami-Faves bei weltweit ausgetragenen Sportarten üblich, einen gemeinsamen Standard zu definieren - deshalb die Doping-Bestimmungen (und deshalb gibt es im Hockey-Bereich praktisch keine, sonst würden die USA und Canada gar nicht mitmachen). Auch die Unverfrorenheit mit der US-Sprinter oder Lance Armstrong dopen, rührt aus dieser Haltung. Von staatlich verordnetem Doping wie in China gar nicht erst zu reden.
In Europa sieht man das enger, spätestens seit der Radsport komplett versaut wurde. Warum der ÖSV da in den letzten Jahren Kopf und Kragen und langfristige Olympia-Sperren riskierte und sich so auch die Olympia-Chance für Salzburg vergab, ist unklar.
Kurier und Darabos
In diesem Zusammenhang muss ich zwei Faktoren, die zu einer Aufhellung der Zusammenhänge und zu einer andauernden Öffentlichkeit-Machung geführt haben, hervorheben, besser gesagt, eine Redaktion und einen Minister loben.
So wenig sonst womöglich vom Wirken von Norbert Darabos zu halten ist - seit der Sport bei ihm ressortiert, gibt es zumindest in der Causa Prima (dem Kampf gegen Doping) eine wichtige Beharrlichkeit. Zwar hat sich auch der Vorgänger stark gemacht - der war aber eben "nur" Staatssekretär und vergleichsweise machtloser. Der Minister hingegen hört seit seinem Antritt Anfang des Jahres nicht auf, unangenehm zu sein und die Dinge öffentlich beim Namen zu nennen.
Das allein macht keine Gesetze und bringt kein einziges der vielen schwarzen Schafe zur Vernunft - allerdings sorgt dieser Grundton für ein anderes Handlungs-Umfeld als bisher, wo man mit den Verharmlosungen durch ÖSV-Seite alleingelassen wurde. Und dass das 2008 installierte Anti-Doping-Gesetz erstmals auch ernsthaft angewandt wird.
Noch wichtiger ist in Sachen Doping aber eine Redaktion: die Abteilung Sport beim Kurier, die seit Tag, Monat und Jahr beharrlich und gezielt, mit teilweise mühseliger Kleinarbeit vorbildliche Aufdeckungsarbeit leistet.
Das mündete nicht nur in der Verhaftung von Mayer und einem anderen mit Doping-Mitteln handelnden Radfahrer, das brachte auch den ÖOC-Generalsekretär zu Sturz, der den Verbleib einer hohen Geldsumme (die über verschlungene Wege schlussendlich bei Walter Mayer landete, und zwar dergestalt, dass es den straken Eindruck von Schweigegeld machen musste) nicht so recht erklären konnte.
Die Kurier-Berichterstattung hat was von einem Ceterum Censeo, vor dem ich mich in Hochachtung verneige. Auch weil die Wiederholung des Wichtigen, die bewusste Inkaufnahme von journalistischer Redundanz dem von PR insinuierten halblustigen Ansatz, immer dem Neuesten hinherzulaufen da formschön den Weisl gibt.
Too dope to dope.
Beispiel: Problemzone Biathlon
Nur Eigeninitiativen wie diese, unbedankte Aktivitäten, die von allen, die's gern bequem und einfach haben, angemäkelt werden, können das vorhin angesprochene ungeschriebene Gesetz irgendwann verblassen lassen.
Am Doping-Problem selber wird die neue Mayer-Affäre womöglich nur wenig kratzen - in der Zwischenzeit sind längst andere Strukturen aufgebaut worden, die Leistungssteigerungen am Rande der Legalität (oder jenseits) befördern und durch legistische Löcher schlüpfen. Dass Austria irgendwann einfach too dope to dope ist, dürfte ich wohl nicht mehr erleben.