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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

22. 3. 2009 - 23:32

Fußball-Journal '09-19.

Kleine Dramen und große Tragödien. Drei aktuelle Fußball-Geschichten aus Österreich.

Geschichte 1: Lindenberger, ein Drama um Intrige und falscher Selbsteinschätzung. Mit einem Gag-PS.

Geschichte 2: Kavlak, eine bitterschwarze Tragödie

Geschichte 3: der Rechtsverteidiger, ein Mikrodrama über Versagen vorm ersten Antreten.

Sportlich ist nichts Wesentliches aufgefallen, in der letzten Runde der Liga vor der langen Länderspiel-Pause. Da ist Zeit ein Schlaglicht auf die Tragödien zu legen, unbeachtete, vergessene, aber auch schlagzeilenträchtige.

Geschichte 1: Lindenberger

Untertitel: ein Drama um Intrige und falscher Selbsteinschätzung.

Am Samstag ist Klaus Lindenberger, offiziell Chef-Trainer des LASK zurückgetreten. Lindenberger bleibt weiter Vize-Präsident. Lindenberger holte seit seinem Antritt im Oktober aus 13 Spielen 6 Punkte. Der von ihm abgelöste Vorgänger Andrej Panadic schaffte in 14 Spielen 21.
Lindenberger war erst nach der Entscheidung für Panadic fulltime zum LASK gekommen, als Vize, auch kurzzeitig als Trainer des Amateur-Teams, vor allem aber als Einflüsterer des allmächtigen LASK-Chefs Peter-Michael Reichel. Das war nötig, weil es Reichel nicht mag, wenn man ihm öffentlich vorwirft, von Fußball keine Ahnung zu haben.

Als Lindenberger im letzten Sommer (nach einer durchaus erfolglosen Zeit als Tormanntrainer des ÖFB-Teams) zum LASK stieß, gehörte es zu seinen ersten Aktionen bei Journalisten gegen Panadic Stimmung zu machen. Das bestätigte OÖN-Sportchef Christoph Zöpfl heute in der Premiere-Sendung Talk & Tore, das bestätigte ebendort auch Reichel, der meinte, ihn genau wegen dieser ständigen Kritik dann die Nachfolge angeboten hatte.

Lindenberger hat den Trainerschein, aber keine Erfahrung. Seine Lust auf die Ochsentour mit Betreuung von Nachwuchs-Teams, Jahren als Co-Trainer und Auslands-Hospitanzen, ehe man sich ein Team als Chefcoach zutrauen darf, war immer gering - das zeigt seine coachingtechnisch höchst löchrige Biografie.

Lindenbergers Konsequenz: er verlegte sich weiterhin aufs Machtspiel, aufs Umfeld, aufs Networking und überließ die Tagesarbeit den anderen. Da es bei Co-Trainer 1, Büffel Stumpf, scheinbar für nichts anderes als VIPClub-Schultergeklopfe-Auswärtsfahrten reicht, leitete der andere Co, ein Franz Hofer das Training. Hofer ist Lehrer, und bekommt nicht immer frei. Einmal mußte er auf Schulskikurs anstatt ein Trainingslager mitmachen zu können. Was dann dort passiert ist (besser: nicht passiert ist), möchte man sich nicht ausmalen.

Lindenberger schaffte übrigens nicht nur im Herbst Panadic, er wurde im Winter auch Manager/Sportdirektor Nussbaumer los. Das entstehende Macht-Vakuum besetzt jetzt er.
Der in der Winterpause angefragte Coach Georg Zellhofer schaute sich die Situation an und sagte dann dankend ab - er ging lieber zu Altach, wo zwar sein Mäzen und Spezl Franz Grad hinter den Kulissen netzwerkt, wo es aber im Club selber keine alles verdrängenden Platzhirsche der Marke Lindenberger gibt.

Das sind längst nicht alle Faktoren, die den LASK seit Monaten zu einer Lachnummer machen. Dazu kommt der absurde Verhandlungsstil von Präse Reichel (der mit erschreckenden Drohgebärden und Aussperrung funktioniert) , die inkompetente medizinische Abteilung (die Verletzten Wendel, Weissenberger oder Panis flohen nach Brasilien, München oder ins Burgenland), die Krise der Oldies (Vastic, Mayrleb, Baur) und die unkluge Einkaufs-Politik der letzten Jahre.

Und pormpt tritt am nächsten Tag schon der angesprochene Worst Case ein: Krankl wird LASK-Coach.

Die Tragödie hinter diesem Drama um einen Selbstherrlichen ist aber, dass sich niemand, der bei Sinnen ist und Qualität besitzt, auf einen Trainerjob innerhalb dieser verlotterten Strukturen einlassen kann - und sich der LASK deshalb fast zwangsweise in die Geiselhaft eines Scharlatans begeben wird müssen.

Geschichte 2: Kavlak.

Untertitel: eine bitterschwarze Tragödie

Audiatur et altera pars:
Rapid sagt, dass das Hertha-Angebot bei weitem nicht so gut war wie kolporiert; dass man bei einem guten Preis Veli sicher nichts in den Weg gelegt hätte.
Rapid sagt auch, dass der Manager und Spieler-Vermittler Max Hagmayr ein unrühmliche Rolle gespielt hat, mit diversen Versprechungen, Lizitationen etc. Und dass das Transfer-Fenster im Winter eine Hagmayr-Erfindung war, dass Hertha da, ein halbes Jahr später, gar kein Interesse mehr angemeldet hatte.
Rapid meint auch, dass die negative Entwicklung nach dem gescheiterten Transfer sich zu einer Art Trauma ausgewachsen hat, gegen das ganz schwer anzukämpfen ist. Und dass das alles auch den Verantwortlichen, die sich da (das versichert man glaubhaft) nicht in den Weg gestellt haben, durchaus nahe geht.
Das ist eine emotionale Geschichte, eine in Bewegung. Und deshalb zieh ich den letzten Satz "Ich wünsche allen Verantwortlichen, die nicht nur zumindest 3 Mille verzockt, sondern eine hoffnungsfrohe junge Karriere gebremst, wenn nicht zerstört haben, dass ihr dümmliche Schandtat sie jede Nacht in ihre Alb-Träume verfolgt." zurück.

Wenn ich dran denke, dass Veli Kavlak, 20, heute ein Teil der wunderbar anzusehenden, vom großartigem Coach Lucien Favre geführten deutschen Tabellenführer sein könnte; wenn ich dran denke, wie gut Veli Kavlak vom Alter, der Einstellung, seiner Schnelligkeit und Spielintelligenz, perfekt in die junge, spielfreudige, taktisch schlaue Hertha BSC Berlin-Truppe passen würde - da kommen mir fast die Tränen.

Veli Kavlak im U20-Team

öfb

Veli Kavlak, 20, wurde als damals 18jährigem der Transfer nach Deutschland verwehrt. Manager Dieter Honess war im Sommer 07 nach Wien gereist, angeblich mit bis zu 4 Mio Euro im Gepäck, um den Burschen, der ebenso wie Okotie, Hoffer, Junuzovic, Hackmair, Harnik, Prödl und die anderen eine umwerfende U20-WM gespielt hatte, nach Berlin zu holen.

Rapid sagte nein - wohl, weil man den Preis nach oben zu treiben, nicht so sehr um (wie es offiziell hieß) das junge Talent zu halten. Denn obwohl Rapid kein Ausbildungsverein sein will: von Verkäufen wie diesen sollte/muß ein österreichischer Club (auch) leben. Alles andere wäre lächerlich.

Die Verhandlungen scheiterten also.
Nach diesem endgültigem Scheitern des Hertha-Traums im Winter 07 wurde Veli Kavlak, der bis dahin gut und recht regelmäßig gespielt hatte, kaum noch eingesetzt, viel kritisiert und wenig gefördert. Und hatte immer die Hertha-Erinnerung im Hinterkopf, was ihn nur trauriger, nicht besser machte.

Kavlak verletzte sich, spielte kein gutes Frühjahr, wurde von Ümit Korkmaz überholt und verpaßte die Euro, kam nicht einmal in den 31er-Kader (wie auch andere gebremste Junge wie Junuzovic oder Salmutter nicht) von Josef Hickersberger.

Mittlerweile wird Kavlaks Marktwert auf knapp über 1 Million Euro geschätzt, er spielt kaum noch, derzeit absolviert er auch noch seinen Bundesheer-Dienst.
Am Samstag kam er in der 93. Minute zum Einsatz.
Ich habe fast geheult.

Geschichte 3: der Rechtsverteidiger

Untertitel: ein Mikrodrama über Versagen vorm ersten Antreten.

Es war Didi Constantinis erste öffentliche Tat: die Bekanntgabe des Teamkaders fürs WM-Quali-Spiel gegen Rumänien vor zehn Tagen.
Am Vortag war kurzfristig György Garics ausgefallen, seit einiger Zeit (allerdings erst nach seiner Flucht nach Italien - bei Rapid hätte er sich niemals so entwickeln können) fixe Größe auf der Rechts-Verteidiger-Position.

In Constantinis Kader gab es nach diesem Ausfall dann keinen richtigen Rechtsverteidiger, auch nicht auf der Abrufliste.
Ich habe mir erlaubt nachzufragen und bekam von Constantini eine Antwort der Art "mochmascho" - die Standard-Reaktion österreichischer Trainer. Ibertsberger, so sagte er, könne ja eh auch rechts spielen.
Ja, eh. Tut er nur nicht, aktuell in Hoffenheim. Wahrscheinlich bewußt.
Und: einen echten Rechten hat das Team dann halt nicht. Und sonst? Nächste Frage.

Gestern nun verletzt sich dieser Andi Ibertsberger.
Und ganz plötzlich wird die ÖFB-Führung panisch, kündigt an, dass man überlegen und nach der Sonntags-Runde jemanden nachnominieren werde, vielleicht.

Nun: wer sich da schion vorher seine Gedanken gemacht hätte, der müßte sich dann am Wochenende nicht stressen lassen. Gedankenlosigkeit ist keine Tugend, auch nicht für einen Fußball-Nationalcoach.

Theoretisch als Rechtsverteidiger möglich:
Ausland:
Garics, Ibertsberger (verletzt)
Prödl, Stranzl (ungern)
Ertl (spielt aber nie)
Dag, Plasnegger und auch Harnik (eher rechts Offensive)
Inland:
Dober, Thonhofer (ja, eh)
Tanju Kayhan (verletzt)
Krammer, Standfest (ojeh)
Schiemer (ungern)
Hölzl (offensiv)
Piermayr (wird das wohl in der U21 spielen)
Brenner, Hadzic, Hackmair, Gansterer, Hart ...
Bubenik, Hinum, Mimm, Stückler, Osoinik, Dunst...

Denn: das Problem ist tatsächlich nicht so simpel zu lösen.

Prödl spielt derzeit in Bremen, wenn er spielt, rechts. Aber nicht gerne. Schiemer hat früher in Ried einen tadellosen Rechtsverteidiger gespielt, ehe er für die Mitte umgeschult wurde. Und sogar dem aussortierten Martin Stranzl wurde in Russland beigebracht auch rechts zu spielen.

Und natürlich geht das auch andersrum: Co Adriaanse weiß schon, warum er derzeit den allerorten als reinen Linksverteidiger bekannte Ronnie Gercaliu in die Mitte stellt. Der kann das, der hat auf dieser Position schon eine Euro durchgespielt (eine U17-Euro, eine höchst erfolgreiche sogar). Nur: im Verein kann man da lange hart dran arbeiten - beim Nationalteam sollten die besten Spieler auf ihren besten Positionen spielen, ganz ohne Not-Umschulungen.

Also berief Constantini heute nachmittag Andreas Dober von Rapid nach, den einzigen Rechtsverteidiger, der ersthaft in Frage kommt. Nach hektischen Telefonaten mit Rapid - denn Pacult hat es nicht so mit Dober, dem muß er vordringlich die Schuld an seinem hatscherten System ohne rechte offensive Flanke geben.

Dober stand nicht auf der umfangreichen Abrufliste.
Wieso eigentlich?
Warum denkt niemand beim ÖFB rechtzeitig über Back-Ups nach? Warum wird das Problem der nicht-existenten Rechtsverteidiger nicht einmal erkannt, wenn man es deutlich anspricht? Warum ist die Berufsauffassung der Verantwortlichen so schludrig? Warum ist es nötig die Klischees des sorglosen Sunnyboy-Teamchefs gleich beim ersten Kader zu bestätigen?

Und vor allem: bleibt das jetzt so?
Es ist gut für Spötter und Dramolett-Schreiber - es ist aber schlecht fürs Qualitäts-Management und das Image des heimischen Kicks.