Erstellt am: 27. 3. 2009 - 20:00 Uhr
Matias Faldbakken ist verdammt schlecht drauf
Misanthropie die; -: Menschenhass, -scheu
(Duden: Das Fremdwörterbuch)
Das Ende einer Trilogie
Simon Skreddernes / Blumenbar-Verlag
Es ist das durchaus mit Spannung erwartete Ende einer Trilogie, was Matias Faldbakken hier abgeliefert hat. Und er enttäuscht nicht. Ein erster Hinweis auf Sex in Absatz zwei. Ein erster Hinweis auf Gewalt noch früher.
Die "skandinavische Misanthropie" ist keine Fortsetzungsgeschichte. Es begegnen einem keine bekannten Figuren. Wohl aber bekannte Muster.
Es geht um antisoziales Verhalten. Nicht als Krankheit, sondern als Lifestyle und als Antwort auf die (Konsum-)Gesellschaft. War es in der Cocka Hola Company eine Pornoproduktionsfirma und bei Macht und Rebel die ekelhafte Welt des Subkultur-Marketings, so dreht sich die Geschichte in Unfun um Computerspiele. Genauer gesagt um die Entwicklung eines Online-Slasher-Game namens "Deathbox".
Kammerspiel nach außen
Faldbakkens Romane lesen sich wie ein schnell geschnittenes Kammerspiel. Eine Hand voll Personen mit seltsamen Namen und unglaublich gut erdachten Biographien machen sich an ein "Projekt", das auf eine große Öffentlichkeit abzielt. Auf dieser Matrix entwickeln sich die Geschichten. Und springen dabei stets von einem Schauplatz, von einer Person zur nächsten.
In Unfun sind das die Anarchistin Lucy, ihr Ex-Mann Slaktus, ihre Zwillingssöhne Atal und Wataman, ein nigerianischer Schauspiel-Star namens Taiwo und Dan Castellaneta, die Stimme von Homer Simpson. Der ist inzwischen - Unfun spielt in der Zukunft - gelähmt, sitzt im Rollstuhl und soll nun der Hauptfigur im Slasher-Game "Deathbox" seine Stimme leihen. Den Körper erhält sie vom Nigerianer Taiwo. "Ein junger, muskulöser Kofi Annan mit satirischem Einschlag und bemerkenswerter Libido". Natürlich mit riesigem Schwanz, wie man es sich von einem "Neger" so erwartet.
Provokation als "artistic tool"
Das Buch strotzt vor solchen Momenten und Stellen, an denen man sich fragt, wozu das jetzt gut ist. Faldbakken spielt auch diesmal mit rassistischen, sexistischen und gewaltverherrlichenden Figuren und lässt keine Gelegenheit zur Sexualisierung und Martialisierung aus. Da werden dann selbst die Oliven in einem Restaurant "groß wie Hoden", die Stimme von Homer Simpson zu einem "Negerhasser" und jahrelange Vergewaltigungen der weiblichen(!) Ich-Erzählerin Lucy zu Nebenbei-Episoden.
Es gehe ihm nicht darum zu provozieren, meint Faldbakken da im Interview mit literaturkritik.tv (zu sehen im YouTube-Video hier unten). Es gehe ihm um Geschichten, in denen Provokation eine Rolle spielt. Er will Provokation thematisieren, und als "artistic tool" problematisieren.
Das macht er allerdings nicht nur in, sondern eben auch mit seinen Büchern. Ob man die erzählten Geschichten cool und lustig finden kann und darf, das sind seit Erscheinen des ersten Teils der Trilogie die zentralen Fragen rund um seine Romane. Und die sind tatsächlich nicht leicht zu beantworten.
Mitten im Gewalt-Diskurs
Blumenbar-Verlag
"Unfun" von Matias Faldbakken ist im März 2009 in einer Übersetzung von Max Stadler im Blumenbar-Verlag erschienen.
Mit seinem Setting rund um die Entwicklung eines Online-Slasher-Games trifft Faldbakken jedenfalls ein zentrales Thema der aktuellen Gewalt-Diskussion. Und er bettet darin keine plumpen "Die-sind-schuld"-Theorien, sondern setzt sich durchaus auf die progressivere Diskurs-Spitze rund um Computerspiele.
Er zeichnet sie als Kunstwerk und Kulturgut, als ein auf den Film folgendes, zukunftsträchtiges, echtes Medium. Die Gewalt in ihnen aber auch als sich manifestierenden Ausdruck gesellschaftlicher Zustände.
Slatkus, gewaltintellektueller Bodybuilder und Mastermind der Entwicklung der "Deathbox" ist in "Unfun" fasziniert ob des Potentiales des Computerspieles als Medium. Dass das Projekt kein gutes Ende nimmt, ahnt, wer Faldbakkens bisherige Bücher kennt.
"Unfun" punktet vor allem dann, wenn es darum geht, schillernde Figuren zu zeichnen. Und sie schillern in altbekannter Faldbakken-Manier. Grindig und blutig. Wer also an der "Cocka Hola Company" und "Macht und Rebel" Gefallen gefunden hat, dem sei auch dieser Roman ans Herz gelegt. Auch wenn es in "Unfun" tatsächlich nicht mehr viel zu lachen gibt.