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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

21. 3. 2009 - 17:16

Journal '09: 21.3.

Ist gut gemeint wirklich immer das Gegenteil von gut? Über die Young Austrian Music Night von gestern abend.

Für österreichische Musik wird zuwenig getan. Für junge österreichische Musik wird noch weniger getan.
Das sind Gemeinplätze, denen man nicht widersprechen kann. Sie auszusprechen löst keine Probleme, und "es gibt nichts Gutes, außer man tut es" - also tat der szeneumtriebige Michael Krappel (der Beatboxer Fii von Mauf) etwas und erfand eine Veranstaltung und einen Award, die Young Austrian Music Night, den Young Austrian Music Award, und verlieh bei ersterer zweitere, gestern abend in der Szene Wien.

Publikum, Szene Wien, Young Austrian Music Award

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Das ist so gut gemeint, dass ich vorbeischauen musste, obwohl einem das wirklich schwergemacht wurde: keine Promo, keine Website, keine Medien-Kooperationen, keine Flyer, kein Word of Mouth. Wenn Veranstalter Fii nicht ein Facebook-Freund von mir wäre - ich wüsste nichts über diese Veranstaltung.
Über die Idee dahinter, über das Zustandekommen von Nominierungen und Gewinnern weiß ich also auch nichts - stelle aber fest, dass es allen anderen vorort Anwesenden aus dem Bereich Musik/Medien genauso geht.

Nudelsalat und Kuchen von Mama

Zum Beispiel der notorische Manuel Normal. Der ist nominiert - aber nicht als Künstler, sondern in der Kategorie "Label". Ein wenig seltsam, sagt der extra aus OÖ Angereiste, wäre das schon: schließlich würden sich auf seinem Label gerade 3 aktive Bands befinden, es wär also eher sowas wie ein Freundeskreis, aber bitte.

Szene Wien, Young Austrian Music Award, Menschen an der Bar

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Vordergrund: Herrn Normals Hinterkopf, Hintergrund: Herbstrock

Die anderen Labels sind mir nicht so genau bekannt, aber die drei, vier hochaktiven heimischen Ställe, die ich kenne, sind nicht dabei in der engeren Auswahl. Ja, sagt ein anwesender Szene-Papst süffisant, die Auswahl ist nicht nur in dieser Kategorie seltsam, vorsichtig gesagt.

Weder er, noch der Normale noch ich hatten bei diesen Gesprächen irgendwelche Unterstellungen mitlaufen - für diese proto-österreichische Verbitterungs-Ausfälle war der Abend (samt Nudelsalat-Buffet und Kuchen von Mama) einfach zu liebevoll und nett organisiert.
Aber die lächelnde Nachfrage nach irgendeiner Logik oder sowas wie Kriterien war das Leitmotiv eines seltsamen Abends.
Eines leider auch noch schwach besuchten Abends.
Als die beiden Hauptpreise (Beste Band und Bester Song) verliehen wurden, verloren sich gerade einmal 40 Leute im Szene-Konzertraum. Und die Reaktion der best-song-Gewinnerin Coshiva war dann dementsprechend: nicht wissen, ob man da lachen oder weinen soll; nicht wissen, ob dieser Preis jetzt ein Scherz, tiefer Ernst oder gar eine Entsprechung der Paraolympics wäre - der böse Vergleich ist von Manuel Normal (und er ist ihm anlässlich der "neuen Österreicher" eingefallen), nicht von mir. Aber er trifft.

Jetzt kann man sagen: wurscht.

Szene Wien, Young Austrian Music Award, Bühne

blumenau

Hauptsache Gutes-Tut es.
Ja.
Eh.
Auch.

Aber: richtet ein derart ungeplant, undurchdacht, formal dilletantisch hingesetzter und massiv unbesuchter Abend nicht noch mehr Schaden an? Wird sowas wie eine "unabhängige junge Szene" (denn für die war der Preis ja gedacht) damit nicht noch zusätzlich desavouiert?

Das einzige anwesende Kamerateam war von Wien-Web-TV (die mangelnde Medien-Präsenz wurde von der Bühne aus angesprochen - dass sie auf eine nicht-existente Einladungs-Politik zurückzuführen ist, verschwiegen). Der zuständige Redakteur hatte keine Ahnung wo er war, hielt die dort auftretenden (mir unbekannten) Kinsky für Kreisky, glaubte aber (und das war via süffisanter Fragestellung deutlich herauszuhören) sich mit Spott über eine Kasperl-Veranstaltung erheben zu müssen.

Frage:

kaum Publikum, Szene Wien, Young Austrian Music Award

blumenau

Der Zuschauer-Bereich bei der Sieger-Bekanntgabe

Ist das notwendig? Dass sich eine völlig ahnungs-, ideen-, und konzeptlose Medienszene über das Objekt der Berichterstattung lustig macht, als wär es Heinzls Lugner? Und das mit Berechtigung? Muss man den Ball zum Eigentor so patschert auflegen?

Weitere Frage: Desavouieren liebe, gut gemeinte, aber völlig hopperdatschige Projekte wie diese das, was sie befördern wollen, nicht viel mehr als sie es verbessern?

Ich habe nichts gegen die Band "Jerx", weil sie mir komplett unbekannt ist - man kann sie auch als beste Band des Jahres abfeiern, sollte dann aber nicht Acts wie Russkaja nominiert haben. Same for Coshiva und Mono&Nikitaman oder Soap&Skin.

Da die Verleihungen von so gut wie niemandem gesehen wurde, weiß im übrigen auch keiner außer diesen 40 wer insgesamt so gewonnen hat - es gibt auch 18 Stunden nach der Veranstaltung noch keine Aussendung der YAMA-Gewinner.

Amadeus & beyond

Young Austrian Music Award - Ablauf.

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Ich will da, um nicht falsch verstanden zu werden, nicht einem Mainstream-Preis wie dem Amadeus ein Monopol herbeireden. Mir ist auch die Schaffung eines puristischer Indie-Preises nicht so wichtig. Sich einen österreichischen Musik-Preis für die Nachdrängenden, die jungen, den Nachwuchs-Bereich zu überlegen, ist eine gute und notwendige Sache.

Hier wäre noch Platz um Sieger nachzureichen.

Siegerin Coshiva

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Coshiva

Und es gibt in der Branche, im Musik-Bereich einige Menschen, die sich da was überlegen, die da an sowas arbeiten; und zwar durchaus in der übergreifenden Grauzone zwischen Indie und Pop mit Mainstream-Appeal, zwischen FM4- und Ö3-Musik und darüber hinaus. Da gibt es einiges an Möglichkeiten, da gibt es genügend Kulturschaffende, die Zustände drängen geradezu danach, dass was passiert.
Aber: Es sollt halt was G'scheites sein, was da passiert.

Das unbedachte Vorpreschen von Fii zeigt aber deutlich, wie nötig es ist, hier wirklich genau zu planen, exakt vorzugehen, transparente Strukturen zu schaffen und eine halbwegs würdige Veranstaltung in halbwegs würdigen Layout vor mehr als 100 Leuten abzuführen.

Und: gut gemeint ist doch fast immer das Gegenteil von gut.
Leider.