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Rafael Reisenhofer Osnabrück

Lebt und studiert in Osnabrück

26. 3. 2009 - 14:35

Studieren mit Beihilfen

Bummelnd studieren in Einklang mit Finanzamt und Sozialstaat war gestern. Heute steht man mit dem falschen sozialen Hintergrund und einem verlorenen Semester ganz schnell vor dem Verlust der Existenzgrundlage.

Ein Österreichisches Ortsschild mit der Aufschrift "Äußere Einöde"

kliefi/flickr.com

Symbolfoto

Hinterm Wald

K. kommt aus der Provinz, der Einöde, dem hintersten Winkel. K.'s Heimatdorf sind vier Bauernhäuser an den Biegungen einer Gemeindestraße. Durchquert man es mit einem den Einheimischen unbekannten Auto, so glühen die Kaffeetische. K's Familie ist Teil dessen, was Politiker wie Fachmänner in einschlägigen Papieren gerne als bildungsferne Schicht bezeichnen. Museumsbesuche in der Landeshauptstadt oder regelmäßige Ausflüge ins Kindertheater stehen hier nicht auf dem pädagogischen Programm. Ein Hauptschulabschluss mit anschließender Lehre in einem klassisch weiblichen Berufsfeld, Nachwuchs mit Anfang zwanzig, das sind die gängigsten Karriereperspektiven. Entgegen den Erwartungen sticht K. in der Hauptschule heraus. Im positiven Sinn, mit Interesse und exzellenten Leistungen. Wenn sie schon so begabt sei, meinen die Eltern, solle sie doch auf ein Gymnasium wechseln. Der erste Vorstoß der Tochter wider die soziale Undurchlässigkeit wird mit christlichem Gleichmut hingenommen. Die Zeit der höheren allgemeinen Bildung ist für K. ein klarer Fortschritt, nach der Matura aber will sie endgültig weg. Möglichst weit und möglichst definitiv.

Die Großstadt

Die Wahl fällt naturgemäß auf Wien, wo K. im Wintersemester 2006 mit dem Studium der Kunstgeschichte beginnt. Mehr Kontrast zu Herkunft, Heimat und Vergangenheit ist innerhalb unserer kleinen Republik schwer möglich. K. zieht mit dem Vorhaben aus, jeglichen Kontakt zu ihrem früheren Leben abzubrechen. Und auch wenn gerade die Mutter unter diesen Umständen sichtlich leidet - wiederum ertragen die Eltern den Bruch ihrer Erstgeborenen geduldig und tun mit einem kleinen Sparbuch ihr finanziell Möglichstes zur Unterstützung. K. bezieht gemeinsam mit einer Freundin ein ekliges, enges Zimmer in einem entsprechend billigen Studentenwohnheim und steht vorerst halbwegs stabil auf eigenen Beinen. Studien- und Familienbeihilfe summieren sich auf etwa 600 €, die damals noch existierenden Studiengebühren entfallen, mit etwas reduzierten Ansprüchen und einem wachen Auge im Supermarkt bleibt am Ende des Monats sogar noch etwas übrig. K. kommt gut über die Runden, das Sozialsystem funktioniert.

Ein Gang in der Universität Wien, vereinhzelt von Studenten bevölkert.

krawallo²/flickr.com

Der Einstieg ins Studium gelingt mit Mühen und nicht ohne Kulturschock. Vom Bologna-Prozess noch unbehelligt, wartet auf die angehende Kunsthistorikerin kein fest vorgeschriebener Stundenplan, sondern ein gerüttelt Maß an Eigenverantwortung und Selbstorganisation. Beides Dinge, mit denen sie gerade anfangs Schwierigkeiten hat. Von den Vorlesungen selbst ist K. enttäuscht. Zu viel Information würde den Studenten zu kompakt und frontal in möglichst kurzer Zeit an den Kopf geworfen werden. Überdies besteht der Eindruck, als wäre einigen Professoren die Lehre eine lästige Pflicht, eine unvermeidliche Begleiterscheinung ihrer wahren Berufung, der Forschung. Dennoch verlaufen die ersten beiden Semester weitestgehend nach Plan. K.'s Studienerfolg entspricht im Durchschnitt dem ihrer Kommilitonen und im Lauf des Jahres gelingt es sogar, mit dem langjährigen Freund zusammenziehen und somit der dicken Luft des Studentenwohnheims zu entkommen.

Fehleinschätzung

Genaueres zum Thema Studium und Geld weiß selbstverständlich die Österreichische HochschülerInnenschaft.

Im Winter 2007 begeht K. einen entscheidenden Fehltritt. Mit einem laufenden Studium, einer eigenen Wohnung und einem funktionierenden sozialen Netz im Rücken, beschließt sie, einen Nebenjob anzunehmen. Die Arbeit in einem Wiener Tanzstudio kommt mit den für Studentenjobs üblichen Modalitäten. Im Schnitt 15 Wochenstunden werden mit einem Mindestlohn abgeglichen und auch wenn die Tätigkeit selbst in jeder Hinsicht erträglich ist, ja in guten Momenten sogar Spaß macht, die damit einhergehenden Einbrüche des Studienerfolgs wiegen schwer. K. scheitert am Zeitmanagement. Während es manchen ihrer Kolleginnen gelingt, unter größtem persönlichen Einsatz sogar zwei Nebenjobs mit dem Studium zu vereinen, ist für K. das dritte Semester über weite Strecken ein verlorenes. Sie zieht die Schlüsse und reduziert mit Beginn des neuen Jahres ihre Mehrwert schaffenden Aktivitäten wieder auf ein Minimum. Rückblickend bleibt bis auf ein paar hart verdiente Euro nicht mehr, als ein wenig Erkenntnis.

Ein schwarzes T-Shirt, mit einem Aufdruck "Reiche Eltern für alle", der sich über die gesamte Brust erstreckt.

indymedia.org

Ja, bitte!

Existenzdruck

Im vierten Semester studiert K. unter Hochdruck und mit voller Kapazität, der auf zwei Jahre angesetzte erste Studienabschnitt bleibt aber dennoch unvollendet. Familien- wie Studienbeihilfe erlauben diesbezüglich ein Toleranzsemester, erstmals während ihrer Zeit in Wien sieht sich K. mit tatsächlichem Existenzdruck konfrontiert. Sie erhöht ihr Pensum, macht, was geht, lebt vier Monate lang fast ausschließlich für ihr Studium. Vergebens. Pünktlich mit Ende Jänner dieses Jahres werden die drei noch ausständigen Prüfungen schlagend und das Finanzamt stoppt die Auszahlung aller bisherigen Zuwendungen. K.'s weitere Zukunft als Studentin steht damit auf der Kippe. Finanzielle Unterstützung von elterlicher Seite ist schlicht nicht möglich und ihre eigenen Rücklagen reichen maximal für ein weiteres Semester.

Happy End

Vor zwei Wochen legte K. die letzte noch fehlende Prüfung im ersten Studienabschnitt der Kunstgeschichte erfolgreich ab. Seitdem hat sie wieder vollen Anspruch auf Familien- und Studienbeihilfe. Im Falle Letzterer sogar rückwirkend. Es geht also weiter. Vorerst.