Erstellt am: 21. 3. 2009 - 11:39 Uhr
Sarah Kuttners "Mängelexemplar"
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Im Interview erzählt Kuttner, dass ihre nähere Umgebung schon immer mal meinte: Schreib doch mal ein Buch – allein, Sarah hatte kein Thema. Bis ihr auf einer nächtlichen Autofahrt doch eine Idee kam. Zuhause angekommen setzte sie sich an den Computer und zweieinhalb Monate später war das Ding fertig. "Ich hatte einfach dieses Thema irgendwann im Kopf und so gewisse Leidensgeschichten aus meinem Umfeld und dachte, ich versuch die jetzt alle in einer Person zu manifestieren."
"Wenn eine Depression ein fucking Event ist, dann ist das doch, ähm, cool. Nur ich möchte meine Karten für dieses Event gern bei eBay wieder verkaufen, wenn das bitte ginge?"
S. Fischer Verlag
In "Mängelexemplar" erzählt Sarah Kuttner die Geschichte der 27jährigen Karo. Über ein Jahr begleitet sie die junge Frau. Aber es ist eben kein Leben zwischen Partymachen, Fun und Job, sondern eines zwischen psychologischen Notfallambulanzen, Panikattacken und dem Wiedereinzug bei der Mutter – die selbst psychisch nicht allzu stabil ist. Kurzum, es geht um eine Mitzwanzigerin, durch deren Leben sich plötzlich ein Riss zieht, und dieser Riss heißt Depression.
Kuttner sagt über ihre Protagonistin, dass diese doch mehr durchs Leben stolpert als läuft; bestimmte Sachen kann diese Karo einfach nicht gut und bestimmte Sachen wurden nicht gut mit ihr gemacht und deswegen ist aus ihr dieses merkwürdige kleine Menschlein geworden.
Sarah Kuttner
Den Namen Kuttner verbindet man ja vor allem mit ihren Fernsehshows oder ihren Kolumnen, die auch als Sammlungen erschienen. 2006 "Das oblatendünne Eis des halben Zweidrittelwissens" sowie 2007 "Die anstrengende Daueranwesenheit der Gegenwart".
Florian Kolmer
Kuttners Roman-Schreibstil unterscheidet sich von ihrer etwas schnoddrigen Redeweise und auch von der Art, in der ihre Kolumnen geschrieben sind - für mich zumindest. Sie selbst meint: "Es ist ja immer noch auch ein sehr lautes Buch. Auch sehr lustig. Und es wird hie und da recht klare Sprache benutzt; (...) ich hab eher häufig gehört, dass Leute verwundert waren darüber, wie man so ein Thema mit so zeitgemäßer Sprache schreiben kann." Und ja, zeitgemäß passt genau. Der Stil ist flüssig. Poppig. Trotz des heftigen Themas.
Vielleicht könnte man sagen, dass "Mängelexemplar" eine moderne Version der Themenvariationen von Hannah Greens "Ich hab dir nie einen Rosengarten versprochen" oder Sylvia Plaths "Die Glasglocke" ist.
Ein (Tabu-)Thema quasi aufbereitet für die MTV-Generation? Literarisch funktioniert es jedenfalls super, medizinisch vermag ich das nicht beurteilen.
Kein Jammerbuch
S. Fischer Verlag
Mängelexemplar von Sarah Kuttner ist im S. Fischer Verlag erschienen.
Das Buch bemüht sich schon, kein Jammerbuch zu sein, sagt Kuttner. Und dass das Topic einfach präsent ist: "Ich finde, dass das ein Thema ist, was schon immer allgegenwärtig ist und dann hab ich einfach gemerkt, dass das auch in meinem näheren Umkreis in irgendeiner Form Thema ist und dann dachte ich, vielleicht versuch ich mal ein Buch drüber zu schreiben und so verschiedene Erfahrungen von Freunden und Bekannten in eine Geschichte zu pressen."
Natürlich will man dann noch eines wissen, nämlich wie viel denn von Sarah in ihrer Romanfigur steckt: "Ich hab Karo so ein bisschen meine Ansichten geborgt, weil sich ja jetzt nicht alles nur um Depression dreht, sondern auch ums normale Leben, um Liebenskummer, um Arbeit, um Humor, um wie geht man mit Menschen um."
Im Moment ist Sarah Kuttner noch ganz mit diesem Roman beschäftigt, möchte damit im Herbst auf Lesereise gehen und will, wie sie sagt, gedanklich noch nicht bei der nächsten Susi oder dem nächsten Klaus sein. Neue Buchpläne gibt es deshalb erstmal noch nicht. Ich jedenfalls bin schon neugierig auf die nächste Susi und den nächsten Klaus.