Erstellt am: 19. 3. 2009 - 06:45 Uhr
Zuckersüße Jugendsünden

Stian Andersen
Ich kann mich noch gut daran erinnern, das vor vier Jahren das letzte Röyksopp Album The Understanding kontroverse Diskussionen, oder vielmehr gemischte Gefühle auslöste, die von Begeisterung bis zur totalen Ablehnung reichten. Die Single "Only This Moment" hat mit ihrer extrem Bubblegum-Pop Ausrichtung die Anhängerschaft verschreckt, die Svein Berge und Torbjörn Brundtland für ihre chilligen und geschmackvollen Elektro-Dance Tracks geliebt hatten. Auch die Kooperation mit Erlend Oye wurde damals auf Eis gelegt, was vielen Fans sauer aufstieß.
Daher waren Erwartungshaltungen oder ungeduldiges Warten auf ein neues Werk nicht wirklich spürbar. Und insofern ist das neue Album "Junior" gleichzeitig eine Überraschung, wie auch ein deutliches Zeichen dafür, dass das Produzentenduo ihre Freude und ihren Spaß am digitalen Pop noch lange nicht verloren haben.
Alchemie und Bergwerksromantik
Man habe lange und tief gegraben, heißt es von Svein und Torbjörn, wobei sie sich noch weiterer Bergbaumetaphern bedienen, um die Arbeit am neuen Album zu beschreiben. Die bemühte Suche nach Analogien, die in einem von der Presse und Journalisten leicht zu übernehmenden Text verpackt werden sollten, ist nicht wirklich geglückt. Denn "Junior" vermittelt von Anfang an leichte und schamlos klindliche Elektro-Ästhetik. Es klingt fast so, als hätten Svein und Torbjön die elf Nummern in an Zauber grenzender Schnelligkeit und mit behender Leichtigkeit zusammengschraubt.

Stian Andersen
Die erste Single und Album-Eröffnungsnummer "Happy Up There" schließt mit ihrer heiter hüpfenden Melodie und dem satten Hip Hop Beat nahtlos an das Debüt "Melody A.M." an. Und nach drei Minuten spürt man wieder, was einen schon vor sieben Jahren am Sound so viel Spaß gemacht hat.
Die Alchemie-Metapher, die ebenfalls im Pressetext auftaucht, trifft bei weitem besser zu, als die der untertags arbeitenden Soundschürfer. Denn die beiden Elektroproduzenten sind wahre Meister des Konzepts "Aus wenig mach mehr". In dem Song "The Girld And The Robot" zum Beispiel wird nicht nur soundtechnisch dick aufgetragen. Der schwedische Popstar Robyn verzehrt sich darin nach der Liebe zu einem Android, die theatralische Plastikpopnummer hätte selbst Madonna nicht besser interpretieren könnte.
Doch zu richtigem Gold werden die neuen Röyksopp Songs, wenn die grandiose Stimme von The Knifes Karin Dreijer-Andresson über dem hypnotischen, düsteren Rhythmus des paranoid-technoiden "Tricky Tricky" kreist. Mit seltsamem Akzent und verwirrenden Textzeilen ist dieses Stück eine wahre Glanzleistung, die sich langsam aber bestimmt zu einem neurotischen Discokracher hochschraubt.
Zwischen jugendlicher Naivität und alter Abgeklärtheit

Stian Andersen
Manche Songs funktionieren besonders aufgrund der Reihenfolge exretm gut. So würde "Tricky Tricky" nicht dermaßen stark herausstechen, wäre ihm nicht eine kuschlige, aber nicht minder geniale Komposition vorangestellt. "Miss It So Much" stolpert nämlich mit derart charmanten Bassdrumkicks daher, dass seine magische Naivität lediglich von Lykke Lis Gesang übertroffen wird. Über zuckersüße Hamonien singt die derzeitige schwedische Königin des Indiepops in ihrer typisch unschuldigen Art über die große Liebe, wie es eigentlich nur jugendlicher Euphorie vorbehalten ist. Selbst nach einmaligem Hören ist die Wahrscheinlichkeit, den Song über mehrere Nächte im Kopf zu haben, sehr groß.
Gleichzeitig präsentieren sich Svein Berge und Torbjörn Brundtland von ihrer abgeklärten Seite, wenn sie nicht ganz frei von Selbstironie in der Instrumentalhymne "Röyksopp Forever" all ihre großen Vorbilder huldigen, durch die sie auf den Geschmack elektronischer Musik gekommen sind. Herauszuhören in dem opulenten, mit Streichern und synthetischen Chören aufgemotzten Stück sind Referenzen auf Vangelis, Jean Michel Jarre oder gar Tangerine Dreams. Selbst hier betreiben Röyksopp keine arrogante Nabelschau, sondern vermitteln ihre erneuerte Freude am detailverliebten Produzieren.
Jung versus Alt

Röyksopp/EMI
Es würde noch weitere Songs auf "Junior" geben, die eine Erwähnung Wert wären (wie das sehnsüchtige "You Don't Have A Clue" oder das betörende "Vision One"), die das ganze Konzept des Albums abrunden. Denn eigentlich ist diese Veröffentlichung nur der erste Teil eines größeren Ganzen. Wie Svein erzählt, haben Röyksopp nämlich an zwei Alben gleichzeitig gearbetet. Während jetzt das tanzbare Discowerk vorliegt, wird später dieses Jahr der zurückgelehntere Gegenpart, entsprechend "Senior" betitelt, veröffentlicht. Die Norweger versichern gleich nach Bekanntgabe ihres Konzepts, dass auf dem zweiten Teil mehr als lediglich Chillout-Sampler-Futter zu hören sein wird.
Egal ob mit jugendlicher Naivität oder altersbedingter Abgeklärtheit, Röyksopp scheinen sich selbst und ihrem Sound wieder näher gekommen und spürbar sicherer geworden zu sein. Durchtanzten Nächten und vielleicht der einen oder anderen Live-Show steht also nichts mehr im Wege.
Radio Tipp:
Am Freitag 20. März könnt ihr eine kleine Listening Session durch das Album "Junior" hören, Kommentare von Röyksopp Produzent Svein Berge inklusive. Ab 15:00 Uhr in FM4 Connected.