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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

18. 3. 2009 - 13:31

Fußball-Journal '09-17.

Charakter, Zufall und Absichtslosigkeit. Über Dietmar Constantinis heute präsentierten ersten Teamkader als echter Chefcoach.

Der heute 11 Uhr im Hotel Intercontinental bekanntgegebene ÖFB-Kader fürs WM-Qualifikationsspiel gegen Rumänien am 1. April in Klagenfurt:

Tor: Michael Gspurning (Xanthi/GRE), Jürgen Macho (AEK/GRE), Andreas Schranz (Kärnten)

Abwehr: Aleksandar Dragovic (Austria), Andreas Ibertsberger (Hoffenheim/DEU), Manuel Ortlechner (Kärnten), Emanuel Pogatetz (Middlesbrough/ENG), Sebastian Prödl (Bremen/DEU), Franz Schiemer (Austria), Andreas Ulmer (Salzburg)

Mittelfeld: Daniel Beichler, Andreas Hölzl (Sturm), Christian Fuchs (Bochum/DEU), Zlatko Junuzovic (Kärnten), Ümit Korkmaz (Frankfurt/DEU), Christoph Leitgeb (Salzburg), Yasin Pehlivan (Rapid), Jürgen Säumel (Torino/ITA), Paul Scharner (Wigan/ENG)

Sturm: Marko Arnautovic (Twente/NED), Erwin Hoffer und Stefan Maierhofer(Rapid), Marc Janko (Salzburg).

PS: für den verletzten Leitgeb wird Manuel Weber (Kärnten) nachnominiert.

Anmerkung: wird Arnautovic nächste Woche wegen der Rassismus-Vorwürfe gesperrt, rückt (Achtung, Treppenwitz!) sein Kumpel Rubin Okotie (Austria) nach.

Weiters auf Abruf: Helge Payer (Rapid, Anmerkung Wohlfahrt "noch zu früh!"), Ronald Gercaliu, Rene Aufhauser (Salzburg), Christopher Drazan (Rapid), Peter Hackmair (Ried), Emin Sulimani (Austria) sowie der fürs U21-Team nominierte Veli Kavlak (Rapid).

Verletzt: Alex Manninger (Juve/ITA), György Garics (Atalanta/ITA, kurzfristige Absage, steht vor Knieoperation).

Nicht dabei, abgesprochenerweise: Martin Stranzl (Spartak/RUS), Andreas Ivanschitz (Panathinaikos/GRE)

Andere unberücksichtigte Legionäre: Martin Harnik (Bremen/DEU), Roland Linz (GC/SUI), Marko Stankovic (Triestina/ITA), Roman Kienast (HamKam/NOR), Turgay Bahadir (Kayseri/TUR) und natürlich Rambo Özcan (Hoffenheim/DEU).

Demnächst unter Beobachtung: Ekrem Dag (Besiktas/TUR)

Ausgebootet: Joachim Standfest (Austria), die gesamte Rapid-Abwehr, Mario Kienzl (Sturm), Christoph Saurer und alle LASKler.

Der ebenfalls heute bekanntgegebene U21-Kader von Andi Herzog für die Testspiele gegen Italien (25.3.) und die Schweiz (31.3.):

Tor: Lukas Königshofer (Kärnten), Wolfgang Schober (Salzburg)

Abwehr: Mattin Copier (Alkmaar/NED), Georg Margreitter (Magna), Dominic Pürcher (Grödig/Sturm), Christian Ramsebner (Austria), Manuel Wallner (Grödig), Thomas Piermayr (LASK)

Mittelfeld: Julian Baumgartlinger (1860/DEU), Haris Bukva (Kärnten), Guido Burgstaller (Magna), Robert Gruberbauer (St. Pölten), Stefan Ilsanker (Salzburg), Christoph Mattes (Admira), Jakob Jantscher (Sturm), Matthias Koch (Altach) und Veli Kavlak (Rapid)

Sturm: Thomas Fröschl (Rapid), Matthias Lindner (Mattersburg), Atdhe Nuhiu und Marc Sand (Kärnten)

Auf Abruf sind Tormann David Schartner (Salzburg) sowie Christoph Schösswendter (Vöcklabruck/Rapid), Alexander Grünwald (Magna), Anel Hadzic (Ried), Christian Haselberger (Austria), Thomas Salamon und Manuel Seidl (Mattersburg), Patrick Salomon (Austria Lustenau), Benjamin Sulimani (Austria) und Florian Zellhofer (St. Pölten).

Verletzt sind Michael Madl (Austria),Tanju Kayhan (Rapid), Julius Perstaller (Wacker).
Nicht nominiert ist seltsamerweise Christopher Drazan, der beim A-Team auf Abruf bereitsteht.

Die U17 (Coach Hermann Stadler) bestreitet ihre 1. Quali-Runde (20.3. - Italien, 22.3. Georgien, 25.3. Schottland) in Bad Waltersdorf und Stegersbach mit einem legionärsgespicktem 18er-Kader:

Tor: Georg Blatnik (Kärnten), Daniel Moser (Rapid)

Abwehr: Bernhard Janeczek (Gladbach/DEU), Florian Maier (FAL Linz), Lukas Rath (Mattersburg), Christian Schilling (GAK), Marcel Ziegl (Ried).

Mittelfeld: David Alaba (Bayern/DEU), Tobias Kainz (Heerenveen/NED), Stefan Lainer (der Sohn von Leo Lainer) Daniel Offenbacher und Lukas Gunzinam (Salzburg), Daniel Schmölzer (Sturm).

Sturm: Marco Djuricin (Hertha/DEU), Christoph Knasmüllner (Bayern/DEU), Patrick Farkas (Mattersburg), Philipp Prosenik (der Sohn von Christian Prosenik) und Daniel Luxbacher (Rapid).

Verletzt ist Austria-Tormann Arnberger. Out sind Moritz Leitner (1860/DEU), Marcel Ritzmaier (Kärnten) oder Alex Aschauer (Salzburg).

Er macht das ja recht clever. Aber womöglich ohne Absicht.

Die Viererbande: Zsak, Didi, Peischl, Wohlfahrt.

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Denn natürlich tut es nach dem verschwurbelten Brückner, dem langsamen Hickersberger, dem Sprache zerfetzenden Krankl und dem hysterischen Baric gut, einem Teamchef zuzuhören, der klare knappe Sätze spricht, mit ein bissl Witz garniert und seine Handlungen erklärt. Einfach erklärt, aber immerhin erklärt.

Didi Constantini hat seine erste Personalauswahl gut über die Bühne gebracht: er hat einen populistischen Akt gesetzt, und (dadurch, und wohl ohne Absicht, auch hier) ein extrem junges Team nominiert.
Der populistische Akt: der bereits seit seinem Antritt zu ahnende Verzicht auf die Kapitäne Ivanschitz (den nominellen) und Stranzl (den realen) - einfach, weil sie beide seit einigen Monaten durchgehend wenig spielen und deshalb nicht in Tritt sind. Bei Ivanschitz kam noch dazu, dass man ihn aus der Schusslinie als ewigen Sündenbock für alles, was so schiefläuft nehmen musste: Constantini spricht vom übergroßen Druck, der immer auf Ivanschitz abgeladen würde. Der sei jetzt weg - keine Ausreden mehr; das ist die Hoffnung.

Clever. Ohne Absicht?

Gut: Constantini hat mit beiden Betroffenen länger drüber geredet - das klingt wie eine Selbstverständlichkeit, ist aber keineswegs ÖFB-Praxis.

Nebenwirkung: durch die Herausnahme der beiden Chefs, wegen der kurzfristigen Verletzung des kommunikationstüchtigen Garics und wegen des Verzichts auf alte Hausmacht-Figuren wie Aufhauser und Standfest gibt es in der aktuell einberufenen Mannschaft überhaupt keine Hierarchie, überhaupt keine Leader, überhaupt keine interne Struktur.
Das kann sehr gut, sehr befreiend sein - vor allem, wenn ein einwöchiges Trainingslager ansteht, wo sich Dinge gruppendynamisch ganz von selber einschleifen.

Clever - aber womöglich ohne Absicht. Denn auf die 5 Angesprochenenen musste Constantini verzichten; ich glaube in diesem Fall nicht an Strategie.

Dafür spricht auch die Einberufung von extravielen sehr jungen Spielern. Denn, erinnern wir uns: Constantini ist ein Fan des Oldie-Prinzips.

Pressekonferenz Atmo-Bild

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Das besagt, dass ein paar alte Häute das Mittelalter und die Jungen mitschleppen - in einer solchen Konstellation hat der Coach wenig Teambuilding-Arbeit, und wenig Arbeit zu haben ist ein Ideal, das ich auch Constantini unterstelle.

Die Herrschaft der Jungen

Bloß: im Nationalteam geht das nicht. Die Alten sind lahm und schlecht, und das Mittelalter (die Generation 26+) hat historisch völlig ausgelassen (deren Schwäche ist der entscheidende Grund für das Versagen und Absacken in den letzten Jahren. Die Gründe dafür sind die mantra-artig hier im Journal wiederkehrenden Missstände im gesamten österreichischen Fußball der letzten 10 Jahre) - also bleibt einem Teamchef, der die Besten einladen muss, gar nix anderes über als Aleks Dragovic (18), Daniel Beichler (20), Sladi Junuzovic (21), Marko Arnautovic (19) und Yasin Pehlivan (20) zu nominieren. Zwei davon wohl auch um sicherzugehen, dass sie nicht im letzten Moment von der Türkei/Serbien gekapert werden (oder ist auch das nur zufällig passiert? - bei Arnautovic wars noch Absicht, als Initiative von Herzog).

Dass sich im Kader überhaupt nur 6 Feldspieler finden, die über 25 sind, darf somit nicht verwundern - und rein gefühlt sind Ibertsberger, Pogatetz, Janko und Maierhofer auch eher Jungs als Oldies. Ältester Feldspieler ist im übrigen Manuel Ortlechner, ein Comebacker, ders verdient hat. Nur auf Abruf dabei (und erst nach Leitgebs Verletzung nachnominiert), ein wenig überraschend nach den letzten Meldungen: Manuel Weber.

Womöglich sogar Chancen auf den Kapitän hat der zweitälteste Feldspieler, nämlich Paul Scharner. Denn da ist Constantini heute derartig zurückgerudert, was despektierliche Aussagen seinerseits (beim ersten öffentlichen Auftritt getätigt) betrifft, dass es schon Wildwasser-Olympiaslalomverdächtig war. Er habe Scharners Mentalisten Valentin Hobel (den er unendlich schätzen würde etc.) keineswegs untersagt sich auch ins Teamhotel einzubuchen, ganz im Gegenteil. Man habe telefoniert und sei übereingekommen, blabla etc.

Oberflächen-Polituren

Die ganz junge Welle hat sich also quasi von selber aufgedrängt, womöglich ohne Absicht - und Constantini muss damit umgehen, verkaufstechnisch. Und das kann er gut, und das macht er gut, heute bei der Kader-Bekanntgabe; er redet die Jungen stark, ohne zu übertreiben oder sie durch Süffisanz (Hicke), Torheiten (Krankl) oder Maßlosigkeit (Baric) unter Druck zu setzen.

Natürlich entlarvt sich die Leichtigkeit der ganzen Aktion dann auch recht schnell als Oberflächlichkeit. Etwa, wenn Constantini sein Telefonat mit Peter Pacult zum Thema Pehlivan beschreibt: da ist soviel von Fragen nach dem Charakter die Rede, dass es schon verdächtig wird.

Constantini

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Der Fürst der Finsternis

Es ist überhaupt ununterbrochen nur von emotionalen Kategorien die Rede. Fragen nach Taktik oder System (unter Brückner, auch vor der Euro durchaus noch im Fokus, weil da selbst die Dümmsten gemerkt hatten, wie wichtig das ist) sind nicht vorhanden bzw werden vom Coach weggewischt.

Nicht dass ich ihm hier eine krankleske Monokultur der reinen Motivation oder das unter heimischen Trainern/Ex-Spielern allzu verbreitete "Gehtsaußeundschpütseuchaschpüü!" unterstellen möchte - aber viel ist in dieser Hinsicht nicht zu spüren.

Wie wenig durchdacht die Kader-Zusammenstellung diesbezüglich ist, kommt durch den Ausfall von Rechtsverteidiger Garics zutage: weil da niemand im erweiterten Kader war, gibt es jetzt nämlich gar keinen Spieler für diese Position mehr. Es wird wohl Ibertsberger, der das auch (aber nicht optimal) kann, ausfüllen.
Dass sich ein Teamchef bei seiner Planung kein wirklich sinnvolles Back-Up für wirklich jede Position überlegt hat, sondern improvisieren muss, das ist ein wenig betrüblich mitanzusehen.
Dafür sind 5 Zentral-Verteidiger im Kader.

Hoppla! Plant Constantini etwa die Rückkehr zum 3-5-2?

Hui, mir rinnt der kalte Schauer übern Rücken...
Ich hoffe, ich täusch mich...

Ansonsten regiert das Bauchgefühl. Das scheint der wichtigste Indikator für die Einberufungen zu sein - denn bei diversen Erklärungen kommen soviele Widersprüche zutage (was für den einen gilt, ist beim anderen wieder wurscht etc.).

Zudem steht jetzt der Freundeskreis: Neben Manfred Zsak (wie immer: nur ein nichtssagender Satz) ist jetzt auch Heinz Peischl (auch nur ein Satz: eine ganz wirrer, mit Kulissen, die er errichtern möchte) da, und statt Roger Spry (der nur noch für den Nachwuchs (bis rauf zur U21 zuständig ist) kommt Haberer Michael Steverding.

Im übrigen wird Heimo Pfeifenberger Co-Trainer bei der U21, und der neue Ausbildungs-Verantwortliche des ÖFB, Thomas Janeschitz, übernimmt das ursprünglich einmal Andi Herzog zugedachte U16-Nationalteam.

Tormann-Trainer Franz Wohlfahrt profiliert sich auf der PK, indem er zuerst die neue Nummer 1 (Gspurning) lobt, und dann gönnerhaft ausplaudert, wo genau er ihn noch optimieren wird.

ÖFB-PK-Atmobild 2

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Über den Gegner (Rumänien) weiß Constantini nichts.
Damit beginnt man sich heute zu beschäftigen.
Wirkliche Bedeutung hat das keine.
Die einzige Spielbeobachtung überlässt er Sportdirektor Ruttensteiner, wichtiger ist die eigene Mannschaft.

Auch das ist an sich richtig.

Und auch hier liegt der Verdacht, dass es Constantini aus den falschen, oder: gar keinen, Gründen so macht, recht nahe. Wie bei der Zerstörung einer ungesunden Hierarchie, wie bei der etwas unrunden Kader-Zusammenstellung, wie beim Überbetonen des "Charakters", wie bei der Strategie rund um die Doppelstaatsbürger - wirkt alles wie Zufall, schmeckt alles nach wenig Planung, und schnellem Erledigen, um sich rechtzeitig gmiatlich zusammensetzen zu können.

Dagegen spricht an sich auch nicht so viel - wenn eine Struktur in sich ruht und alles gut funktioniert.
Das ist aber beim ÖFB-Team ebensowenig der Fall wie sonstwo im österreichischen Fußball. Und deshalb hat diese heute offen zur Schau gestellte, herzhafte Herangehensweise auch ein wenig was Bedrohliches an sich.

Aber: immerhin hat Constantini für sein Trainingslager 20 Feldspieler nominiert - das ist ja auch keine ÖFB-Selbstverständlichkeit.