Erstellt am: 18. 3. 2009 - 14:01 Uhr
Zwischen Fischfilet und Knödeltisch
Diagonale
Die Diagonale ist eröffnet. Und sie steht unter neuer Leitung. Filmwissenschaftlerin und Kuratorin Barbara Pichler übernimmt das Festival des österreichischen Films von Birgit Flos und damit auch eine der schwierigsten Stellen in der heimischen Kulturlandschaft. Weil es gilt zwischen verschiedenen Interessensgemeinschaften zu vermitteln, zwischen Förderern, Finanzgebern und Kreativen; weil die Diagonale auch eine Schaubühne sein muss für den österreichischen Film und seine kommerziell erfolgreichen, international reüssierenden Produktionen, gleichzeitig aber auch ihr Potenzial wahrnehmen muss, um marginalisierte Erzählformen des Kinos, wie den Kurz- und den Avantgardefilm, in die Aufmerksamkeitsmitte zu befördern; zudem ein essenzielles Sprungbrett aufstellen soll für die jungen und ganz jungen Talente, die hier ihre ersten Arbeiten vor einem vergleichsweise breiten Publikum zur Diskussion stellen.
Und dann soll all das noch Spaß machen, im besten Fall unverkrampft wirken, was in den letzten Jahren durch über das Kernprogramm gestülpte Diskurse wie etwa den zur "Filmvermittlung" fast schon verunmöglicht worden ist. Die Diagonale soll mühelose Kommunikation ermöglichen, einen selbstverständlichen Austausch zwischen den Anwesenden.
Krisengespräche
Es ist dann auch immer die Zeit, während der gesprochen wird über den Jahres-Output, zu der Fragen gestellt werden wie Wie geht’s denn dem österreichischen Film? als wäre er ein einheitlicher Körper, dem man einen Fieberthermometer in den Arsch steckt um zu sehen, ob er erhöhte Temperatur hat. Das kann man – wie wohl nicht anders zu erwarten – verneinen: Überhitzung hat das heimische Filmschaffen nicht wirklich zu fürchten, erhöhte Risikobereitschaft kann man ihm auch nicht andichten.
Gut geht’s uns! war dann auch der breite Tenor des gestrigen Abends, ausgehend von all den Einladungen zu internationalen Festivals, all den Preisen, die der österreichische Film auch im letzten Jahr für sich verbuchen konnte. Gerade Neuchefin Pichler war es aber dann, die in ihrer konzentrierten, etwas braven Eröffnungsrede hinweisen musste auf die diversen Verschränkungen zwischen realpolitischen Entscheidungen zur Förderung des heimischen Filmschaffens und dem, was sie dann alljährlich auch auftischen kann. Pichler, jedenfalls ich habe es so verstanden, warnte schon auch davor, eine ökonomisch prekäre Gesamtlage auf das österreichische Filmschaffen abzuwälzen, davor, nur mehr auf die sicheren Pferde, auf die etablierten Nischen zu setzen und Experimente zu verweigern.
Glämma
Experimentell gestaltete sich der gestrige Abend jedenfalls nicht, aber das haben Eröffnungsabende so an sich, wenn Brücken geschlagen werden wollen zwischen Branchenvolk und Sponsoren und Politikern. Die im letzten Jahr ins Rahmenprogramm gehobenen Schauspielerpreise, angeblich um das Ansehen der österreichischen Filmakteure und –aktricen zu stärken und sie stärker in den Vordergrund zu rücken (Häh?), waren in diesem Jahr noch nutzloser: nicht, dass ich auch nur irgendein Argument dagegen in Stellung bringen könnte, so großartigen Künstlern wie Josef Hader oder Birgit Minichmayr einen Preis zu geben. Ich finde aber auch keines dafür, außer vielleicht, dass der österreichische Film – wie immer auf der Suche nach einer Identität – für die internationalen Gäste damit ein eindeutiges Gesicht bekommt.
Diagonale
Diagonale
Nicht Fisch, nicht Fleisch
Eröffnungsfilm des Abends war Kleine Fische, das Langfilmdebüt von Marco Antoniazzi: es geht um "family business" und böse Zungen könnten die Überlebensstrategien und Modernisierungsversuche eines kleinen Grätzlers im Wiener Servitenviertel im Wettbewerb gegen einen gesichts- und identitätslosen Supermarkt umlegen auf das Verhältnis zwischen dem heimischen und internationalen Filmschaffen.
Novotny Film
Beide Vergleichsaufbauten scheitern schlussendlich an zu simplen dramaturgischen Modellen: Antoniazzis Film ist charmant besetzt (unter anderem mit Sabrina Reiter) und solide inszeniert, aber eingeklemmt zwischen Erzählkonventionen und ohne Chance, selbstständig zu schnaufen. Die Geschichte von einem jungen Mann, der das Fischgeschäft seines verstorbenen Vaters weiter führt, pendelt zwischen therapeutischem Drama und einer "No Strings Attached"-Mittwochabendfernsehkomödie, hat aber immerhin genügend Dialogschmäh, um das Rad für gute eineinhalb Stunden am Laufen zu halten.
Wie schon gesagt: so ein Eröffnungsfilm muss breitenwirksam sein und insfoern hat Pichler mit "Kleine Fische" die richtige Wahl getroffen. Dass dieser Film nicht für "das junge österreichische Filmschaffen", was auch immer das genau sein mag, einstehen kann und will, war klar. Bleibt zu hoffen, dass die Diagonale 2009 in den nächsten Tagen noch genügend Polemisches nachschießt, um diesen dialogintensiven, kommunikationsfreudigen Eröffnungsabend ein wenig auszugleichen.