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Martin Blumenau

Geschichten aus dem wirklichen Leben.

16. 3. 2009 - 14:05

Journal '09: 16.3.

It's the end of the Tageszeitung as we know it. Ein paar Anmerkungen zur Presse am Sonntag.

Hier was über die Presse am Sonntag im Medien-Fachblatt Medianet, einem Opfer der Finanzkrise - es erscheint nur noch zweimal die Woche, statt wie bisher Dienstag bis Freitag. Das hat auch sehr mit dem heutigen Thema zu tun - aber dazu heißt es bis zum Schluss lesen!

Armin Thurnher war da.
Ein deutliches Zeichen dafür, dass die heute vormittag angesetzte halböffentliche Blatt-Kritik zur Presse am Sonntag, zu der die Geschäftsführung geladen hatte, ernstgenommen wurde. Das kommt so oft nicht vor, dass sich Medienmenschen hinsetzen, offen über Zahlen und Strategien reden - und das nach einer Neuerung, die durchaus im Bewusstsein gesetzt wurde, sich für die bevorstehenden Umwälzungen in der Medien-Branche zu wappnen.

Der Presse am Sonntag, aufgefächert

blumenau

Die Presse am Sonntag

war ja mit durchaus interessiertem Branchen-Blick erwartet worden. Sie wurde im Großen und Ganzen wohlwollend aufgenommen, sowohl optisch als auch vom Themen-Setting, selbst von jenen, die die werblichen Inszenierungen des Chefredakteurs für problematisch halten.

Im übrigen kam in der gesamten Sonntags-Presse-Historie niemand auch nur eine Sekunde lang auf die Idee, die sonst übliche Sonntags-Arbeits-Debatte (von wegen Ladenschluss, Sonntags-Öffnungszeiten des Handel etc) anzuzünden. Das könnte zeigen, welch marginalisierte Rolle die katholische Kirche (die sonst hinter diesen Debatten steckt) selbst im Leben der konservativen Reichshälfte spielt (wiewohl sie ja über die Styria zu den Besitzern der Presse gehört). Man könnte aber auch anmerken: sobald damit Geschäfte zu lukrieren sind, ist der Kirche ihr eigenes Credo ganz unglaublich wurscht.

Neben dem Offensichtlichen (dem privaten Benefit, dem Lesegefühl an einem Sonntag, lieblichen Nichtigkeiten wie der Debatte 'zuviel oder zuwenig Sport') ist in der Nachlese auch das Hintergründige beachtenswert: dass die Presse aus den sogenannten Klaubeuteln tatsächlich 5000 Euro (allerdings pro Monat) lukriert; dass die Verantwortlichen davon ausgehen, dass 50.000 der österreichweit 60.000 ausgestellten Exemplare weggegangen sind; oder, dass die Expansion auf den siebten Tag als Maßnahme gegen eine wirtschaftlich eigentlich nötige Einsparung von 20% (Redaktion, Output, Inhalt, whatever...) unternommen wurde. Jetzt produzieren diesselben Menschen einfach eine Zeitung pro Woche mehr.

Salami-Prekarisierung

Das weist direkt in eine wenig vielversprechende Zukunft: in eine zunehmend prekarisierte nämlich.
Denn die organisatorische Verlagerung der Redaktionsabläufe und die deutliche Aufstockung der Arbeitszeiten gingen ohne viel Echo über die Bühne: einzig die zuständige Gewerkschaft merkte Kritisches an (hier der Link zum pdf-file der GPA-djp). Für einen riesigen Aufschrei, wie es die zwei Stunden Mehrarbeit für die Lehrerschaft nach sich zog, ist die Salami-Taktik der Verleger zu schlau (und versteckt) vorgetragen.

Zumindest im Fall der Sonntags-Presse wird nicht auch noch die Gratis-Produktion einer Web-Entsprechung gefordert. Denn die gibt es nicht. Man macht ein reines Print-Produkt für einen bestimmten Tag. Punkt.

Falls sich jemand mit einem Mitt/End80eroder nochspäter-Geburtsdatum fragt, worauf der Titel dieser Geschichte bezogen ist: darauf natürlich!
Nein, Schmäh, das ist das Original.

Und hier covern Julia Nunes und ihre Ukulele die Killers. Und hier Kanye West. Und da God only knows.

Auch in diesem Zusammenhang präsentierte sich die Presse-Geschäftsführung ganz offen. Das ist eine der spezifischen Qualitäten dieser "Männer-Partie" von 35 - 55-Jährigen in ihren hübschen "Sonntagsanzügen" (ironische Zitate von Waltraud Langer, ORF 1-Infochefin): ein fröhlich-flott-bürgerliches "klares Bekenntnis zu freier unternehmerischer Initiative" (die offizielle Blattlinie) hat den ein wenig verschämten, sich vor intellektueller Kritik fürchtenden und sehr steifen Kapitalismus-Ansatz der alten Presse ersetzt.

Medianet-Cover zur Presse am Sonntag.

medianet

Sonntags-Presse Macher Nowak, Fleischhacker, Ultsch

Das ist keine Wertung,

nur eine Feststellung.
Denn diese neue Haltung macht die radikaleren Denkansätze, unter denen die Redaktionsleiter den "Sonntag" neu erfunden haben, erst möglich.
Wenn, so Chefredakteur Fleischhacker heute, die Welt eh gerade untergeht (Stichwort Finanzkrise), und wenn das Tageszeitungsgeschäft eh bald zusammenklappt (Stichwort digitale Medien), dann ist es sinnvoll sich auf die drei Print-Inseln zu flüchten.
Und die hießen: Freitag, Samstag und Sonntag.

In der Folge spekulierte Fleischhacker dann (im Ping Pong mit Thurnher) mit einer möglichen Zukunft der Tageszeitung als Hybrid: Unter der Woche dürr und gratis, an den drei Insel-Tagen dann anzeigenintensiv und verkaufsorientiert. Wie man das spezifisch österreichische Problem der Schenk-Zeitung am Sonntag wegkriegen will, blieb offen. Das hat damals die Kronen-Zeitung erfunden, um ihre Markt-Dominanz zu stärken und den Mitbewerbern eine potentielle Einnahme-Quelle zu verbauen. Vielleicht wartet man da auf das Ableben des Zaren um den Markt neu zu verhandeln, aber das führt in den reinen Spekulations-Bereich.

Hier der Link zu einer kleinen Polemik gegen die Presse von Blattsalat-Traxler im Standard.

Der Sonntagsanzug

Ich denke, dass die wahrscheinlich weltweit ähnliche Print-Sonntagsanzugs-Partie da ähnlich denkt und auch ähnlich handeln wird. Und weil ja, wie Fleischhacker dann - auch wieder: in aller Offenheit - ansprach, es wohl weltweit keine Tageszeitung gibt, die Montag bis Mittwoch kostendeckend produziert (oder gar einen Break Even erreicht), wird sich diese jetzt noch wild klingende Vision recht schnell einschleifen, ganz praktisch.

Damit das hier nicht so tut, als würde es die kleine Kooperation mit der Presse am Sonntag verschweigen: die heißt Song zum Sonntag, fand sich auf Seite 74, Thema: LesenHören, ganz unten, und behandelt jede Woche ein einzelnes Stück.
FM4 kooperiert auch mit dem Standard, z.B. beim aktuell gestarteten Literaturwettbewerb Wortlaut, damit da jetzt keiner wegen Nicht-Ausgewogenheit herumjammert....

It's the end of the Tageszeitung as we know it.
Es wird zunehmend dünnere, zunehmend gratissere Wochentags-Ausgaben geben (Qualitätszeitung hin oder her) - und man wird sich auf die Insel-Tage konzentrieren, vielleicht noch den Donnerstag durch eine Aufwertung mittels toller Beilage (wobei der jeweilige USP noch der Fantasie der Macher überlassen ist) mitreinholen, und dort das Geschäft suchen.
Und das schon bald.

Quasi morgen.

Wer sich an Herkömmlichkeiten wie einer reinen Tagesdenkstruktur festhält (egal ob aus ökonomischer Begrenztheit, fehlernder Denk-Abstraktion oder gar Uneinsicht in die Medienkonvergenz) wird da abfallen, und zwar runter in eine Kluft, die sich jetzt schon auftut zwischen den Zeitungen, die wissen, was sie sind, und denen, die nur Überkommenes verwalten.

Man müsse, sagt Fleischhacker, den Qualitätsjournalismus, den man wolle und brauche, jetzt sichern und finanzieren. Das meint zwar auch, dass man sich im Rahmen der eigenen "unternehmerischen Initiative" seine eigenen Kriterien bauen und das Level natürlich ökonomisch dementsprechend deckeln wird (eine Denke, die den Journalismus dann letztlich wiederum zur bloßen Content-Liefer-Maschine degradiert, aber so sieht die Welt aus der Sicht des Sonntagsanzugs eben aus), ist aber derzeit der einzige diesbezügliche zukunftsorientierte Ansatz, der in Print-Österreich überhaupt existiert. Und insofern höchst kritisierens- aber keinesfalls bekämpfenswert.