Erstellt am: 15. 3. 2009 - 21:56 Uhr
Fußball-Journal '09-16.
Das Positive zuerst: die diesbezüglich als anfällig geltenden Rapid-Ultras haben sich besonnen.
Seit der dank Katalog-Bestellungen "schlimmer Buben" des Büros Graf und Straches "unschuldigem" Sager flächendeckend bekannten Nazi-Symbolik der Heil Hitler-Verballhornung 88 hat die öffentliche Ausstellung der Zahl auf Fahnen, Transparenten und auch Kleidung der Rapid-Fans auf der Westtribüne so gut wie aufgehört.
Man hatte lange den 88er mit der Ausrede des Gründungsjahres der Rapid-Ultras (1988) als zentrales Symbol vor sich hergetragen und sich ebenso lange uneinsichtig gezeigt, was diese Referenz angesichts der unrühmlichen Neonazi-Vorgeschichte der Rapid-Westtribüne betraf.
In den ersten Spielen nach der Winterpause seh' ich nur noch eine Fahne mit Jahreszahl: die mit 1899 - dem Gründungsjahr des Vereins, der einzigen Zahl, die fantechnisch auch wirklich Sinn macht.
Ich hoffe, das bleibt so.
Und ich hoffe, dass es sich um eine tatsächliche Erkenntnis und nicht ein Pseudo-Einlenken für die Öffentlichkeit handelt.
Die Sache mit der Homophobie
Denn: andere Reaktion von Rapid-Ultras, die sich als Sprecher ihrer Clans gerieren, lassen da andere Schlüsse zu.
Ich habe, eher en passant, bei einer Geschichte die üblichen, peinlichen "Schwule, schwule Austria Wien!"-Chöre der Rapid-Fans erwähnt (nicht ohne drauf hinzuweisen, dass es im anderen Stadion umgekehrt gewesen wäre). Die Reaktionen der selbsternannten Vertreter "pfarrwiese" und "mck1989" waren entlarvend bis zur Parodie: zum einen wäre alles nicht wahr - man hätte vielmehr "Schwuler, schwuler FAK!" gerufen und zum zweiten wäre es doch legitim, weil es "die anderen", ja alle, schließlich auch täten.
Nun kann man zurecht beeinspruchen, dass sich weder einzelne Zuwortmelder noch Ultra-Sprecher an irgendeine Reallife-Netiquette halten müssen: sie können ihre homophoben Sprüchen klopfen und ihre Neonazi-Codes verteidigen - gegen Blödheit gibt es kein Gesetz.
Die Sache mit dem Anti-Semitismus
Problematisch wird es dann, wenn Vereins-Verantwortliche in diesem Chor der Verharmlosung und der Verschleierung einstimmen und dann das dämliche Klagelied vom gemeinen Fußball-Feind anstimmen, der ihnen den schönen Sport (der in ihren Augen scheinbar nur dann schön sein kann, wenn man sich verbal/aktionistisch aus der zivilisatorisch nötigen Übereinkunft des gesellschaftspolitischen Anstands ausklinkt und den Rassismus, den Antisemitismus, die Homophobie zu einem dazu notwendigem Gut stilisiert) quasi kaputtmachen.
Das ist jüngst geschehen - und zwar von Seite des LASK.
Der war dreifach unangenehm aufgefallen.
Zum einen hatten Bilder von LASK-Hools in eindeutigen Posen vor Nürnberger Mahnmalen ihren Weg auf die offiziellen Fan-Sites gefunden.
Dann fielen beim Heimspiel gegen Salzburg am 1. März einige Affenlaut-Attacken gegen die dunkelhäutigen Spieler des Gegners (ua Tormann Gustafsson) mehr als unangenehm auf.
Und dann kam es beim letztwöchigen Spiel bei der Austria Wien im LASK-Sektor zum wiederholten Skandieren eindeutiger antisemitischer Parolen.
Darüber berichtete Sportnet.at und da schaltete sich dann Fairplay ein, um eine breitere Öffentlichkeit zu informieren.
Die Sache mit der Verdrängung und dem Leugnen
Die Reaktion ist nun typisch für Fußball-Österreich.
Der zuständige LASK-Vorstand bestätigte zwar alles, was nicht abzustreiten war, und spricht davon das alles "intern zu regeln", in seiner schriftlichen Reaktion an die Sportnet-Redaktion geht es aber hauptsächlich um Abwieglung und Verdrängung. So wäre, heißt es von LASK-Seite, die "Affenlaut"-Sache doch bereits im Herbst passiert: komisch, denn da war der angepöbelte Tormann Gustafsson noch gar nicht in Salzburg...
Auch hier: wichtiger als sich dem Problem zu stellen, ist es den Verantwortlichen (und da unterscheiden sie sich in nichts von den Ultras) sich mit Verschleierungs-Tricks betreffend Wortwahl oder Zeitpunkt aus der Verantwortung zu stehlen.
Und auch die Argumente, eh dafür gesorgt zu haben, dass die schlimmen Sachen wegkommen (bei Rapid damals: die Hitler-Fahne, beim LASK jetzt: die Neonazi-Fotos auf der Webesite) zählen im Denken der Verantwortlichen mehr als das beim Verein und im Umfeld herrschende Klima, das sowas erst möglich macht.
Wer nämlich von verantwortlicher Seite klare Order ausgibt, wo die Grenzen sind, der wird solche Probleme erst gar nicht haben. Das stillschweigende Dulden von rassistischen, antisemitischen oder homophoben Stereotypen wird aber vom Fußball-Umfeld für stilprägend und deshalb für ein nötiges Übel gehalten.
Damit die Austria Wien da nicht so gut wegkommt: die hatten ihre Bewährungsprobe im Herbst und haben draus womöglich wirklich was gelernt.
Und diese Haltung gebiert täglich neue Monster.
Die Sache mit der Bundesliga
Interessant ist auch ein Nebensatz im langen Mail des LASK-Verantwortlichen ans Sportnet, der die Bundesliga betrifft. Da schreibt Vorstandsmitglied Fröschl im Zusammenhang mit den Neonazi-Fotos: "Als es zur Anzeige wegen Verstoss gegen das Verbotsgesetz kam, wurde von uns sofort wieder ein Stadionverbot (bundesweit, 24 Monate) beantragt. Allerdings beschloss der zuständige Staatsanwalt, noch bevor das SV (Stadionverbot) ausgesprochen wurde, nicht anzuklagen! Die Betroffenen selbst informierten darüber die Bundesliga und das SV wurde nicht verhängt."
So einfach kann man als Neonazi also die Bundesliga austricksen. Als ob die Bundesliga auf Verurteilungen oder Anklagen angewiesen wäre, als würde das von ihr (eben nur alibihaft) aufgestellte Regulativ nicht gelten...
Aber: warum sollte in der Liga, die ja nur der Zusammenschluss der Profi-Vereine ist, ein anderer Geist herrschen als bei den Clubs selber? Wo sich Vereins-Verantwortliche bequem als Opfer von Verschwörungen (samt Provinz-Komplex gegens böse Wien) sehen und ein Umfeld tolerieren, in dem sich die grindigsten Figuren problemlos suhlen können?
In diesem Zusammenhang liest sich die offizielle Aussendung der Bundesliga fast schon sarkastisch. Denn: das, was hier lippenbekenntnismäßig unter "sensibel" abgesondert wird, hat sich mit dem offenen Okay! der Liga für die LASK-Neonazis moralisch längst erledigt.
Ein PS
zur (nur zeitlich passenden) Anschuldigung gegen Marco Arnautovic, er habe einen schwarzen Gegenspieler beschimpft. Abgesehen davon, dass das wahrscheinlich nicht aufzuklären ist (es steht Aussage gegen Aussage, das schlimme Wort soll in einem Streit gefallen sein, den Arnautovic' Kollege Blaise N'Kufo schlichtete): eine Ex-Freundin von Arnautovic ist schwarz, Okotie ein Haberer - Fakten, die dem Rassisten-Vorwurf schon eher widersprechen.
Fälle wie diese kommen immer wieder vor - im Herbst war kurz Roman Kienast (auch definitiv ein anständiger Bursche) von einem Vorwurf betroffen (herausgekommen ist dann nichts); leider wird die Rassismus-Keule gern auch als Schutzbehauptung aufgeworfen, im nicht belegbaren, privaten Bereich (siehe auch Materazzi-Zidane).
Das breitzutreten ist wenig sinnvoll, und hält auch wieder nur Ausreden ohne Ende für jene bereit, die sich auf die schlechte Welt, die schlechten Menschen, die Umstände und die "anderen" ausreden, anstatt zuzugeben, dass es im Fußball einige massive Baustellen in dieser Hinsicht gibt und dass es Mut und Courage braucht diese Sauställe zu säubern. Und dass Wegschauen, Leugnen, Verdrängen, Abstreiten und auch das offensive Nixtun Marke Bundesliga hier deutlich zuwenig sind.