Erstellt am: 7. 5. 2009 - 09:15 Uhr
Oh! Neunzig-Sechzig-Neunzig
Oh! - Irritationen im Alltag
- Alle Folgen unter fm4.orf.at/oh
Man hätte mich gerne als Model gebucht. Besser gesagt: Meinen Oberkörper samt dazugehörigem Lächeln, denn an der Modeschule ist es ähnlich wie in der Politik: Ein sympathisches Gfries ist die halbe Miete. Und damit die maßgeschneiderte Abschlussarbeits-Panier auch gut sitzt, braucht man die genauen Zahlen. So stehe ich also halbnackt in einem kleinen 50er-Jahre-Raum und werde vermessen. Etwas nervös, aber doch auch stolz, weil: Hey, ich bin ein "Model"! Auch ich ein Opfer des 80er-Jahre-Brainwash, da können Heidi und Konsorten noch so viel öffentlich demütigen: "Model" klingt nach Discokugeln, teuren Shampoos und Cocktails am anderen Ende der Welt; ein Model zu sein, das hat Glam. Ähnlich wie "Stewardess", nur ohne das Kotzsackerl.
elisabeth gollackner
Die Freude ist leider nur von kurzer Dauer. Der erste Augenblick der Irritation erfolgt, als Frau Professor meine Taille nicht findet. Ob ich das Gefühl hätte, das Maßband sitze auch an der richtigen Stelle? Ich weiß es wirklich nicht, hab ich doch seit Jahren nicht mehr bewusst nach meiner Taille gesucht. (Wofür braucht man die nochmal?)
Auch die weiteren Ergebnisse sind niederschmetternd: Mein Nacken ist dicker als üblich, meine Schultern sind nicht gerade, grundsätzlich ist die rechte Seite länger als die linke, was zu einer gesamtgesehenen Schieflage führt. Aber das sei alles ganz normal.
"Das Becken?" fragt Frau Professor ihre Schülerin, während beide mich mit zur Seite geneigtem Kopf begutachten. "Mannquin-Haltung, ja oder nein?"
"Ja..."
Aufatmen, meine Eitelkeit bekommt einen traurig-kurzen Moment lang wieder Unterfutter, bevor sich beide in ihrer Diagnose bestätigen: Es wäre eine Mannequin-Haltung, wäre da nicht der Hintern (!) und, eh schon wissen, die allgemeine Krümmung nach links.
Vom Model zum Krüppel in nur 15 Minuten.
Die Modebranche ist eine grausame.