Erstellt am: 14. 3. 2009 - 17:14 Uhr
Journal '09: 14.3.
Stefan Elsbacher
Eines Nachts vor 13 oder 14 Jahren war er einfach da; und ging seitdem nicht mehr weg.
Der junge Mann mit der alten Stimme hatte die Dramaturgie der Grotesk-Partnershow-Vermittlung "Radio Blume" von & mit Stermann & Grissemann durchblickt und schlüpfte in wenigen Anläufen in die Rolle des Running Gags als übertrieben seriöser Charmeur der alten Schule, der zwischen den Posern, Wannabes und Schüchtis, die dieses Herzblatt für nächtlich-alternative Rastlose sonst bevölkerten, natürlich herausstach wie ein Diamant zwischen Pferdeäpfeln.
Das alles natürlich ungeskriptet und improvisiert, aus dem Bauch heraus - also im wöchentlichen Va-Banque-Spiel zwischen den wechselnden Launen von Grissemann und Stermann, den hochunterschiedlichen Zuständen der jeweils an den Mann zu bringenden Dame im Studio und den anderen Anrufern.
Stefan Elsbacher
Sogenannte Medien-Profis oder auch topseriöse deutsche Format-Erfinder bringen in ihrem Planungswahn in 100 Jahren nicht zusammen, was sich in diesem wöchentlichen Spiel zwischen Moderatoren, Redaktion und dem Running-Gag-Anrufer von außen an Finesse, Eingespieltheit und vor allem Spaßspaßspaß entwickelte.
Irgendwann wurde Hermes,
so nannte sich die Kunstfigur des Hans S. (ein wenig zu Ehren des damals noch viel präsenteren Hermes Phettberg, aber unschwul und ohne öffentlich abgehaltene Perversion - insofern fast eine Art Gegenmodell) dann vom rein telefonischem Running Gag auch zum Gast, Co-Moderator. Beim FM4=1-Fest (oder war es in einer kurzzeitigen TV-Adaption?) war er, mit polsterausgestopftem Bauch, Bühnengast einer Vorort-Radio Blume Show-Variante, und ab da nicht mehr wegzudenken.
Stefan Elsbacher
Als sich bei Ster/Grisse eine gewisse Erschöpfung einstellte, wöchentlich eine mitternächtliche Live-Sendung (eben Radio Blume) zu produzieren (woran auch ihr sonstiger Erfolg, der zu Tourneen und anderen Verhinderern dieser Regelmäßigkeit führte, schuld war - letztlich also, wie immer, das Publikum!), hatte es eine gewisse Logik, die Kuppel-Show doch einfach denjenigen weiterführen zu lassen, der am meisten davon verstand: Herrn Hermes.
Stefan Elsbacher
Im Zusammenhang mit Hermes unverzichtbar: die gestern ebenso geehrten BTO Spider (High Spirits) und Sleepless-Göttin Robin Lee.
Stefan Elsbacher
Auch dabei: Echtes Publikum! In einem lässigen Saal!
Stefan Elsbacher
Stefan Elsbacher
Das ist jetzt genau 10 Jahre her.
Mittlerweile ist die Kuppel-Sache gegessen, hat sich die Sendung längst zu einer Personaliy-Show entwickelt, die mit allen Formaten und Möglichkeiten arbeitet, die das Medium so bietet: Gäste, Call-Ins, Call-Outs, gehobener Unsinn, Demütigung der jeweiligen Assistenten (wir erinnern uns an den Einbeinigen, Herrn Rudi Schöllerbacher und, aktuell, an den Elsbacher'ischen) und Aktionistisches. Das alles aber immer noch im Grundtenor der anno dazumal erfundenen Figur - dem jungen Mann mit der alten Stimme und dem seriösen Charme, der gerne auch in Irrsinn umschlagen kann.
Dieser 10. Jahrestag wurde gestern Freitag, mit einer Gala begangen.
Es war lustig, wie Chez Hermes, "Die letzte Radio-Late Night Show mit Anstand & Stil“ lustig ist, und hatte seine beklemmenden Momente, wie sie die Dienstag-Mitternachtseinlage auch immer hat.
Die ölig-glatte Abspielfläche für akustische Variété-Gags, für die man "Chez Hermes" halten könnte, wenn man (ohne reinzuhören) sich die Beschreibungen so anschaut (vor allem, wenn man Medien-Profi oder deutscher Format-Entwickler ist) - die ist es eben genau nicht. Eher sein Gegenteil, die gebrochene Variante davon - aus etwa diesem Grund hatte Herr Hermes sich einen Anti-Zauberer, dessen Show aus schlechten Witzen, ausgestelltem Versagen und nur zeitweiliger Verblüffung besteht, eingeladen. Oder auch die "Bunten", ein grotesker Haufen aus Redakteuren und Musikern, die ein schnell von Obama auf Hermes umgetextetes Huldigungs-Liedchen performten: Wahr, armselig und schön zugleich.
Sehr Hermes
Sowas klappt nur, wenn etwas wachsen kann, ohne dass dutzende Köche mitquatschen, man auf hundert besserwissende Fachmenschen hört oder gar Geld für die Befragung von tausend an sich Desinteressierten ausgibt. Der einzige, der Hermes jemals coachte, war der zu Beginn beauftragte Mentor Fritz Ostermayer.
Stefan Elsbacher
Wie der am Tag der Chez Hermes-Debutsendung seinen Führerschein verlor, Geschichten wie diese wurden bei der Geburtstags-Party erzählt.
Die fand im Casino Baumgarten zu Wien statt, einem seltsamen Ort zwischen Vororte-Partei-Veranstaltungen, Operettensaal und Schüler-Party-Ambiente, aber noch nicht wüst genug, um Schauplatz einer der Ausflüge zu sein, die Hermes für seine böse, aber nie verächtlichmachende "Willkommen Österreich"-Reihe "Die unteren 10.000" unternimmt, die von TV-Älteren als das "Panorama" der heutigen Zeit geehrt wird.
Auch kein Zufall:
Sich so bewusst zwischen die diversesten Stühle zu setzen, in Genres und Bereiche hineinzuspüren, die sonst niemand gemeinsam denken würde - das ist sehr Hermes.
Außerhalb eines Umfelds, dass zu ironischen Zugängen fähig ist, würde das nicht klappen.
Stefan Elsbacher
Und in einem Umfeld, dass sich sklavisch am Interessens-Mainstream und dessen Zahlen orientiert, auch nicht (weil man dort per se ja immer hintendran ist).
Der Willen, sich dem (der von den scheinbaren Profis und Format-Erfindern inszenierten Relevanz) zu widersetzen - das ist am allermeisten Hermes.
Deshalb war die Wahl der Stargäste dann auch perfekt: Nichts anderes tut nämlich Hias Schaschko, Postkarten und DJ-Rebell aus München, der als Intim-DJ Cpt. Schneider auflegte, und nichts anderes tun Attwenger seit Jahren (Jahrzehnten!) auf ihre bärbeißig-sprachforschende Art.
Alles sehr Hermes also.
Danke Herr Hans!
Stefan Elsbacher