Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Die Liste"

Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

15. 3. 2009 - 14:14

Die Liste

Das Ordnungsamt ist ausgezogen, um blitzsaubere Theken zu suchen. Und hat Ratten, Schimmel und mangelnde Hygiene gefunden. Anderswo wiederum landen gleich ganze Finger am Teller...

Berlin hat einen neuen Skandal, der alle bewegt: Die Schmuddel-, Ekel- oder Gammelliste auch bekannt als "Der Pankower Internetpranger". Der Großbezirk Pankow, zu dem auch das so genannte "Szeneviertel" Prenzlauer Berg gehört, hat mit seiner "Aktion Smiley" für Aufregung gesorgt.

"alles sauber" aktion

alles sauber

Die Smiley-Aktion ist schuld am neuen Misstrauen

Eigentlich sollte der Smiley besonders saubere Lokale auszeichnen. Imbissbuden und Restaurants wurden vom Ordnungsamt kontrolliert und es wurde eine Mängelliste mit unschönen Details erstellt: Zum Beispiel wo genau Ratten, Schimmel und mangelnde Hygiene vorgefunden wurden.

Ein Aufschrei ging durch Berlin, aber nicht von den Gästen, die Wirte sehen sich nun in ihrer Existenz bedroht.
"Wettbewerbsverzerrung!", empört sich der deutsche Gaststättenverband, wenn, dann muss man alle kontrollieren - "nicht nur in Pankow!“ Es folgten tägliche Radio- und Fernsehberichte aus den Küchen und Gegendarstellungen der betroffenen Wirte.
Eine seltsame Koinzidenz, lief doch zur gleichen Zeit Der Knochenmann, in dem es ja auch um Restauranthygiene im weiteren Sinne geht, in den Berliner Kinos an. Und zu den bewegenden Bildern vom abgehackten Finger in der Eipanade, von Schweinehälften und Menschenkörpern am Fleischerhaken, kamen die Nachrichten aus den Ekel-Küchen Berlins.

finger am teller

www.usa-kulinarisch.de

Fingerfood-Rezept auf: www.usa-kulinarisch.de

Zudem wurde in der gleichen Woche die Tatortfolge "Finger" aus dem Jahr 2007 wiederholt: In einem Münchner Schickilokal wird ein Finger im Bodenabflusssieb gefunden. Das wortlose Zerteilen von Fleischstückchen, Eifersucht, Gier, Verstrickung, Geldprobleme und dann ein abgehauener Finger - "wer hat da bei wem geklaut?" fragt sich die aufmerksame Zuschauerin. Wahrscheinlich das Tatort-Drehbuch beim Haas-Roman, aber andererseits: Ist das Essen und gegessen Werden und die Leichenentsorgung in Restaurantküchen nicht ein filmisch erzählerisches Grundmotiv?

Stills aus "Tatort" und "Der Knochenmann"

tatort / luna film

Sind solche Zustände auch in Berliner Küchen denkbar?

Liefert der halsabschneiderische Friseur "Sweeney Todd" im gleichnamigen Film-Musical nicht direkt aus dem Friseurladen das Material für die Fleisch-Pastetenzubereitung im Keller? "Delicatessen", "Fargo" - wird da nicht auch geschreddert und gegessen?

Brrrr. Man darf sich nicht reinsteigern. Zum Glück geht es in Berlin im gruseligsten Fall höchstens mal um Rattengift, Gärfliegen und Mausefallen im Geschirrwaschbecken.