Erstellt am: 12. 3. 2009 - 21:57 Uhr
Im engen Kontakt
Radio FM4 / Rainer Springenschmid
Der Wiener Brunnenmarkt wird aufgemotzt. Im ehemals abgewohnten Migranten-Vorzeigeviertel in Wien-Neulerchenfeld wird seit zwei Jahren kräftig renoviert und gebaut. Dort wo zuletzt das Kaufhaus Osei war, steht jetzt der Dichterhof, ein Neubau benannt nach dem 1938 enteigneten jüdischen Vorbesitzer des Osei-Gebäudes.
Und ins Erdgeschoß des Dichterhofs ist jetzt die Polizeiwachstube aus der benachbarten Abelegasse eingezogen. Dass das natürlich Symbolcharakter hat, das sieht auch Wiens Polizeipräsident Mahrer so: die Polizei, sagt er, will hier am Markt mit der Bevölkerung in engem Kontakt stehen.
Radio FM4 / Rainer Springenschmid
Mahrer kann reden wie ein Politiker, und klar sagt er nicht (und sonst auch keiner), dass eine Polizeidienststelle mitten im lebendigen Brunnenmarkt vor allem auch ein abschreckendes Symbol ist. Es geht darum, Präsenz zu zeigen an einem Fleck, an dem täglich eine Menge Menschen vorbei gehen.
Denn natürlich ist die Brunnenmarktgegend auch ein Brennpunkt, was Kriminalität angeht – nicht, wie uns die einfach Gestrickten weismachen wollen, weil AusländerInnen einfach böser sind, sondern weil gerade in ärmeren sozialen Schichten die Kriminalität generell höher ist. Schichtspezifisch gesehen sind AusländerInnen ja erwiesenermaßen nicht krimineller als Einheimische; man kann es nicht oft genug erwähnen.
Radio FM4 / Rainer Springenschmid
Aber es geht natürlich hier auch um das Verhältnis der Polizei zu den "Anderen", den Migranten, den anders Aussehenden – egal ob jung und urban oder einfach nur mit anderer Hautfarbe; anders als der konservative Mainstream jedenfalls, aus dem das Innenministerium seine Elite zieht, und anders als der Durchschnitt der Landbevölkerung, die die Mehrheit der PolizistInnen stellt.
In diesem Sinne konnte eine Aktion wie die der drei, die als schwarze Turnlehrer verkleidetet auf der Dachterrasse des Schaukastens sitzen, passender nicht sein.
Dafür, dass die Exekutive hier einen Lernbedarf anerkennt, gibts in diesem Falle sogar positive Anzeichen: Karl Mahrer betont mehrmals, dass die Polizei gerade hier am Brunnenmarkt die ÖsterreicherInnen mit Migrationshintergrund einsetzen will, um die sie gerade verstärkt wirbt – auch um die Barriere zu Migranten abzubauen. Das ist zumindest eine Anerkennung der Tatsache, dass es diese Barriere gibt, und dass daran nicht nur die bösen AusländerInnen schuld sind.
Auch dass die Wiener Stadtregierung zur Eröffnung ihre Integrationsstadträtin schickt, ist zumindest das Symbol, dass man an dieser Stelle nicht gedenkt auf den FPÖ-Zug aufzuspringen. Ob das auch im bevorstehenden Wahlkampf so bleibt, wird sich weisen.
Radio FM4 / Rainer Springenschmid
Aber es gibt natürlich auch unangenehme Zeichen, wie die aufgeschnappten Bemerkungen, die sich ein paar (der Kleidung nach) hohe Tiere im Hintergrund zuraunen.
Es geht um den Umgang mit den verkleideten Provokateuren auf der Terrasse des Schaukastens – die nichts anderes machen, als schwarz geschminkt Kaffee zu trinken und der Zeremonie zuzusehen.
Der Hinweis aufs neue Sicherheitspolizeigesetz – Zitat: "Einschreiten, bevor eine strafbare Handlung passiert" – lässt mich kurzfristig um die körperliche Unversehrtheit der drei fürchten.
Ob die Bemerkungen Scherz oder Zynismus waren, reine Gedankenspiele nach dem Motto was wäre, wenn die dort oben anfangen Kaffee runter zu schütten – oder ob einige wirklich gern zugelangt hätten, das lässt sich im Nachhinein nicht mehr verifizieren.
Radio FM4 / Rainer Springenschmid
Im Endeffekt bleibt alles ruhig, man entscheidet sich fürs Ignorieren, und manch Uniformierter reagiert sogar belustigt auf die skurrile Demo.
Aber zurück bleibt das ungute Gefühl, dass Karl Mahrer, wenn es ihm wirklich ernst ist, noch einen weiten Weg vor sich hat, damit der enge Kontakt mit der Bevölkerung für alle Beteiligten gedeihlich abläuft.