Erstellt am: 18. 3. 2009 - 10:45 Uhr
Wann sind wir endlich daheim?
"Wir spielen das ganze neue Album durch... und dann ... schauen wir ob überhaupt noch wer im Publikum steht", sagt der Franz. Ich lache. Und muss mich im Flex dann ein bisschen genieren - wenn Kreisky ankündigen, dass sie ihr Album durchspielen werden, dann meinen sie es auch so. Bei der Releaseparty im Wiener Flex sind die neuen Songs wie Greifvögel von der Bühne geflattert. Einer nach dem anderen, in Reihenfolge wie auf der Platte, in die Arme des willigen Publikums. Kreisky haben uns an diesem Abend alles gegeben - und am Album ebenfalls - bis auf's sprichwörtliche musikalische letzte Hemd. Aber vorher ...
Ingo Pertramer
Ironie oder Verzweiflung
"Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld" - der Titel alleine ist ein Paradoxon. Schuldbekennung, theatralische Übertreibung, Ironie oder Verzweiflung? Der essentielle Kreisky-Protagonist, der immer wieder aus dem Morast auftaucht verkörpert all diese Dinge. Er ist der Wütende, der sich in der Ecke versteckt und den lachenden Dritten verspottet. Er ist derjenige, der seinen Grant auslebt, sich in der bitteren Realität suhlt. Derjenige, der sich selber manchmal gut zureden muss: "Auf Ledersitze weint man nicht."
"Die beste Rockband Österreichs" meint M. euphorisch im Flex und verlautbart damit das, was ich mir seit dem ersten Anhören von "Meine Schuld" denke, und was sich so wenige zu sagen trauen. Aber ich stimme zu, denn selten gelingt es, so clevere Texte zu schreiben, die sich mit einem Gemisch aus Wahrheit, Größenwahn und Fantasie hochschaukeln. Gepaart mit der noch härteren, roheren Musik ist es wie ein Hammer, der wild durch die Gegend geworfen wird. Waren die Kreiskys doch immer die wilden, wortgewandten Männer im Anzug, haben sich diese Adjektive nun verstärkt - wo am Debüt noch Versöhnung mit "Wo Woman ist, da ist auch Cry" oder "Hallelujah" angeboten wurde, ist die Band auf "Meine Schuld" nur noch in Angriffslaune. Sie fordern eine Aussprache, und das mit einer unverschämten Dringlichkeit und Direkheit.
Ingo Pertramer
Ecken und Kanten
Es ist so bewundernswert, wie Kreisky ihre Ecken und Kanten bewahren, wie sie die Ekstase von der Bühne in ihre Songs einbringen können. Niemand schlittert und windet sich so über prosaische Songtexte wie Franz Wenzl. Dann folgt eine clevere Bemerkung auf die andere - wie ein Schlagabtausch. Der Rest der Band ist ein gut gekleidetes Mysterium, eine Bande von secret agents, die nicht nur auf Platte sondern auch auf der Bühne stets 110% hinlegen. Klaus Mitter ist ein Schlagzeuger, der alles andere als untergeht hinter seinem Drumkit. Für alle die, die's nicht kapiert haben, erhebt er sich gerne einmal und kommandiert alleine auf der Bühne den Abschlussmarsch. Manchmal sind sie streng mit uns, die Kreiskys, aber sie haben ja recht.
Musikalisch bewegen sich Kreisky auf diesem Album eher Richtung Seitenprojekt Mord - man merkt eine neue Härte, eine noch deutlichere musikalische Aggression. Die Floskeln "Punk" und "Rock" oder gar "rotzig", die oft fallen, treffen nicht richtig, aber auf "hart" kann ich mich einlassen. "Meine Schuld" ist voll von Momentaufnahmen, von denen man eigentlich keine Erinnerung haben will.
Von komischen Parties mit knurrenden Hunden, vom Ende eines Bibione-Urlaubs, von der nervigen Tirade über den Dow Jones. Kreisky geben uns ein Ventil für unsere eigene Unzufriedenheit. Es ist der ur-österreichische Grant, gepaart mit einer universellen Erkenntnis, dass wir uns doch alle fürchten, alleine zu sein. Wo mich sonst so eine Härte und so klare Worte verschrecken würden, empfangen mich Kreisky mit ihrer Musik mit offenen Armen. Wahrscheinlich ist es neben dem Beschweren auch die Angst, die immer wieder auftaucht. Wenzl teilt aus, aber auch an sich selbst. "Ich habe Angst vor zu klugen Leuten, ich habe Angst der Teufel zu sein." Ein andauerndes "genau das Gefühl kenne ich!" schwirrt mir im Kopf herum.
Ingo Pertramer, Klaus Mitter
Endlich eine Antwort
In den paar Wochen in denen "Meine Schuld" nun schon in meinem Besitz ist, hat es sich bereits als täglich notwendiger Musikanteil etabliert. "Die Motoren" und "Die dummen Schweine" haben sich in meine Gehörgänge eingenistet, ich ertappe mich dabei, bei diversen Haushaltstätigkeiten "Asthma" anklingen zu lassen. Kreisky haben da was geöffnet, einen öffentlichen Dialog angeprangert, uns eine Katharsis und Identifikationsmöglichkeit via MP3-Player beschert. Unbehagen never felt so good. Und die elendige Frage hat jetzt auch eine Antwort:
"Wann sind wir endlich daheim?
Wir sind nie daheim."